Manfred Götzke: Studieren auf Bachelor ist kein Spaziergang – das hat mittlerweile ja sogar die Bundesbildungsministerin persönlich eingesehen, und letzte Woche Fehler bei der Bologna-Reform eingeräumt. Eine neue Studie der TU Chemnitz legt sogar noch eins drauf: Studieren auf Bachelor kann krankmachen, oder zumindest stark überfordern. Die Soziologin Doreen Liebold hat für ihre Diplomarbeit die psychologischen Berater der Studentenwerke befragt, ja, und das Ergebnis ist ziemlich eindeutig: 83 Prozent der Berater stellen eine Tendenz zu einer allgemeinen Überlastung und psychischen Erschöpfung fest. Frau Liebold, Tendenz zu psychischer Erschöpfung, allgemeine Überlastung, das verbinden wir seit einiger Zeit mit dem Label Burnout. Ist das Bachelor-Studium ein Burnout-Studium?
Doreen Liebold: Also ganz so pauschal würde ich das nicht formulieren. Die psychologischen Beraterinnen und Berater der Studentenwerke in Deutschland äußern aber durchaus eine große Besorgnis aufgrund der sich gegenwärtig abzeichnenden Entwicklung an den Hochschulen. 83 Prozent der Beraterinnen und Berater erkennen Tendenzen allgemeiner Überlastung und psychischer Erschöpfung bei Studierenden und sehen durchaus als Primärursache die Bologna-Reform und die damit einhergehende Umstellung auf das Bachelor-Master-System begründet. Dies betrifft insbesondere die erhöhte Arbeitsdichte und die gestrafften Studienordnungen, engere generelle Rahmenbedingungen und allgemein stark gestiegene Leistungsanforderungen sowie schrumpfende Freiräume.
Götzke: Das heißt, die Berater, die sehen tatsächlich einen signifikanten Anstieg von Burnout oder von Überlastung, seit der Bachelor, seit der Master eingeführt wurde?
Liebold: Die Fachkräfte der psychologischen Beratungsstellen der Studentenwerke beobachten – also 61 Prozent davon beobachten einen deutlichen Anstieg von Burnout bei Studierenden, insbesondere in den letzten fünf Jahren, und sehen als Primärursache eben schon das Bachelor-Master-System, sehen aber auch Ursachen im gesamtgesellschaftlichen Bereich, zum Beispiel ein stark gestiegener Leistungs- und Konkurrenzdruck allgemein in der Gesellschaft, aber sie sehen auch Ursachen im individuellen Bereich, insbesondere in einem erhöhten Perfektionsanspruch der Studierenden und dem steigenden Gefühl, eine Optimierung des Lebenslaufes und dazu des Studiums betreiben zu müssen.
Götzke: Darüber haben wir ja auch häufiger berichtet, also diese Tendenz zur Selbstoptimierung, dass man sich selbst, ohne dass es unbedingt Anlass dafür gibt, immer mehr Druck macht.
Liebold: Also er kommt von den Studierenden selbst, das ist richtig, aber so indirekt sozusagen wird er ja auch von der Hochschule und darüber hinaus natürlich von der Gesellschaft auferlegt, eben durch den steigenden Leistungs- und Konkurrenzdruck durch gegenwärtig sich abzeichnende prekäre Beschäftigungsverhältnisse, unsichere Zukunft, unsichere berufliche Zukunft der Studierenden, und eben das Gefühl, seinen Lebenslauf immer mehr perfektionieren zu müssen und optimieren zu müssen durch einen Abschluss in Regelstudienzeit, Praktika, diverse Auslandsaufenthalte et cetera.
Götzke: Sie haben aber Differenzen zwischen Männern und Frauen festgestellt. Welche genau?
Liebold: 64 Prozent der befragten Fachkräfte sehen einen deutlichen Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Studierenden. Männliche Studierende sind hilfeabweisender, und entsprechende Probleme und Erkrankungen äußern sich eben besonders in Lern- und Arbeitsstörungen, Sozialphobien, leichten Kontrollzwängen, aber auch diversen Suchterkrankungen, wie zum Beispiel Internetsucht oder Mediensucht. Demgegenüber sind Studentinnen verstärkt von Stress und Überforderung betroffen, verbunden mit Erschöpfungssymptomen wie zum Beispiel psychosomatischen Beschwerden oder auch depressiven Verstimmungen.
Götzke: Haben Sie erfahren können über die psychologischen Berater, woran das liegen könnte, diese unterschiedliche Symptomatik?
Liebold: Das habe ich nicht, aber was vielleicht sehr interessant ist zu erfahren, es ist auch häufig schon in den Medien aufgetreten, einfach die Meinung, dass Frauen stärker betroffen sind von den psychischen Belastungen, von den psychosozialen Erkrankungen, als Männer. Das ist nicht der Fall, die Männer sind einfach hilfeabweisender und gehen unter Umständen vielleicht auch erst zu spät in die Beratungsstellen.
Götzke: Haben Sie ein Rezept gegen Burnout im Studium?
Liebold: Generell ist es wichtig, einen Ausgleich zu schaffen, also das Leben besteht nicht nur aus Studieren und aus Arbeiten – es ist natürlich ein sehr, sehr großer Teil –, wichtig sind Erholungspausen, Erholungsphasen einzunehmen, und sei es wirklich nur am Wochenende etwas Tolles unternehmen und sich ein gutes soziales Netzwerk aufzubauen, also Freunde, Familie, ist sehr, sehr wichtig. Wichtig ist, dass es die Freizeit überhaupt gibt.
Götzke: Burnout grassiert unter Studierenden und hat seit der Einführung des Bachelorstudiums noch zugenommen, sagen die psychologischen Berater der Studentenwerke. Doreen Liebold hat sie für ihre Diplomarbeit befragt, vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Doreen Liebold: Also ganz so pauschal würde ich das nicht formulieren. Die psychologischen Beraterinnen und Berater der Studentenwerke in Deutschland äußern aber durchaus eine große Besorgnis aufgrund der sich gegenwärtig abzeichnenden Entwicklung an den Hochschulen. 83 Prozent der Beraterinnen und Berater erkennen Tendenzen allgemeiner Überlastung und psychischer Erschöpfung bei Studierenden und sehen durchaus als Primärursache die Bologna-Reform und die damit einhergehende Umstellung auf das Bachelor-Master-System begründet. Dies betrifft insbesondere die erhöhte Arbeitsdichte und die gestrafften Studienordnungen, engere generelle Rahmenbedingungen und allgemein stark gestiegene Leistungsanforderungen sowie schrumpfende Freiräume.
Götzke: Das heißt, die Berater, die sehen tatsächlich einen signifikanten Anstieg von Burnout oder von Überlastung, seit der Bachelor, seit der Master eingeführt wurde?
Liebold: Die Fachkräfte der psychologischen Beratungsstellen der Studentenwerke beobachten – also 61 Prozent davon beobachten einen deutlichen Anstieg von Burnout bei Studierenden, insbesondere in den letzten fünf Jahren, und sehen als Primärursache eben schon das Bachelor-Master-System, sehen aber auch Ursachen im gesamtgesellschaftlichen Bereich, zum Beispiel ein stark gestiegener Leistungs- und Konkurrenzdruck allgemein in der Gesellschaft, aber sie sehen auch Ursachen im individuellen Bereich, insbesondere in einem erhöhten Perfektionsanspruch der Studierenden und dem steigenden Gefühl, eine Optimierung des Lebenslaufes und dazu des Studiums betreiben zu müssen.
Götzke: Darüber haben wir ja auch häufiger berichtet, also diese Tendenz zur Selbstoptimierung, dass man sich selbst, ohne dass es unbedingt Anlass dafür gibt, immer mehr Druck macht.
Liebold: Also er kommt von den Studierenden selbst, das ist richtig, aber so indirekt sozusagen wird er ja auch von der Hochschule und darüber hinaus natürlich von der Gesellschaft auferlegt, eben durch den steigenden Leistungs- und Konkurrenzdruck durch gegenwärtig sich abzeichnende prekäre Beschäftigungsverhältnisse, unsichere Zukunft, unsichere berufliche Zukunft der Studierenden, und eben das Gefühl, seinen Lebenslauf immer mehr perfektionieren zu müssen und optimieren zu müssen durch einen Abschluss in Regelstudienzeit, Praktika, diverse Auslandsaufenthalte et cetera.
Götzke: Sie haben aber Differenzen zwischen Männern und Frauen festgestellt. Welche genau?
Liebold: 64 Prozent der befragten Fachkräfte sehen einen deutlichen Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Studierenden. Männliche Studierende sind hilfeabweisender, und entsprechende Probleme und Erkrankungen äußern sich eben besonders in Lern- und Arbeitsstörungen, Sozialphobien, leichten Kontrollzwängen, aber auch diversen Suchterkrankungen, wie zum Beispiel Internetsucht oder Mediensucht. Demgegenüber sind Studentinnen verstärkt von Stress und Überforderung betroffen, verbunden mit Erschöpfungssymptomen wie zum Beispiel psychosomatischen Beschwerden oder auch depressiven Verstimmungen.
Götzke: Haben Sie erfahren können über die psychologischen Berater, woran das liegen könnte, diese unterschiedliche Symptomatik?
Liebold: Das habe ich nicht, aber was vielleicht sehr interessant ist zu erfahren, es ist auch häufig schon in den Medien aufgetreten, einfach die Meinung, dass Frauen stärker betroffen sind von den psychischen Belastungen, von den psychosozialen Erkrankungen, als Männer. Das ist nicht der Fall, die Männer sind einfach hilfeabweisender und gehen unter Umständen vielleicht auch erst zu spät in die Beratungsstellen.
Götzke: Haben Sie ein Rezept gegen Burnout im Studium?
Liebold: Generell ist es wichtig, einen Ausgleich zu schaffen, also das Leben besteht nicht nur aus Studieren und aus Arbeiten – es ist natürlich ein sehr, sehr großer Teil –, wichtig sind Erholungspausen, Erholungsphasen einzunehmen, und sei es wirklich nur am Wochenende etwas Tolles unternehmen und sich ein gutes soziales Netzwerk aufzubauen, also Freunde, Familie, ist sehr, sehr wichtig. Wichtig ist, dass es die Freizeit überhaupt gibt.
Götzke: Burnout grassiert unter Studierenden und hat seit der Einführung des Bachelorstudiums noch zugenommen, sagen die psychologischen Berater der Studentenwerke. Doreen Liebold hat sie für ihre Diplomarbeit befragt, vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.