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Burschenschaften, Identitäre, AfD
"Da existieren einige unheilige Allianzen"

Lange schienen Burschenschaften in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Der Blick auf AfD und identitäre Bewegung offenbare allerdings nennenswerte Berührungspunkte, sagte die Politologin Alexandra Kurth im Dlf - und nannte diese Verbindungen "sehr gefährlich".

Alexandra Kurth im Gespräch mit Manfred Götzke |
    Hinterköpfe von Burschenschaftern mit roten Hüten auf dem Kopf
    Dürfen seit 2011 nicht mehr auf der Wartburg feiern, sind aber zum Teil wieder im Aufwind von rechts außen: Burschenschaftler (picture alliance / Bodo Schackow)
    Manfred Götzke: Zu rechts, zu rechtsextrem, nicht mehr zeitgemäß: die Burschenschaften, vor allem die unter dem Dachverband Deutsche Burschenschaft organisierten Bünde, die waren bis vor Kurzem Vereine von vorvorgestern, gesellschaftlich nicht vermittelbar. Sie hatten immer weniger Mitglieder und eigentlich auch kaum noch politischen oder gesellschaftlichen Einfluss.
    Aber das hat sich geändert in einem Deutschland, das nach rechts geschwenkt ist inklusive einer AfD im Bundestag mit 92 Abgeordneten. Welche Rolle also spielen die Burschenschaften im Herbst 2017? Darüber möchte ich mit Alexandra Kurth sprechen. Sie ist Politologin an der Uni Gießen und beschäftigt sich seit Jahren mit den Themen Rechtsextremismus und Burschenschaften. Hallo Frau Kurth!
    Alexandra Kurth: Guten Tag, hallo!
    Götzke: Frau Kurth, haben die rechten und auch rechtsextremen Burschenschaften in den letzten Monaten und Jahren wieder an Einfluss gewonnen?
    Kurth: Es sieht tatsächlich so aus, obwohl die Entwicklung nach 2011 zunächst eine andere war in Bezug auf den Dachverband Deutsche Burschenschaften. Der ist ganz stark geschrumpft, der hat große finanzielle Schwierigkeiten, er ist öffentlich höchst umstritten, es gab eine ganze Reihe von Skandalen, aber das Blatt hat sich quasi gewendet, und nicht zuletzt mit dem Erfolg der AfD sind doch einige Burschenschafter sozusagen wieder neu ins politische Rennen eingestiegen.
    "Die AfD ist ein großer Arbeitsmarkt für Burschenschafter"
    Götzke: Wie eng sind denn die Verbindungen zwischen AfD und Burschenschaften?
    Kurth: Die sind sehr eng. Die Deutsche Burschenschaft als Dachverband ist ja parteipolitisch erst mal neutral, also parteipolitisch nicht gebunden, aber es ist schon so, dass es doch eine ganze Reihe von personellen Überschneidungen zwischen nicht nur DB-Burschenschaften, sondern auch anderen und der AfD gibt auf allen Ebenen.
    Götzke: Also Abgeordnete, die Mitglieder sind und deren Mitarbeiter zum Beispiel?
    Kurth: Richtig, also Abgeordnete sowohl auf Bundesebene als auch auf der Landesebene, natürlich auch in den Kommunalparlamenten, dann aber auch vielleicht noch in viel stärkerem Maße Mitarbeiter von Abgeordneten, Mitarbeiter von Fraktionen, Mitarbeiter von Abgeordnetenbüros, Geschäftsführungsassistenten et cetera pp. Also das heißt, die AfD ist auch ein ganz großer Arbeitsmarkt für Burschenschafter geworden.
    Götzke: Kann man sagen, die Burschenschaften sind so eine Art Kaderschmiede für die AfD?
    Kurth: Ich selbst würde den Begriff jetzt so nicht verwenden, weil er meines Erachtens die Sache nicht ganz trifft. Man kann aber durchaus sagen, dass es eine ganze Reihe von ideologischen Überschneidungen gibt und dass ganz viel von dem, was innerhalb der AfD diskutiert wird, schon sehr viel früher, eben unter anderem in DB-Burschenschaften diskutiert worden ist.
    Auf Facebook-Seiten wirkten viele berauscht vom AfD-Erfolg
    Götzke: Also da geht es ja um völkisches Denken, historischen Revisionismus. Das sind ja Dinge, die bis vor Kurzem nur in rechtsextremen Burschenschaften, vielleicht in der NPD verbreitet waren. Jetzt hört man solche Äußerungen auch von führenden AfD-Politikern. Kann man sagen: Die Burschenschaften sind so eine Art Think-Tank der Partei geworden?
    Kurth: Ganz vorsichtig könnte man das durchaus formulieren, auch wenn es zu verkürzt wäre zu sagen, dass sich DB-Burschenschaften und Mitglieder von DB-Burschenschaften nur an der AfD orientieren. Also es gibt nach wie vor diejenigen, die eher auf die NPD setzen. Es gibt sicherlich auch noch den einen oder anderen, der auf die CDU oder andere demokratische Parteien setzt. Also das ist durchaus heterogener, aber wenn man sich sozusagen die Facebook-Seiten anguckt, wenn man sich die Debatten anguckt, ist es schon so, dass sehr viele, insbesondere der jüngeren Mitglieder ziemlich berauscht sind von den Wahlerfolgen der AfD.
    Götzke: Hat Sie das eigentlich überrascht, als diese Äußerungen jetzt auch von führenden AfD-Politikern aufkam – Zweiter Weltkrieg, die Soldaten et cetera – oder haben Sie gedacht, okay, das haben wir alle schon bei den Burschenschaften gehört?
    Kurth: Das hat mich überhaupt nicht überrascht. Also das hat mich weder überrascht, aus meiner Untersuchungen der AfD selber heraus, also auch den programmatischen Debatten, die es gegeben hat in der Partei. Es war im Grunde genommen fast unausweichlich, dass es in diese Richtung gehen wird, und zum anderen aber auch hat es mich nicht überrascht, wenn ich mir angeguckt habe, welche Personen sich in der Partei engagieren und wie das innerhalb des gesamten Spektrums aufgenommen wird. Da waren ja bestimmte Themen einfach schon gesetzt, weil das ja keine neuen Themen sind, also gerade diese geschichtsrevisionistischen Fragen, Umdeutungen der Geschichte, der Versuch, die Besetzung von insbesondere der Bewertung und Beurteilung der NS-Zeit zu verändern. Das ist ja jetzt nicht neu erfunden von der AfD, sondern das sind ja ganz wichtige Themen innerhalb der verschiedenen Spielarten der extremen Rechten der letzten Jahrzehnte gewesen.
    "Unheilige Allianzen mit Identitären"
    Götzke: Mit der identitären Bewegung ist in Europa, auch in Deutschland, eine neue rechte bis rechtsextreme Bewegung entstanden, auf den politischen Markt gekommen. Die teilt ihre Ideologie ja auch mit manchen Burschenschaften. Welche Verbindungen bestehen zwischen diesen beiden Gruppierungen?
    Kurth: In der Tat existieren doch da einige unheilige Allianzen zwischen Identitären und Burschenschaften. Also es ist tatsächlich so, dass sowohl von Seiten der Identitären die Burschenschaften als wichtige Bezugsgruppe gesehen werden. Also das heißt, in veröffentlichten Handreichungen identitärer Gruppen wird explizit darauf hingewiesen, man solle den Kontakt zu Burschenschaften suchen. Auf der anderen Seite ist es so, dass eine ganze Reihe von Burschenschaften quer verteilt durch die Bundesrepublik den Identitären ihre Türen öffnen, das heißt also Veranstaltungen, also ihre Häuser zur Verfügung stellen, und es dort zum Teil dann auch zu Treffen kommt, wo identitäre Mitglieder der Jungen Alternative, mit der der AfD, Mitglieder von Burschenschaften sich eben auf Burschenschaftshäusern treffen, also das heißt, die Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird, und zum Dritten, dass auch ganz gezielt der ideologische Schulterschluss gesucht wird.
    Es gab vor Kurzem ein Heft der Deutschen Burschenschaft, der "Burschenschaftlichen Blätter" mit dem Schwerpunkt "Nonkonformes Europa". Da haben eine ganze Reihe von Identitären geschrieben, und da ging man quasi so weit, sich anzugucken, was gibt es denn für Anknüpfungspunkte innerhalb von Europa, um der existierenden Europäischen Union etwas entgegenzusetzen, und da spiele die Identitären eine ganz wichtige Rolle. Da macht man auch letztendlich nach Rechts keinen Stopp, sondern es ging also tatsächlich soweit, dass man auch einen Vertreter der neofaschistischen CasaPound-Bewegung in Italien interviewt hat, und nicht etwa in kritischer Absicht, sondern als Vorbildprojekt. CasaPound betrachtet sich selber als Faschisten des dritten … Also, sie wollen Überlegungen anstellen für einen Faschismus des dritten Jahrtausends. Das heißt, da sind wir ganz weit rechts außen.
    "Ich halte das für sehr gefährliche Verbindungen"
    Götzke: Noch mal ganz kurz zum Schluss, Frau Kurth: Wie gefährlich sind diese Verbindungen, Identitäre, AfD, Burschenschaften?
    Kurth: Ich halte das für sehr gefährliche Verbindungen, insbesondere wenn es in das militante Spektrum hineingeht.
    Götzke: ... sagt die Politologin und Rechtsextremismusforscherin Alexandra Kurth von der Universität Gießen. Danke schön!
    Kurth: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.