Mit Kopfbedeckung betritt Norbert Weidner schweigend den Saal 209 im Bonner Landgericht: das Gesicht verborgen hinter einer weißen Burschenschaftsmappe, auf die nur ein Wort gekritzelt ist: "Bonhoeffer". Während der Angeklagte das eifrige Geklicke der Kameras scheinbar ungerührt ignoriert, zischt der Staatsanwalt den Pressefotografen ein angewidertes "Aasgeier!" entgegen.
Sofort klopft Weidner triumphierend auf den Tisch. Eine gute Stunde später wird der 40-Jährige, der Mitglied der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn ist, wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Geldstrafe von 1200 Euro verurteilt. In einem Leserbrief an die Mitgliederzeitung seiner Bonner Verbindung hatte Weidner den Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als "Landesverräter" bezeichnet und seine Hinrichtung durch ein SS-Standgericht verteidigt:
"Der Tenor im Leserbrief ist sozusagen typisch für rechtsextreme Kreise","
sagt Lazaros Miliopoulos, Politologe an der Universität Bonn mit Schwerpunkt Rechtsextremismus.
""Einen Justizmord an Bonhoeffer als solchen nicht zu benennen, das ist einfach eine Rhetorik, die typisch ist für Gruppen, die den Nationalsozialismus in gewisser Weise dadurch indirekt rechtfertigen wollen."
Weidner selbst ist zu einem persönlichen Interview mit dem Deutschlandfunk nicht bereit. Vor Gericht verteidigt er sich allerdings und verweist auf einen zweiten Leserbrief, in dem er versucht habe, sich für seine Äußerungen zu entschuldigen. Gerichtssprecher Philipp Prietze fasst zusammen:
"Er hat sich darauf bezogen, dass er keinen Tatwillen gehabt habe, Herrn Bonhoeffer zu verunglimpfen. Er sei aber der Auffassung, dass die Handlungen, die Bonhoeffer damals begangen habe, sich als Landesverrat darstellten. Er habe deswegen auch nichts Falsches geschrieben in seinem ursprünglichen Leserbrief, diesen nur vielleicht nicht mit genügend Quellen versehen."
Weidner fühlt sich zu Unrecht in die rechte Ecke gestellt. Bis letzten Sommer war er FDP-Mitglied, einem Parteiausschlussverfahren kam er zuvor, indem er wenige Tage vor Fristende freiwillig austrat. Dem zuständigen Parteisprecher ist die Erleichterung darüber noch immer anzuhören, denn auch die Liberalen kennen Weidners rechte Vergangenheit bei der Wiking-Jugend und bei der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei, die 1995 verboten wurde.
"Allerdings muss man deutlich sagen, dass er sich ja auch selbst wiederum davon distanziert und sagt, er habe mit dieser Vergangenheit abgeschlossen","
sagt der Politologe Lazaros Miliopoulos.
""Allerdings spricht der Leserbrief für eine andere Wahrheit in dem Zusammenhang."
Längst ist Norbert Weidner auch in den eigenen Kreisen zur Persona non grata geworden. Im November wurde er als Chefredakteur der Verbandszeitung "Burschenschaftliche Blätter" abgesetzt. Christian Becker, Ex-Mitglied der Bonner Raczeks und Gründer des Netzwerkes "Burschenschafter gegen Neonazis", sieht in Weidner aber nur die Speerspitze. Rechtes Gedankengut sei bei den Burschenschaftern weit verbreitet:
"Also das ist ganz klar festzumachen, zum Beispiel an Personen. Die wesentlichen Posten im Dachverband werden von Rechtsextremen besetzt. Die Rechtsextremen entscheiden über das Geld. Die Rechtsextremen entscheiden über die Botschaften, das heißt, die Rechtsextremen geben sowohl das Konzept vor und führen es auch durch."
An diesen Vorwürfen, die Christian Becker bereits im vergangenen Sommer erhob, habe sich nichts geändert, sagt er heute. Besonders Weidner ist ihm ein Dorn im Auge. Der sei einer der Köpfe der rechtsextremen Bewegung aus Burschenschaften, NPD und Kameradschaften. Wegen dieser Worte trafen sich die beiden Herren letztes Jahr vor Gericht, Weidner forderte eine Unterlassungserklärung, doch er unterlag. Und Christian Becker war zufrieden:
"Also, wir reizen ja die rechtsextremen Burschenschafter so, dass sie uns verklagen. Deswegen sagen wir ja auch, wir freuen uns über diesen Prozess, weil er uns eine Möglichkeit gibt, das auch in der Öffentlichkeit zu diskutieren und den Staat auch dazu bringt, dieses Thema zu behandeln."
Und immer wieder fällt dabei der Name der Raczeks. Erst machten die Bonner Burschen Front gegen einen Verbindungsbruder aus Mannheim, der chinesischer Abstammung ist. Dann die Sache mit Weidner und der Rauswurf von Christian Becker. Die Raczeks, die ein Interview ebenfalls ablehnen, haben sich ins Abseits manövriert, sagt der Politologe Lazaros Miliopoulos:
"Es gibt eine heftige Auseinandersetzung innerhalb dieser Burschenschaft selbst aufgrund ihres Kurses, der in der Tat im Vergleich zu den anderen Verbindungen eben sehr stark völkisch ausgerichtet ist, der eben mit solchen Pauschalurteilen arbeitet, und daran entzündet sich natürlich der heftige Kampf innerhalb der Raczeks um die Meinungshoheit, und es ist auf jeden Fall ganz klar und eindeutig, dass die Raczeks weit rechts stehen im Vergleich zu den anderen Burschenschaften."
Miliopoulos warnt allerdings vor Pauschalisierungen, innerhalb der Deutschen Burschenschaft zeige nur eine Minderheit - die sogenannte Burschenschaftliche Gemeinschaft - Anhaltspunkte für rechtsextreme Haltungen. Aber:
"In der Deutschen Burschenschaft selbst hat allerdings die Burschenschaftliche Gemeinschaft aufgrund der sehr komplizierten Quorenbestimmungen dort eine Vetoposition. Es ist so, dass zum Beispiel nicht nach Köpfen abgestimmt wird, sondern nach Häusern. Und die Burschenschaftliche Gemeinschaft, die am weitesten rechts organisiert ist, hat so viele Häuser beisammen, dass sie eine sehr, sehr wichtige Rolle im gesamten Dachverband spielt."
Und dort, im Dachverband Deutsche Burschenschaft, übernimmt dieses Jahr ausgerechnet die Teutonia aus Wien den Vorsitz - sie gilt als stramm rechts. Mindestens zehn Bünde sind deshalb aus dem Dachverband ausgetreten.
Sofort klopft Weidner triumphierend auf den Tisch. Eine gute Stunde später wird der 40-Jährige, der Mitglied der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn ist, wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Geldstrafe von 1200 Euro verurteilt. In einem Leserbrief an die Mitgliederzeitung seiner Bonner Verbindung hatte Weidner den Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als "Landesverräter" bezeichnet und seine Hinrichtung durch ein SS-Standgericht verteidigt:
"Der Tenor im Leserbrief ist sozusagen typisch für rechtsextreme Kreise","
sagt Lazaros Miliopoulos, Politologe an der Universität Bonn mit Schwerpunkt Rechtsextremismus.
""Einen Justizmord an Bonhoeffer als solchen nicht zu benennen, das ist einfach eine Rhetorik, die typisch ist für Gruppen, die den Nationalsozialismus in gewisser Weise dadurch indirekt rechtfertigen wollen."
Weidner selbst ist zu einem persönlichen Interview mit dem Deutschlandfunk nicht bereit. Vor Gericht verteidigt er sich allerdings und verweist auf einen zweiten Leserbrief, in dem er versucht habe, sich für seine Äußerungen zu entschuldigen. Gerichtssprecher Philipp Prietze fasst zusammen:
"Er hat sich darauf bezogen, dass er keinen Tatwillen gehabt habe, Herrn Bonhoeffer zu verunglimpfen. Er sei aber der Auffassung, dass die Handlungen, die Bonhoeffer damals begangen habe, sich als Landesverrat darstellten. Er habe deswegen auch nichts Falsches geschrieben in seinem ursprünglichen Leserbrief, diesen nur vielleicht nicht mit genügend Quellen versehen."
Weidner fühlt sich zu Unrecht in die rechte Ecke gestellt. Bis letzten Sommer war er FDP-Mitglied, einem Parteiausschlussverfahren kam er zuvor, indem er wenige Tage vor Fristende freiwillig austrat. Dem zuständigen Parteisprecher ist die Erleichterung darüber noch immer anzuhören, denn auch die Liberalen kennen Weidners rechte Vergangenheit bei der Wiking-Jugend und bei der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei, die 1995 verboten wurde.
"Allerdings muss man deutlich sagen, dass er sich ja auch selbst wiederum davon distanziert und sagt, er habe mit dieser Vergangenheit abgeschlossen","
sagt der Politologe Lazaros Miliopoulos.
""Allerdings spricht der Leserbrief für eine andere Wahrheit in dem Zusammenhang."
Längst ist Norbert Weidner auch in den eigenen Kreisen zur Persona non grata geworden. Im November wurde er als Chefredakteur der Verbandszeitung "Burschenschaftliche Blätter" abgesetzt. Christian Becker, Ex-Mitglied der Bonner Raczeks und Gründer des Netzwerkes "Burschenschafter gegen Neonazis", sieht in Weidner aber nur die Speerspitze. Rechtes Gedankengut sei bei den Burschenschaftern weit verbreitet:
"Also das ist ganz klar festzumachen, zum Beispiel an Personen. Die wesentlichen Posten im Dachverband werden von Rechtsextremen besetzt. Die Rechtsextremen entscheiden über das Geld. Die Rechtsextremen entscheiden über die Botschaften, das heißt, die Rechtsextremen geben sowohl das Konzept vor und führen es auch durch."
An diesen Vorwürfen, die Christian Becker bereits im vergangenen Sommer erhob, habe sich nichts geändert, sagt er heute. Besonders Weidner ist ihm ein Dorn im Auge. Der sei einer der Köpfe der rechtsextremen Bewegung aus Burschenschaften, NPD und Kameradschaften. Wegen dieser Worte trafen sich die beiden Herren letztes Jahr vor Gericht, Weidner forderte eine Unterlassungserklärung, doch er unterlag. Und Christian Becker war zufrieden:
"Also, wir reizen ja die rechtsextremen Burschenschafter so, dass sie uns verklagen. Deswegen sagen wir ja auch, wir freuen uns über diesen Prozess, weil er uns eine Möglichkeit gibt, das auch in der Öffentlichkeit zu diskutieren und den Staat auch dazu bringt, dieses Thema zu behandeln."
Und immer wieder fällt dabei der Name der Raczeks. Erst machten die Bonner Burschen Front gegen einen Verbindungsbruder aus Mannheim, der chinesischer Abstammung ist. Dann die Sache mit Weidner und der Rauswurf von Christian Becker. Die Raczeks, die ein Interview ebenfalls ablehnen, haben sich ins Abseits manövriert, sagt der Politologe Lazaros Miliopoulos:
"Es gibt eine heftige Auseinandersetzung innerhalb dieser Burschenschaft selbst aufgrund ihres Kurses, der in der Tat im Vergleich zu den anderen Verbindungen eben sehr stark völkisch ausgerichtet ist, der eben mit solchen Pauschalurteilen arbeitet, und daran entzündet sich natürlich der heftige Kampf innerhalb der Raczeks um die Meinungshoheit, und es ist auf jeden Fall ganz klar und eindeutig, dass die Raczeks weit rechts stehen im Vergleich zu den anderen Burschenschaften."
Miliopoulos warnt allerdings vor Pauschalisierungen, innerhalb der Deutschen Burschenschaft zeige nur eine Minderheit - die sogenannte Burschenschaftliche Gemeinschaft - Anhaltspunkte für rechtsextreme Haltungen. Aber:
"In der Deutschen Burschenschaft selbst hat allerdings die Burschenschaftliche Gemeinschaft aufgrund der sehr komplizierten Quorenbestimmungen dort eine Vetoposition. Es ist so, dass zum Beispiel nicht nach Köpfen abgestimmt wird, sondern nach Häusern. Und die Burschenschaftliche Gemeinschaft, die am weitesten rechts organisiert ist, hat so viele Häuser beisammen, dass sie eine sehr, sehr wichtige Rolle im gesamten Dachverband spielt."
Und dort, im Dachverband Deutsche Burschenschaft, übernimmt dieses Jahr ausgerechnet die Teutonia aus Wien den Vorsitz - sie gilt als stramm rechts. Mindestens zehn Bünde sind deshalb aus dem Dachverband ausgetreten.