Jede Debatte über derartige Anpassungen im Strafrecht müssten mit "kühlem Kopf" geführt werden, sagte der FDP-Politiker der "Bild am Sonntag". Auch wenn Kinder unter 14 Jahren in Deutschland nicht strafrechtlich belangt würden, halte die Rechtsordnung Mittel bereit, um auf schwere Gewalttaten auch jüngerer Kinder zu reagieren. Buschmann verwies dabei etwa auf eine geschlossene Unterbringung in Heimen oder der Psychiatrie. Hintergrund der Debatte ist die Tötung der Zwölfjährigen Luise aus dem nordrhein-westfälischen Freudenberg. Tatverdächtig sind zwei etwa gleichaltrige Mädchen.
Experten skeptisch
In der Folge hatte sich die Union dafür ausgesprochen, eine Senkung des Strafmündigkeits-Alters auf unter 14 zu erwägen. Auch Experten sind skeptisch. Der Bernauer Jugendrichter, Andreas Müller, zum Beipsiel sprach sich dagegen aus. Damit verhindere man keine Taten nicht, sagte er im Deutschlandfunk. Eine 12- oder 13-Jährige werde nicht vorher darüber nachdenken, wie lange sie für ein Verbrechen ins Gefängnis gehe. Das Heruntersetzen auf 12 Jahre werde nichts bringen.
Ein Fall wie in Freudenberg ist Müller in seiner Berufstätigkeit noch nie untergekommen. Der Jurist kann auch keinen Anstieg an Jugendgewalt erkennen. Er stelle geradezu das Gegenteil fest, betonte er. Vor 15 oder 20 Jahren habe er viel schlimmere Gewalt gehabt als heute. Heute seien viele junge Leute nicht mehr so frustriert wie früher, hätten Lehrstellen, Perspektiven und könnten was aus ihrem Leben machen. Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist seinen Beobachtungen zufolge verzerrt. Eine Ursache dafür seien die Medien, führte Müller aus. Früher sei eben nicht jede Gewalttat so in den Medien gewesen wie heute.
Auch Psychologen warnen vor einer vorschnellen Senkung des Strafbarkeitsalters. Eine gesetzliche Entscheidung etwa auf politischen Druck durch Petitionen oder aus der Allgemeinbevölkerung heraus könnte "fatale Folgen" für Kinder und Jugendliche und somit auch für die Gesellschaft als Gemeinschaft haben, teilte der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen mit. Er rief zur Besonnenheit auf. Auch der Präsident der Psychotherapeutenkammer NRW, Höhner, ist absolut dagegen. Das sei ein Appell, der mehr mit den Fordernden zu tun habe, als mit der Forderung selbst. Man wolle damit die eigene Hilflosigkeit überwinden, sagte er der "Rheinischen Post".
In der Schweiz sind Kinder schon ab dem 10. Geburtstag strafmündig
Wie aus einer Aufstellung des wissenschaftlichen Diensts des Bundestags aus dem Jahr 2019 hervorgeht, beginnt in mehr als der Hälfte der EU-Staaten die Strafmündigkeit mit 14 oder 15 Jahren. Dazu gehören Länder wie Schweden, Finnland und Dänemark (15 Jahre) oder Kroatien, Italien und Spanien (14). Auch in Österreich sind Jugendliche unter 14 Jahren nicht deliktsfähig und können nicht verurteilt werden. Ihnen drohen allenfalls Erziehungsmaßnahmen.
In Portugal beginnt die Strafmündigkeit erst ab 16 Jahren. In Polen ist man ab 17 strafmündig, für ausgewählte Straftaten wie Mord oder Entführung können aber auch 15-Jährige bestraft werden. In Frankreich werden Kinder unter 13 Jahren als nicht urteilsfähig gewertet. Auch wenn diese Einschätzung im Einzelfall aufgehoben werden kann, kann ein Jugendrichter maximal Erziehungsmaßnahmen verhängen.
In den Niederlanden liegt die Altersgrenze dagegen bei zwölf Jahren. Auch Ungarn änderte das Alter der Strafmündigkeit 2013 von 14 auf zwölf. In Irland liegt die Altersgrenze bei zwölf, bei schweren Taten gibt es eine Ausnahme für Kinder zwischen zehn und elf.
In der Schweiz sind Kinder schon ab dem 10. Geburtstag strafmündig. Für sie gilt das Jugendstrafrecht, das zwar für ältere auch Strafen, aber vor allem Schutzmaßnahmen vorsieht. Erst ab dem 16. Geburtstag können Jugendliche eine Freiheitsstrafe bekommen.
Im Vereinigten Königreich können bereits Kinder zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt werden. Die Strafmündigkeit beginnt in England, Wales und Nordirland bei zehn Jahren, in Schottland bei zwölf.
Diese Nachricht wurde am 19.03.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.