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Kommentar zu Heizungsgesetz
Warum die Klatsche aus Karlsruhe ein Einzelfall bleiben muss

Der Bundesgerichtshof stoppt das neue Heizungsgesetz. Das Durchgreifen der Richter dürfe nicht zur Gewohnheit werden, kommentiert Stephan Detjen. Denn ein solches Urteil obliegt am Ende den Wählern.

Von Stephan Detjen |
Abgeordnete diskutieren am 06.07.2023 im Deutschen Bundestag in Berlin über die Entwürfe zur Regelung der Suizidassistenz. Die Hilfe bei der Selbsttötung wird in Deutschland weiterhin nicht gesetzlich geregelt.
Einen richterlichen Zwang zu guten Gesetzen kann es nicht geben, findet Stephan Detjen (picture alliance / epd-bild / Rolf Zoellner)
Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt scheinbar mit höchstrichterlichem Siegel beglaubigt, was selbst die gedemütigten Akteure in der Ampel-Koalition schon vorher nicht mehr verdrängen konnten: Dieses Gesetzgebungsverfahren war von Beginn an irgendwie vergurkt.
Trotzdem kam die einstweilige Anordnung aus Karlsruhe überraschend. Selbst die Führung der Unionsfraktion glaubte bis Donnerstagabend offenbar nicht, dass sich die Regierung im Streit über das Heizungsgesetz auf dem Feld des Verfassungsrechts stellen ließe.

Von Anfang an vergurkt

Der CDU Abgeordnete Thomas Heilmann war im Alleingang nach Karlsruhe gezogen. Nun zeigte er sich als nachdenklicher Sieger, dem es nicht um Wärmepumpen oder Gasheizungen, sondern allein um die Qualität von Gesetzgebungsverfahren geht.
Indem das Gericht seinem Antrag folgte und die Abstimmung über das Heizungsgesetz stoppte, griff es auf eine so nie dagewesene Weise in die Autonomie des Bundestages ein. Doch ob die Ampelmehrheit in ihrem hektisch und stolpernd vorangetriebenen Gesetzgebungsverfahren tatsächlich, wie behauptet, Rechte der Abgeordneten verletzte, musste der Zweite Senat noch offenlassen.
Erst im Hauptsacheverfahren wird das Gericht entscheiden, ob sich aus dem Grundgesetz jenseits streng formaler Verfahrensvorschiften weitergehende Beratungsfristen und Informationsmöglichkeiten für Abgeordnete herausdestillieren lassen.

Darf das BVerfG dem Parlament Vorschriften machen?

Die Kernfrage dabei wird sein, ob das höchste Gericht des Landes dem Parlament Vorschriften für die Qualität seiner Gesetzgebungsprozesse machen kann. Das Idealbild eines Abgeordneten, der sich in ausgiebigen Expertenanhörungen bildet und mit dem Textmarker in der Hand durch die Begründung von Gesetzesentwürfen arbeitet, stößt dabei auf eine Lebenswirklichkeit, in der die Politik von drängenden Krisen, einer sprunghaften Öffentlichkeit und einem harten Parteienwettbewerb getrieben ist. Das ist eine Lebenswirklichkeit, die sich nicht per Richterspruch aus der Welt schaffen lässt.
Es wäre jedenfalls naiv zu glauben, dass die Abgeordneten die aus Karlsruhe verordnete Zwangsunterbrechung des Gesetzgebungsverfahrens jetzt nutzen werden, um in einem heißen Wahlkampfsommer noch einmal mit kühlem Kopf über den Heizungsstreit nachzudenken.

Kein höchstrichterliches Tempolimit für Gesetze

Möglichkeiten zu Diskussion und Beratung gab es auch in diesem Verfahren: Drei Lesungen im Plenum, Anhörungen in den Fachausschüssen, Mindestfristen zwischen den einzelnen Verfahrensschritten. Das Bundesverfassungsgericht kann jetzt prüfen, ob diese formalen Anforderungen, so wie Thomas Heilmann es behauptet, durch die Praxis der Ampelkoalition nicht nur im Fall des Heizungsgesetzes ausgehöhlt oder umgangen wurden.
Aber einen richterlichen Zwang zu guten Gesetzen kann und wird es nicht geben, so wenig wie ein aus Karlsruhe dekretiertes Tempolimit für Gesetzgebungsverfahren. Wenn die Mehrheit im Bundestag das so will oder nicht besser kann, darf sie mit qualmenden Reifen und überdreht heulendem Motor durch die politische Steilkurve rasen. Das Urteil darüber, ob das ein guter Fahrstil ist, obliegt am Ende den Wählern.