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Bye-bye Bordeaux?
Französische Weinhändler sehen Brexit gelassen entgegen

Nach einem Brexit könnten ein ungünstiger Wechselkurs und mögliche Zölle französische Weine in Großbritannien zu einem teuren Vergnügen machen. Profiteure wären Winzer aus anderen Regionen der Welt. Bis auf eine Ausnahme: Bordeaux-Spitzenweine gehen immer.

Von Anne Françoise Weber | 29.01.2019
    Das Bild zeigt mehrere Weinberge und das Château Angelus in Saint-Émilion in der Nähe der Stadt Bordeaux im Südwesten Frankreichs.
    Ein Bordeaux-Weinberg und das Château Angelus in Saint-Émilion in der Nähe der Stadt Bordeaux im Südwesten Frankreichs (picture alliance / dpa / Christian Guy)
    281 Millionen Flaschen Wein und andere alkoholische Getränke hat Frankreich 2017 nach Großbritannien exportiert. Das Land war damit der zweitgrößte Abnehmer für französische Spirituosen. Daran könnte der Brexit durchaus etwas ändern, meint die britische Fachjournalistin Jane Anson, die seit 15 Jahren in Bordeaux lebt. Doch so lange nicht klar ist, ob, wann und unter welchen Umständen dieser EU-Austritt stattfindet, verfolgen die Weinhändler verschiedene Strategien.
    "Es gibt zwei Lager, glaube ich: Die einen, die jetzt viel Wein kaufen, um genug auf Lager zu haben, vor allem, falls der Wechselkurs des Pfunds für die Menschen in England ungünstig wird. Andere warten immer noch ab, weil sie nicht wissen, was passiert. Oder sie kaufen Wein aus anderen Weltgegenden; Australien oder Neuseeland. Man kann heute nicht sagen, was die Folgen bis zum Jahresende sein werden."
    Wein könnte in Großbritannien deutlich teurer werden
    Forscher der Universität Sussex gehen in einem Szenario davon aus, dass bei einem Brexit ohne Abkommen der Weinpreis in Großbritannien bis 2025 um 22 Prozent steigen und im Land deswegen über ein Viertel weniger Wein konsumiert würde. Das würde sich auch auf Frankreich stark auswirken. Weinbauern und Händler in der Region um Bordeaux beginnen bereits, Kunden in anderen Ländern zu gewinnen.
    Hubert Lagrue vermittelt als Courtier zwischen Weinbauern und Händlern in der Region um Bordeaux. Auch im Weinhandel mit Großbritannien hat er lange Erfahrung. Einem möglichen Brexit sieht er sehr gelassen entgegen.
    "Die Störungen werden vielleicht sechs Monate oder ein Jahr dauern. Aber wir haben das Glück, mit 2018 einen schönen Jahrgang zu haben. Das wird alle motivieren, da steckt Geld drin. Der Wein ist auch ein Business. Und die britischen Händler sind auch Geschäftsleute mit einem feinen Finanzgespür. Sie spielen nicht auf direkten Ankauf-Verkauf, sondern auf ein Spekulationsgeschäft über zehn Jahre. 2018 ist ein Jahrgang, über den man 20 Jahre lang sprechen wird."
    Londons Bedeutung als Umschlagplatz sinkt
    Das gilt allerdings vor allem für die Spitzenweine, um deren Verkauf sich Hubert Lagrue kümmert; solche, die auch mal für rund 2000 Euro pro Flasche verkauft werden. Diese Weine machen rund fünf Prozent der Bordeaux-Produktion, aber inzwischen fast 30 Prozent des Umsatzes aus. Lange Zeit war London der erste internationale Umschlagplatz für solche Weine, inzwischen wurde es von China abgelöst. Doch immer noch gibt es Zolllager für die steuerfreie Zwischenlagerung von kostbaren Weinen im Londoner Großraum. Hieran wird der Brexit kaum etwas verändern.
    Serge Puccetti, Leiter der Zollbehörde für die Region Nouvelle Aquitaine, findet jedoch, dass die Unsicherheit im Zusammenhang mit dem EU-Ausstieg der Briten eine gute Gelegenheit für französische Weinhändler sein könnte, sich umzuorientieren.
    Französischen Weinsektor fördern
    "Ich empfehle den im Weinhandel tätigen Unternehmen, Wein über Frankreich, über den Hafen von Bordeaux zu exportieren und so ein wenig wirtschaftlichen Patriotismus zu zeigen. Man muss seinen Wein nicht in London zwischenlagern, hier in Bordeaux gibt es dafür sehr spezialisierte Strukturen. Wir haben einen hochprofessionellen, exzellenten Weinsektor, das alles muss man fördern - hier in Bordeaux."
    Der Brexit wird den Weinhandel nicht ruinieren. Aber auch in Frankreich könnte er denen Auftrieb geben, die mehr nationale Kontrolle fordern.