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Cambridge Analytica
"Jede Minute, die Facebook verzögern kann, ist extrem viel wert"

Das britische Parlament hat interne Dokumente beschlagnahmt, die Facebook in Fall Cambridge Analytica in Bedrängnis bringen könnten. Aus ihnen könnte hervorgehen, ob Facebook damals wissentlich für maximalen Profit die Sicherheit seiner Nutzer riskiert hat, so der Publizist Hannes Grassegger im Dlf.

Hannes Grassegger im Gespräch mit Brigitte Baetz |
    Facebook-Chef Mark Zuckerberg mit ernstem Gesichtsausdruck bei seiner Anhörung vor dem US-Kongress im Mai 2018.
    Die Beschlagnahmung von internen Facebook-Dokumenten durch das britische Parlament ist für Mark Zuckerberg wohl kaum ein Grund zur Freude (AFP / SAUL LOEB)
    Brigitte Baetz: Die Verbreitung von "Fake News", die Einmischung ausländischer Mächte bei Wahlen, der Mißbrauch von Daten: Als Mark Zuckerberg im Frühjahr dieses Jahres vor EU-Abgeordneten auftrat, hat er sich dafür entschuldigt, dass sein Unternehmen die Verantwortung für all diese Dinge lange Zeit nicht so richtig auf dem Schirm hatte. Doch dieses Mea Culpa war ziemlich wohlfeil, denn die Öffentlichkeit weiß immer noch nicht, wie es beispielsweise dazu kam, dass die Daten von 87 Millionen Menschen an die Firma Cambridge Analytica weitergereicht wurden. Das britische Parlament hat nun interne Mails und andere Dokumente von Facebook beschlagnahmen lassen. Es handelt sich dabei um eigentlich streng vertrauliche Unterlagen aus einem kalifornischen Gerichtsprozess. Der Ökonom und Publizist Hannes Grassegger warnt schon lange vor dem Ausverkauf unserer aller Daten an Internetkonzerne. Mit ihm bin ich jetzt per Telefon in Washington verbunden. Herr Grassegger, dieser Schritt des britischen Parlamentes jetzt, haben Sie sich da gedacht: Endlich passiert da mal was?
    Hannes Grassegger: Genau, seit Monaten warten wir darauf, dass dieses kalifornische Gericht, dass den Fall des Unternehmens Six4Three behandelt, das Facebook verklagt hat, endlich diese internen Mails, um die es sich da vor allem handelt, freigibt. Und aus diesen Mails könnte hervorgehen, ob Facebook einfach nur Fehler gemacht hat, damals, als all die Daten freigegeben wurden von den Nutzern, oder ob es viel mehr eine bewusste Entscheidung war von Facebook die Sicherheit seiner Nutzer zu riskieren für maximalen Profit.
    Baetz: Warum tut sich Facebook so schwer, da Aufklärung zu geben?
    Facebook versucht "Opposition zu destabilisieren"
    Grassegger: Stellen Sie sich mal vor, die Welt aus der Perspektive von Facebook: Sie haben ein paar Leichen im Keller, und gleichzeitig verdienen Sie ungeheuer viel Geld. Das heißt, jede Minute, die Facebook da verzögern kann, hinausschieben, die Gegner verwirren, ist extrem viel wert. Es gibt unglaublich viele Anschuldigungen gegen Facebook. Es geht hier um Genozid in Mynamar, es geht um die Verletzung von Wahlen in Europa und den USA, all das - und gleichzeitig macht Facebook Rekordgewinne, weiterhin. Und deswegen fährt Facebook eine Taktik, die darauf hinausläuft, dass nach vorne hin Mark Zuckerberg sich vor der Welt entschuldigt, und hinten rum seine Vize Sheryl Sandberg anfängt, Gegenkampagnen zu fahren, die die Gegner verunsichern sollen und sogar sowas wie Opposition Research anstößt - das heißt also, die Opposition zu destabilisieren, die sich da gegen Facebook aufbaut. Und zwar nicht nur in den USA, sondern auch in Europa und wie wir jetzt gerade sehen, in England.
    Baetz: Das heißt, Facebook-Kritiker sollen diskreditiert werden und diskreditiert worden sein. Was wissen Sie darüber?
    Gassegger: Facebook hat eine Firma beauftragt, und die heißt Definers. Und diese Firma macht Opposition Research, das heißt sie versucht über Kritiker herauszufinden, was die Schwachpunkte dieser Kritiker sind und wie man die Position dieser Kritiker unterminieren kann. Diese Definers streuen ihre Informationen, die sie herausfinden, unter anderem an ultra-rechte Mediennetzwerke, die sich zum Beispiel in den USA über Breitbart in die breite Masse hineingefressen haben. Und diese Definers haben Informationen darüber gestreut, dass die Opposition gegen Facebook von George Soros, einem ungarisch-amerikanischen Finanzunternehmer finanziert worden sein soll. Das sind ähnliche Vorwürfe, wie Donald Trump gemacht hat, als Kritiker angefangen hatten, gegen ihn und die Wahl seines neuen Verfassungsrichters zu protestieren. Da hat sich Facebook Taktiken angeeignet, die wir eigentlich nur aus dem total rechten Spektrum kennen, und das führt eigentlich zu einer Neuwahrnehmung auch von dem, was Facebook in Wahrheit eigentlich ist: Das ist ein gewinnorientiertes Unternehmen, und nicht eine Art verlängerter Flügel der demokratischen Partei oder ein Ding, das auf der Seite des Guten steht. Hier geht es darum, Gewinne zu machen. Und dafür hat Facebook gekämpft.
    In den USA wird Kritik an Facebook immer größer
    Baetz: Wäre es da aber nicht an der Zeit, wenn ich das von Ihnen so höre, politisch oder auch juristisch - oder beides - gegen Facebook stärker vorzugehen.
    Grassegger: Ich bin hier in den USA und es ist eine unglaublich aufregende Zeit, zu sehen, wie sich das hier in den USA gerade aufbaut. An der Ostküste und an der Westküste, von Mitarbeitern von Tech-Unternehmen selber, überall höre ich die Kritik aufkommen. Es ist allerdings noch nicht so weit, dass hier in den USA, wo man wirklich zubeißen könnte über Parlamente und Gesetzgebung, dass hier wirklich etwas in der Pipeline ist, was diese Unternehmen beißen könnte. Das ist noch nicht mal wirklich in der Diskussion, bzw. da kursieren nicht mehr als "White Papers", also Papiere, in denen erste Ideen diskutiert werden, was man tun könnte. Das heißt es ist absolut höchste Zeit, und im Prinzip dreht es sich um eins: Facebook verdient an unseren Daten, und von diesen Daten will Facebook nicht loslassen. Und darum dreht sich auch dieser Prozess und die Papiere, die sich das britische Parlament sich gerade gesichert hat.
    Baetz: Und wir werden mal gucken, was da weiter passiert. Hannes Grassegger war das, Ökonom und Facebook-Kritiker, zur Zeit in Washington.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.