David Cameron bleibe im Amt, das hatte Außenminister Philip Hammond gerade erst im Fernsehen gesagt, als der Premierminister selbst vor die Mikrofone trat. Und verkündete, warum der Wille des britischen Volkes respektiert werden müsse. Warum Großbritannien sich die Entscheidung, die Europäische Union zu verlassen, nicht leicht gemacht habe. Warum es keine Zweifel an dem Ergebnis geben dürfe. Die Wirtschaft seines Landes bleibe auch nach dem Brexit stark, so Cameron, und hier werde es ebenso wenig Änderungen geben wie in anderen Bereichen.
Doch dann erklärte der 49-Jährige, der seit sechs Jahren die Regierungsgeschäfte seines Landes von der Downig Street aus leitet, was künftig anders sein wird: Er werde bis zum Parteitag der Konservativen im Oktober aus dem Amt ausscheiden. Austrittsverhandlungen mit der EU sollten anschließend mit einem neuen Premierminister beginnen. "Das Land braucht eine neue Führung", sagte der konservative Politiker. "Ich glaube nicht, dass ich der richtige Kapitän bin, der unser Land an sein neues Ziel steuert", sagte Cameron weiter. Damit ziehe er Konsequenzen aus seiner Niederlage in der historischen Abstimmung über einen Austritt Großbritanniens aus der EU.
Der europäische Grünen-Chef Reinhard Bütikofer vermutet hinter der Ankündigung Taktik:
Die EU-Führung forderte die britische Regierung auf, den Austritt des Landes aus der Union nicht hinauszuzögern. Die EU erwarte, dass London die Entscheidung "so schnell wie möglich" wirksam mache, "wie schmerzhaft dieser Prozess auch sein mag", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Präsidenten von EU-Kommission, Europaparlament, Rat und des rotierenden EU-Vorsitzes.
Nachfolger Johnson?
Die Pro-Brexit-Gruppe Leave.EU nutzte Camerons Rücktrittsrede, um bei Twitter dessen Niederlage und den eigenen Sieg zu betonen:
Als Nachfolger wird bereits Camerons konservativer Parteikollege Boris Johnson, der ehemalige Londoner Bürgermeister und anschließende Anführer der Pro-Brexit-Kampagne, gehandelt. Der Chef der rechtspopulistischen Ukip, Nigel Farage, nannte Johnson als möglichen neuen Premierminister.
Johnson erklärte inzwischen, das Brexit-Votum gebe den Briten die "glorreiche Gelegenheit", wieder die Kontrolle zu übernehmen. Er lobte Cameron als einen "außerordentlichen Politiker", er bedauere dessen Rücktritt. Auf dem Weg zu seiner Erklärung wurde Johnson von einer ihn ausbuhenden Menge empfangen:
Die Briten haben sich gestern bei dem Referendum mehrheitlich für einen Brexit entschieden. Cameron hatte für einen Verbleib des Landes in der EU geworben. Politiker in ganz Europa bedauerten die Entscheidung.
Die Börsen reagierten mit starken Kursverlusten auf die Entscheidung der Briten. In London verloren besonders die Aktien von Banken massiv an Wert. Das Pfund sackte auf den tiefsten Wert seit über 30 Jahren ab. Die Bank of England erklärte, sie könne zur Stabilisierung der Finanzmärkte bis zu 250 Milliarden Pfund bereitstellen.
(bor/ach)