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Can Dündar
"Wir dürfen niemanden zensieren"

Die deutsche Politik debattiert lebhaft über einen möglichen Wahlkampfauftritt des türkischen Präsidenten in Deutschland - auch wenn ein Besuch offiziell noch gar nicht bestätigt ist. Der türkische Journalist Can Dündar jedenfalls hält nichts davon, einen Auftritt Erdogans zu verbieten.

Von Mirjam Kid |
    Der türkische Journalist Can Dündar bei der Eröffnung des Online-Magazins Özgürüz
    Der türkische Journalist Can Dündar bei der Eröffnung des Online-Magazins Özgürüz (dpa / picture alliance / Maurizio Gambarini)
    In Berlin hat Can Dündar, Ex-Chefredakteur der türkischen Zeitung Cumhuriyet, eine Redaktion aufgebaut, die von hier aus das tun soll, was in der Türkei nicht mehr möglich ist – kritisch berichten, auch über den türkischen Präsidenten Erdogan. Özgürüz, heißt das deutsch-türkische Online-Magazin, übersetzt bedeutet das: "wir sind frei". Nur, wieviel ist geblieben, von der neugewonnenen Freiheit? Fünf seiner Kollegen haben bereits hingeschmissen, aus Angst um ihr Wohlergehen und das ihrer Familien in der Türkei und in Deutschland.
    Eine Einschränkung der Presse- und Redefreiheit gelte es weiter zu bekämpfen, mahnt Dündar. Dazu gehöre aber auch, Gleiches nicht mit Gleichem zu vergelten. Auf die Frage, ob ein Auftritt Erdogans in Deutschland erlaubt sein sollte, antwortet er mit einem deutlichen:
    "Ja natürlich, wenn wir für freie Meinungsäußerung sind, dann dürfen wir niemanden zensieren oder ausschließen. Wenn wir das machen, sind wir genauso wie sie. Dann gäbe es keinen Unterschied zwischen uns."
    Bundesregierung dementiert Besuchsabsicht
    Eine Rede Erdogans im Stil seiner Auftritte in der Türkei, könne in Deutschland zu Problemen führen, warnt Dündar.
    "Die Türkische und Kurdische Gemeinde in Deutschland ist bereits polarisiert. Er sollte nicht noch mehr Hass verbreiten."
    Noch deutlicher äußert sich Michael Rediske Vorstandssprecher von Reporter ohne Grenzen zu einem möglichen Besuch:
    "Begrüßen wir nicht, im Gegenteil – es geht ja nicht einfach um Auftritt, es geht um Propaganda für den Weg in die Diktatur. Hier soll ein Präsidialsystem errichtet werden, dass die Gewaltenteilung auch endgültig auszuhebeln droht."
    Für ein Verbot sei auch er nicht – aber: "Frau Merkel sollte sich öffentlich deutlich äußern, dass ein solcher Propagandaauftritt in Deutschland unerwünscht ist."
    Vor kurzem hatte bereits der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim in Oberhausen für das Präsidialsystem und die umstrittene Verfassungsänderung geworben. Laut Bild-Zeitung soll Erdogans Auftritt im März in Nordrhein-Westfalen folgen. Das dementiert indes die Bundesregierung. Das Auswärtige Amt erklärt, eine Besuchsabsicht sei noch nicht mitgeteilt worden.
    Angst vor Angriffen in Deutschland
    Hoch gekocht ist die Debatte auch, seitdem Welt-Korrespondent Dennis Yücel in der Türkei in Polizeigewahrsam genommen wurde. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, Terrorpropaganda und Datenmissbrauch. Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, reagierte darauf mit Unverständnis, es gäbe für die erhobenen Anschuldigungen nicht den geringsten Anhaltspunkt. Er versichert: "Das wir da natürlich alles tun werden was wir tun können."
    Um Journalisten in der Türkei zu helfen. Welche Maßnahmen die Bundesregierung künftig ergreifen will, um die hier lebende Bevölkerung vor einer Einflussnahme Erdogans zu schützen, bleibt offen.
    Dündar, der in der Türkei bereits einen Mordanschlag überlebt hat und hier seine Adresse aus Sorge vor einem weiteren Angriff nicht mal an Taxifahrer weitergibt, beantwortet die Frage, wie sehr er sich bedroht fühlt deutlich:
    "Erdogan macht Stimmung gegen uns und macht uns zur Zielscheibe – auch mich. In der Türkei wurde ich von jemandem angegriffen, der gesagt hat, er sei von den Worten Erdogans inspiriert worden. Seine Unterstützer versuchen ihn glücklich zu machen, das macht es für uns alle gefährlich."