
Der türkische Journalist Can Dündar war langjähriger Chefredakteur der regierungskritischen türkischen Zeitung "Cumhuriyet". Er saß wegen angeblicher Unterstützung einer terroristischen Organisation drei Monate im türkischen Gefängnis und wurde im Februar vor zwei Jahren aus der Untersuchungshaft entlassen. Zur Zeit lebt Can Dündar in Deutschland im Exil, er ist Chefredakteur der Internetplattform "ozguruz.org" - zu Deutsch: "Wir sind frei"" und Mitbegründer des journalistischen Netzwerkes "Correctiv".
Die im Hamburger Thalia-Theater seit dem letzten Wochenende stattfindenden Lessingtage beschäftigen sich in diesem Jahr mit der Demokratie und ihren aktuellen Gefährdungen durch den Terrorismus einerseits und den Populismus andererseits. In der Eröffnungsrede sprach Can Dündar, der im vergangenen Jahr als "europäischer Journalist des Jahres" ausgezeichnet wurde, über die Bedrohung der Demokratie, die er durchaus nicht nur in seinem Land zu finden glaubt.
Demokratie über das Regieren im eigenen Land hinaus
Dündar beginnt seine Rede mit einer Geschichte aus seiner Haft im Gefängnis in Silivri, westlich von Istanbul, um auf die Verhältnisse in seinem Heimatland zu sprechen zu kommen: "Die Türkei ist das größte Gefängnis der Welt geworden". In der Türkei sei eine vollständige Demokratie immer eine Utopie gewesen. Doch auch im Hinblick auf den Westen, in der Wiege der Demokratie, konstatiert Dündar: "Irgendwas läuft falsch". Könne man die USA und Europa überhaupt als "Wiege der Demokratie" bezeichnen?
Man müsse nicht nur darauf schauen, wie die westlichen Länder regiert werden, sondern was sie in anderen Ländern unterstützen, um sie als demokratisch zu bezeichnen oder nicht: "Können wir die USA als Demokratie bezeichnen, wenn sie Militärputsche in Südamerika unterstützt? Können wir Frankreich als Demokratie bezeichnen, wenn wir an Algerien denken? Können wir die Niederlande als demokratisch bezeichnen, die in Bosnien das Massaker übersehen haben?"
Es reiche nicht aus, im eigenen Land demokratisch zu sein, wenn man Folter in anderen Ländern unterstütze.