Als Leiter der Schmerzmedizin der Charité in Berlin hat Dr. Andreas Kopf schon früher in einzelnen Fällen einem Patienten Cannabis verschrieben. Seitenlange Anträge musste er dafür schreiben. Seitdem das Verfahren deutlich einfacher ist, und vor allem seitdem darüber in Funk und Fernsehen berichtet wurde, fragen viel mehr Patienten als früher nach Cannabis. Nicht nur bei ihm.
"Wir hatten gerade ein Treffen von verschiedenen Schmerzmedizinern und in allen Praxen, in allen Hochschulambulanzen, ist das gleiche Bild: Dass es in den ersten Monaten einen sehr großen Ansturm von Fragern, Interessierten gab. Das hat jetzt ein bisschen nachgelassen und das lag daran, dass aufgrund des hohen medialen Interesses sehr viele Erwartungen geweckt worden sind."
Cannabis wirkt nicht bei allen Patienten
Das ist bei vielen Menschen nicht bekannt: Cannabis wirkt nicht bei allen Formen von Schmerzen und Übelkeit und auch nicht bei allen Patienten. Wohl aber zum Beispiel bei Nervenverletzungen, sagt Andreas Kopf:
"Jemand nach einer Rückenmarksverletzung, Querschnitt, jemand der eine schwere Schädigung von Nerven im Fuß hat, nach einer Verletzung oder durch Diabetes oder ähnliches. Die scheinen am besten zu profitieren davon."
Schon seit Jahrtausenden wird Cannabis als Heilmittel eingesetzt - doch wissenschaftlich gesehen ist Cannabis noch sehr jung: Als die Privatdozentin Dr. Eva Hoch, Leiterin der Forschungsgruppe Cannabinoide an der Universität München, mit deutschen und internationalen Kollegen weltweit aussagekräftige Studien zur Wirksamkeit von Cannabis suchte und auswertete, stellten sie vor allem eins fest:
"Für uns war das wichtigste Ergebnis, dass es systematisch in der Medizin erst in jüngster Zeit erforscht wurde. Es liegen gar nicht so viele Studien vor, wie man vielleicht denken würde."
In den meisten Studien wurde Cannabis zusammen mit anderen Schmerzmitteln verabreicht. Das Ergebnis: Da war eine schmerzlindernde, eine analgetische Wirkung - allerdings nur ein bisschen, sagt Dr. Eva Hoch:
"Die Daten sprechen dafür, dass Cannabis Arznei nicht zu starken analgetischen Effekten führt, aber aus Sicht der Patienten durchaus eine Verbesserung der chronischen Schmerzen zu beobachten ist."
Es gibt kaum Studien
Auch bei Krebspatienten die eine Chemotherapie durchführen, bei Aids-Patienten und Menschen in der Palliativversorgung konnten durch Cannabis Schmerzen leicht gelindert oder Übelkeit und Appetitlosigkeit etwas verringert werden. Doch in anderen Bereichen gibt es dagegen kaum Studien, bedauert Eva Hoch:
"Morbus Crohn, Reizdarmsyndrom, Chorea Huntington, Parkinson, Demenz, da liegen bisher wirklich nur vereinzelt klinische Studien vor, die Datenlage ist hier sehr inkonsistent so dass wir eigentlich keine Aussagen zur Wirksamkeit der Cannabis-Arznei treffen können."
Daher ist hier noch viel Forschung notwendig. Schwere Nebenwirkungen treten nur in bestimmten Fällen auf, weiß Dr. Koch, bei Patienten mit Herz-Rhythmusstörungen oder bei Patienten mit Psychosen. Auch Kinder und Teenager sollten in der Regel kein Cannabis erhalten. Abgesehen von diesen Patienten sind durch sorgfältig dosierte Cannabis-Extrakte keine gefährlichen Nebenwirkungen zu erwarten, meint Andreas Kopf:
"Bei anderen Patienten sind es mehr Nebenwirkungen, dass jemand sagt, mir wird schwindelig, oder meine Stimmung verschlechtert sich oder mein Schlaf verschlechtert sich oder ich kann mich nicht so gut konzentrieren – das sind aber alles Nebenwirkungen, die eigentlich harmlos sind und dann setz man es ab und dann sind sie wieder verschwunden."
Auch vor dem Rausch muss sich niemand fürchten - bzw. den sollte niemand erhoffen: In der Regel wird Cannabis-Extrakt, nicht die ganze Blüte verabreicht. Als Mundspray oder Tropfen. Ohne die Wirkstoffe, die benebelt machen, wie man es von einer Hasch-Zigarette kennt.