Kiffen, bis der Arzt kommt. Im Hadassah-Krankenhaus in Jerusalem gehört das zum Alltag. Vier Patienten sitzen in einem Stuhlkreis. Heute steht ein Seminar auf dem Plan: Kiffen mit dem Verdampfer.
"Wenn der Dampf rauskommt, ist es fertig. Jetzt kannst Du anfangen zu ziehen. Nein, nicht so....Mach es wie an einer Zigarette, wie an einem Strohhalm!"
Der Seminarleiter könnte, rein optisch, auch in einem Coffeeshop in Amsterdam arbeiten. Er trägt ein gelb-grün gestreiftes Hemd, einen Dreitagebart und hat dünne, schulterlange Haare.
Die Patienten inhalieren ein Cannabis-Öl der Sorte "Forte Plus", ziemlich starkes Zeug. Doch sie nutzen das Öl nicht, weil sie möglichst high werden wollen, sondern weil es ihnen hilft, ihre Beschwerden zu lindern. Einer von ihnen heißt Esra. Er hat Lungenkrebs.
"Seit dem ich das nehme, muss ich kein Morphium mehr nehmen. Das tut mir gut. Ich bin entspannt. Meine Verdauung funktioniert wieder besser. Ich schalte einfach ab und habe keine Schmerzen."
In der Station im Haddasah-Krankenhaus ist heute jede Menge los. Vor einem Schalter hat sich eine Schlange gebildet. Auf einem Tresen liegen lange Blättchen, mit denen sich die Patienten Joints drehen können. Wer ein Rezept hat, bekommt hier Öle, Kapseln und kleine Kuchen. Für einen Monat müssen die Patienten umgerechnet 85 Euro bezahlen, egal wie viel sie verschrieben bekommen haben. Das ist deutlich günstiger als klassische Schmerzmittel. Aber noch übernehmen die meisten Krankenkassen in Israel die Kosten nicht.
Cannabliss. So heißt die Firma, die den Stoff im Krankenhaus und unter ärztlicher Aufsicht verkauft. Und Moshe Ihea ist hier der Chef. Er ist 38 Jahre alt, trägt Vollbart und langes, offenes Haar. Auf seine Cannabis-Öle ist er besonders stolz.
"Wir haben ein ganz spezielles Rezept, die Formel bleibt unser Geheimnis. Wir sind ein Familienunternehmen. Mein Bruder und mein Vater arbeiten auch mit."
Die lange Wirkung der Öle
Wo und wie er seine Produkte herstellt, das will er nicht verraten. Als Moshe Ihea in der israelischen Armee war, verletzte er sich und hatte große Schmerzen. Um die zu lindern, versuchte er es mit Cannabis. Er hatte mal als Konditor gearbeitet, also backte er sich erst mal Haschkuchen. Später entwickelte er dann Cannabis-Öle.
"Die Wirkung hielt viel länger an, als wenn ich einen Joint geraucht habe. Und da habe ich mir gedacht: Wenn das bei mir so gut wirkt, dann hilft das sicher auch vielen anderen. Da muss man was draus machen."
Ein geborener Unternehmer war Ihea aber nicht. Er ließ es zu Beginn ganz entspannt angehen.
"Am Anfang habe ich gar kein Geld verlangt. Ich habe gar nicht daran gedacht, ein Unternehmen daraus zu machen. Eines Tages rief mich der verantwortliche Arzt ins Hadassah-Krankenhaus und meinte, dass es einen Markt gibt für das, was wir machen. Damals konnte man Cannabis nur rauchen und inhalieren. Wir waren die ersten, die dann Kekse, Tropfen und Kapseln hergestellt haben."
Cannabis zum Privatvergnügen, das ist auch in Israel verboten. Bei der medizinischen Nutzung ist das Land jedoch Vorreiter. 25.000 Patienten bekommen hier pro Jahr die medizinische Lizenz zum Kiffen. In Deutschland sind es nur 5.000, obwohl dort deutlich mehr Menschen leben. Der israelische Staat erlaubt mehreren Unternehmen den Cannabis-Anbau auf streng bewachten Plantagen.
Wie viel Umsatz Moshe Ihea macht und wie groß sein Gewinn ist, das will der Mann nicht sagen. Nur so viel: Cannablis versorgt im Monat 500 Patienten, sie alle zahlen den monatlichen Maximalbetrag von umgerechnet 85 Euro. Manche seiner Kunden kaufen den Stoff im Krankenhaus, andere werden beliefert. Das Cannabis rollt dann im schwer gesicherten Auto eines bewaffneten Sicherheitsdienstes durch Israel.
Schon in den 60er-Jahren beschäftigten sich israelische Wissenschaftler mit dem medizinischen Nutzen der Pflanze. Heute bekommen sogar schwer kranke Kinder Cannabis als Medizin. Nach Aussage eines Arztes im Hadassah-Krankenhaus ist das deutlich besser, als wenn man ihnen viel Morphium verabreicht.
Cannabis ist nicht schädlich, sagt der Unternehmer Moshe Ihea.
"Und das hat noch nie jemanden umgebracht. Der Öffentlichkeit wurde jahrzehntelang weißgemacht, dass es eine gefährliche Droge ist und dass sie zu härteren Drogen führt - aber das ist Quatsch."
So sieht das Moshe Ihea. Klar, man könne auch eine Überdosis nehmen, Angstzustände bekommen. Aber für solche Fälle biete seine Firma eine Hotline an. Nach ein paar Stunden sei alles wieder vorbei. Mittlerweile hat Cannablis zwei Konkurrenten bekommen. Diese Unternehmen verkaufen ebenfalls Cannabis als Medizin. Moshe Ihea sagt, dass ihm die Konkurrenz egal ist. Er hofft jetzt darauf, dass die Gesetze auch in anderen Ländern liberaler werden.
"Cannabis hat auch wirtschaftlich ein großes Potenzial. Wir arbeiten an einer Expansion. Und ich würde mich natürlich freuen, wenn auch Deutschland dieses Potenzial erkennen würde."
Im Moment sieht es danach aus, als habe Deutschland das Potenzial bereits erkannt. Sollte ein entsprechendes Gesetz kommen, dann kann es gut sein, dass deutsche Patienten schon bald Cannabis-Öl aus Israel inhalieren.