Arndt Reuning: Forscher der Universität Bonn präsentieren jetzt Ergebnisse, die nahelegen, dass einer der beiden Hauptwirkstoffe im Hanf die mentalen Fähigkeiten auch positiv beeinflussen kann - zumindest bei Mäusen. Mit einem der Autoren habe ich vor der Sendung telefoniert, mit Professor Andreas Zimmer. Ich wollte von ihm wissen, wie er zu dieser Aussage gekommen ist.
Andreas Zimmer: Wir haben Mäuse unterschiedlichen Alters mit diesem Cannabis-Präparat behandelt, mit THC, und zunächst mal können wir die Befunde der Kollegen der Duke-Universität genau bestätigen. In jungen Tieren finden auch wir, dass THC Kognitionsleistungen eindeutig verschlechtert, aber es gibt praktisch keine Untersuchung an alten Individuen. Wir wissen, dass die Aktivität dieses endogenen Cannabinoid-Systems im Alter nachlässt, und was wir gemacht haben, ist experimentell. Wir haben versucht, diese Aktivität zu normalisieren, indem wir ganz niedrige Dosen an alte Tiere verabreicht haben.
"Eine deutliche Verbesserung bei alten Tieren"
Reuning: Sie haben älteren Mäusen dieses Präparat verabreicht, und was konkret konnten Sie dann feststellen?
Zimmer: Nachdem wir die Verabreichung abgeschlossen hatten, haben wir Lerntests mit denen Tieren durchgeführt. Verschiedene Lerntests, wo Mäuse lernen mussten, eine Plattform zu finden, wo sie bemerken mussten, dass Veränderungen in der Umgebung stattgefunden haben, und in allen diesen Tests konnten wir eine deutliche Verbesserung sehen bei alten Tieren. Die Verbesserung war so dramatisch, dass wir eigentlich das Lernverhalten von alten Tieren oder die Lernfähigkeit von alten Tieren nicht mehr unterscheiden konnten von denen der jungen Tiere.
Die waren genauso gut wie junge Tiere. Das war aber nur ein Befund. Wir haben uns dann natürlich dafür interessiert, was sind denn die molekularen Mechanismen, die dazu führen, und wir wissen, dass sich die Aktivität von Genen während des Alterns ändert. Wenn wir Tiere jetzt mit THC behandeln, dann sehen wir, dass die Genaktivität im Gehirn von alten Tieren sehr, sehr ähnlich ist der Genaktivität in jungen Tieren. Also THC stellt auch im Prinzip Genaktivität von jungen Tieren wieder her.
"THC hat den Alterungsprozess des Gehirns fast umgekehrt"
Reuning: Könnte man sagen, dass dieser Wirkstoff THC einen Teil des Mäusegehirns förmlich verjüngt hat?
Zimmer: Ja, das könnte man in der Tat fast so sagen. Wir sehen es auf molekularer Ebene, aber auch, wenn wir uns die Neuronen selber anschauen, finden wir, dass zum Beispiel die Ausbildung von Synapsen, die in alten Tieren reduziert ist, wieder stimuliert wird. Also in vielen, vielen Aspekten ist das Gehirn von alten Tieren nach der THC-Behandlung eigentlich dem Gehirn von jüngeren Tieren ähnlich. Insofern könnte man sagen, dass die Behandlung viele von diesen Alterungsprozessen fast umgekehrt hat.
"Das ist unsere große Hoffnung"
Reuning: Glauben Sie denn, dass sich diese Ergebnisse von den Mäusen auch auf Menschen übertragen lassen?
Zimmer: Ja, das ist unsere große Hoffnung. Wir wissen, dass viele Effekte von Cannabis, die wir in Tieren beobachten können, fast alle von diesen Effekten auch im Menschen beobachtet werden. Deswegen möchten wir eine Pilotstudie durchführen. Wir möchten unbedingt herausfinden, ob diese Befunde an Mäusen auch nachher übertragbar sind auf den Menschen. Wir wollen keine Mäuse heilen, wir wollen Menschen heilen.
Reuning: Heilen heißt, für welche Patienten würde sich denn ein Präparat auf Basis von THC oder einem anderen synthetischen Cannabinoid überhaupt anbieten?
Zimmer: Also die beiden Patientengruppen, die wir uns Auge gefasst haben, sind einmal Menschen, die so eine leichte Altersdemenz zeigen, ein sogenanntes mild cognitive impairment, und es sind auch Menschen, die eine beginnende Alzheimer-Demenz haben. Das wären die beiden Patientengruppen, an denen wir diese Behandlung als erste ausprobieren.
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