Fernsehteams haben sich postiert, Journalisten stehen bereit mit Notizblöcken und Aufnahmegeräten: Die Präsentation des ersten Matekrauts mit Marihuana ist ein Ereignis. Der Ort ist passend gewählt: das vor wenigen Monaten eröffnete Cannabis-Museum in Montevideo. An sich ist dieses neue Produkt gar nicht so spektakulär, schließlich hat die zugefügte Marihuana-Sorte keine psychoaktive Wirkung. Trotzdem ist das Interesse groß, erzählt Pablo Riveira, der Chef der Firma, die das Produkt auf den Markt bringt:
"Wir kriegen Anrufe aus Brasilien, aus den futy-free-shops, sogar Leute aus China haben sich bei mir gemeldet, um mich zu interviewen. Wenn irgendwo Marihuana draufsteht, macht das die Leute neugierig – auch hier in Uruguay."
Zur Präsentation des Krauts sind mehr als 100 Leute gekommen. Viele haben für die Kostprobe ihre eigenen Matebecher mitgebracht, plus Thermoskanne und Bombilla – den für das Getränk typischen Metallstrohhalm. Lucía und Paulina füllen gerade heißes Wasser in ihren Becher. Vorsichtig saugen die 20-jährigen Freundinnen an ihrer Bombilla. Lecker, finden sie, sanft. Das Marihuana schmecke man gar nicht.
Die beiden sind wegen Paulina hier, erzählen sie, weil die Kiffen nicht gut verträgt:
"Immer wenn ich kiffe, bekomme ich Panikattacken. Ich weiß nicht warum. Ich würde gerne Marihuana konsumieren, fast meiner ganzer Freundeskreis tut es - aber ich kann nicht. Deshalb dachte ich, dass das Matekraut mit Marihuana vielleicht eine gute Alternative ist."
Mehrheit der Uruguayer sieht Legalisierung skeptisch
Jugendliche fühlen sich ausgeschlossen, weil sie nicht kiffen. Auch wegen solcher Folgen sieht die Mehrheit der Uruguayer die Legalisierung laut Umfragen skeptisch. Allerdings geben die Statistiken bisher keinen Grund, Alarm zu schlagen. Der Konsum ist in den letzten vier Jahren nicht bedeutend gestiegen. Es wird nur offener konsumiert. Der würzige Duft von Marihuana liegt in Montevideo häufig in der Luft: im Fußballstadion, am Strand, im Café. Da der legale Verkauf erst in diesen Tagen beginnt, haben viele Uruguayer in den letzten Jahren angefangen, sich selbst zu versorgen - wie Federico Moleri. Der 27-jährige ist Koch und liebt Gemüse und frische Kräuter.
"Hier haben wir Basilikum – aber schon im Endstadium. In dieser Kiste ist eine Mischung aus allem: Petersilie, Koriander, Schnittlauch, Rucola, einige Salate."
Federico Moleri steht auf seiner Dachterrasse im Zentrum von Montevideo und präsentiert seinen kleinen urbanen Garten. Sellerie, Zucchini, Rosmarin. Bald will er auch Hühner halten. Bienen hat er schon – und natürlich Cannabis. Dabei geht es ihm beim Marihuana nicht nur um den Rausch, sondern auch um den Anbau an sich.
Cannabis-Extrakt für den Opa mit Parkinson
Federico will sein Extrakt seinem Opa verabreichen. Der hat Parkinson. Marihuana soll da beruhigen und das Zittern stoppen. Trotzdem war die Familie erst einmal skeptisch – wie viele Uruguayer -, was das Thema Cannabis angeht:
"Ich habe das ganz vorsichtig im letzten Urlaub angesprochen, als wir mit der gesamten Familie am Strand waren. Erst habe ich mit meiner Mutter und meinen Onkels geredet und dann mit meinem Opa. Der meinte, er will das noch mit seinem Hausarzt abklären. Aber grundsätzlich ist er einverstanden."
In einem anderen Glas hat Federico Marihuana in Olivenöl eingelegt. Das wird er mit Bienenwachs mischen. Am Ende hat er dann eine Salbe, die könnte vielleicht der Großtante seiner Freundin helfen, die an starken Rückenschmerzen leidet. Do-It-Yourself – Möbel bauen, gärtnern, einwecken – das ist ein weltweiter Trend. In Uruguay ist oft Cannabis mit im Spiel.
Mayo, Kekse und Sekt - alles mit Marihuana
Bruno Bukoviner wirft eine Handvoll Marihuana in einen Topf mit Kokosmilch. Daraus soll veganer Flan werden – karamellisierter Pudding. Außerdem steht auf dem Programm: selbstgemachte Mayonnaise, salzige Kekse und Trüffel-Pralinen – alles mit Marihuana.
"Es ist in Uruguay gerade wirklich sehr in Mode, sich mit Marihuana zu beschäftigen. Die Neugierde ist groß und es kursieren viele Informationen im Netz. Wir zeigen hier im Kurs, dass man die Pflanze mit Sorgfalt nutzen muss. Das ist wichtig für die Sicherheit der Leute."
Die zehn Teilnehmer notieren eifrig Mengenverhältnisse und Hitzegrenzen. Es sind Studenten dabei, zwei junge Mütter, ein Ex-Model, ein Lehrer. Die meisten haben eigene Pflanzen auf dem Balkon oder sind Mitglieder in einem Cannabis-Club. Mehr als 50 gibt es davon inzwischen: Es sind Gemeinschaften von Freunden und Nachbarn, die gemeinsam anbauen, ernten und oft auch konsumieren. Von dem Kochkurs haben viele aus den Medien erfahren. Die Nachfrage steigt rasant, sagt der Kursleiter:
"Am Anfang haben wir pro Jahr einen Kurs gemacht - mit zehn Teilnehmern. Und jetzt hatten wir allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres schon 60 Schüler."
Keine Unterstützung vom Staat
Einige Uruguayer hoffen, dass aus dem Trend bald auch eine Chance für das Land wird – Marihuana-Produkte als Exportschlager. Der Direktor des Cannabis-Museums, Eduardo Blasina, selber Landwirt und Cannabis-Bauer, beobachtet die Entwicklung genau:
"Mein Traum ist, dass Uruguay in fünf Jahren Südamerika mit Marihuana-Medikamenten versorgt. Und ich hoffe, dass wir viele Dinge erfinden, die wir uns heute noch nicht vorstellen können. Bekannte von mir stellen Cannabis-Pasta her. Sehr lecker. Ein Winzer aus Argentinien hat angefangen, Champanabis herzustellen – Sekt mit Cannabis."
Vom uruguayischen Staat bekommen solche Initiativen allerdings kaum Unterstützung. Der aktuelle Präsident Tabaré Vázquez ist ein Gegner der Cannabis-Legalisierung, die sein Vorgänger José Mujica beschlossen hat. Initiativen, um medizinisches Cannabis im großen Stil herzustellen, haben die Behörden bisher gestoppt. Und auch die Hersteller der Marihuana-Mate warten immer noch auf ein OK der Gesundheitsbehörden, um es zu verkaufen.