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Cannabisanbau in Marokko
Das goldene Klopfen

In den Tälern des Rif-Gebirges im Norden Marokkos ist der Anbau von Cannabis und der Handel mit Haschisch die Lebensgrundlage von vielen Bauern: Sie ernähren damit ganze Großfamilien. Das ist zwar illegal - doch die Behörden halten sich aus einem einfachen Grund zurück.

Von Elisabeth Lehmann |
    Cannabis-Pflanze in der Nähe der nordisraelischen Stadt Safed
    El Kiff - so nennen die Menschen im Norden Marokkos die Cannabis-Pflanze. (dpa / picture alliance / Abir Sultan)
    Es ist das Klopfen, das verrät, womit die Bauern ihr Geld verdienen. Schon am frühen Morgen hallt es durch die Schluchten des Rif-Gebirges. Jeder hier kennt es, jeder macht es. Doch darüber reden will eigentlich niemand. Nur Younes traut sich:
    "Als ich das Licht der Welt erblickt habe, gab es Cannabis schon. Vielleicht hätte ich sonst die Schule abgeschlossen, aber so kann ich nur Kiff anbauen."
    El Kiff - so nennen die Menschen hier im Norden Marokkos die Cannabis-Pflanze. Aus ihr gewinnen sie Haschisch, das Harz der Blüten. Und zwar durch Klopfen. Die Produktion ist illegal, ernährt aber ganze Großfamilien. Geschätzt 800.000 Menschen leben in der Region rund um die Stadt Chefchaouen ausschließlich vom Cannabisanbau. So wie Younes. Er ist 26, trägt Baseballkappe und Badeschlappen. Seinen Nachnamen will er nicht nennen. Er schaut sich nervös um und schlägt dann vor, noch weiter Richtung Wald zu gehen. Weg von der Straße, damit ihn niemand sieht beim Interview.
    "Natürlich könnten wir etwas anderes anbauen. Weizen und so, davon könnten wir aber nicht leben. Das haben die Leute früher gemacht. Aber ihr Leben war sehr schwer. Jetzt leben wir wie in der Stadt. Früher hatten die Häuser keine Dächer und die Leute keine Schuhe. Das ist heute anders."
    Heute kleben mehrstöckige Steinhäuser an den Hängen, überall wird gebaut, es gibt Strom, Handys und fast jeder im Dorf hat ein Auto. Cannabis ist der Schlüssel zum Wohlstand. 6.000 Euro verdient Younes damit im Jahr. Andere kommen auf mehr als 70.000.
    Ein Rohbau etwas abseits der Straße. Das laute Klopfen weist den Weg. In einem kleinen Raum im Erdgeschoss sitzen zwei Männer in Trainingsanzügen auf dem nackten Betonboden, jeder von ihnen hat eine Schüssel zwischen die Beine geklemmt. Darüber sind zwei Lagen Plastikfolie gespannt, zwischen denen Cannabis-Blüten klemmen. Mit Stöcken trommeln die Männer auf die obere Folie ein, durch kleine Löcher in der unteren fällt feiner, grüner Staub in die Schüssel. Der wird später von Händlern gekauft und zu Haschisch verarbeitet. Bezahlt wird in Gramm, wie Gold.
    Das Haus und der Stoff gehören Ali, einem Cousin von Younes. Reden will der nicht, nur seine Ernte führt er stolz vor. Der Nachbarraum ist vollgestopft mit getrockneten Cannabis-Bündeln. Sie stapeln sich auf dem Boden, hängen von der Decke. Der süßliche Geruch nimmt einem den Atem.
    Streit um knappes Wasser
    Wir fahren mit Ali auf eines seiner Felder. Vier Arbeiter bringen den Rest der Ernte ein. Gerade machen sie Pause. Mohammed und seine Kollegen ruhen sich an der Wasserquelle am Feldrand aus, rauchen selbst etwas Haschisch. Die Sonne brennt vom Himmel.
    "Manchmal ist weniger zu tun. Aber Tage wie heute sind richtig anstrengend. Es kommt immer darauf an, ob du hackst oder umgräbst, die Erde bestellst oder erntest."
    Im Boden neben der Quelle ist ein etwa zwei mal vier Meter großes Loch, in dem sich das Quellwasser staut. Früher, so erzählt Ali, war hier überall Sumpfgebiet. Die Pflanzen brauchen viel Wasser, deswegen sei die Erde mittlerweile fast ausgetrocknet.
    Ein Problem, das auch Younes beschäftigt.
    "Es gibt zu wenig Wasser. Die Quellen aus den Bergen werden umgeleitet und auf die Anbauflächen verteilt. Aber jeder Bauer hat nur bestimmte Zeiten, in denen er das Wasser nutzen darf."
    Immer wieder kommt es zu Streit unter den Familien, weil heimlich neue Löcher gegraben werden. Auf den Nachbarfeldern kommt dann nichts mehr an. Und manchmal, so erzählt Younes, schwärzen sich die Leute gegenseitig an:
    "Wenn die Polizei ins Dorf kommt und Cannabis auf deinem Grundstück findet, dann wirst du festgenommen. Zur Zeit ist keiner aus dem Dorf im Gefängnis. Aber solche Sachen sind normal geworden. Jeden von uns kann es treffen."
    Die Behörden lassen die Bauern weitgehend in Ruhe - nicht zuletzt, weil auch sie am Cannabis-Handel verdienen. Trotzdem führen alle im Tal ein Leben in Illegalität. Wie lange ihr Geschäftsmodell noch funktioniert, ist unklar. Das hat auch Younes immer im Hinterkopf:
    "Deswegen will ich schnell Geld verdienen, schnell ein Auto haben. Und ein leichtes Leben, davon träumt doch jeder."