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Cannes-Gewinner-Film "The Square"
"Der Film stellt die Fragen, die Antworten muss man selber geben"

Mit seinem Film "The Square" liefert der schwedische Regisseur Ruben Östlund eine bissige Gesellschaftssatire über die Kunstszene und die westliche Wohlstandsgesellschaft. Das Thema sei zwar moralisch, trotzdem wolle der Film aber nicht moralisieren, sagte Hauptdarsteller Claes Bang im Dlf.

Claes Bang im Corsogespräch mit Juliane Reil |
    Der Schauspieler Claes Bang zu Gast im Deutschlandfunk
    Der Schauspieler Claes Bang zu Gast im Deutschlandfunk (Kerstin Janse/Deutschlandradio)
    Juliane Reil: Keine verklärt-romantische Sicht auf die Kunstszene zeigt der Film "The Square". Der schwedische Regisseur Ruben Östlund gewann in diesem Jahr mit seiner bissigen Gesellschaftssatire in Cannes die Goldene Palme. Die Geschichte: Der Kurator eines schwedischen Museums, gespielt von dem dänischen Schauspieler Claes Bang, zeigt eine Installation namens "The Square" im Museum. Ein Quadrat auf dem Boden, in dem alle Menschen gleich und geschützt sein sollen. Gleichzeitig wird ihm das Handy gestohlen. Und nach und nach gerät das geordnete, durchdesignte Leben dieses selbstverliebten Mannes außer Kontrolle. Auch seine Moralvorstellungen geraten ins Wanken. Der Film beginnt ziemlich harmlos als Komödie mit einem Interview - die erste Frage: Was haben Sie gefrühstückt? Das könnte ich Sie jetzt auch fragen Herr Bang.
    Claes Bang: Oh mein Gott. Alles, was da Schönes im Hotel war. Sehr viel Bacon und Eier.
    Reil: Claes Bang, der Hauptdarsteller aus "The Square", jetzt hier bei uns im Corsogespräch. Herzlich willkommen.
    Bang: Danke.
    Claes Bang (rechts) zusammen mit Juliane Reil im Studio
    Claes Bang (rechts) zusammen mit Juliane Reil im Studio (Kerstin Janse/Deutschlandradio)
    Reil: Harmlos, sagte ich gerade, beginnt dieser Film und endet schließlich mit einer knallharten Pressekonferenz, in der der Kurator unter Beschuss von Journalisten gerät. Knallhart waren auch die Casting-Bedingungen.
    Bang: Knallhart … Ich würde eigentlich eher sagen: sehr, sehr lang. Denn wir haben ja drei verschiedene Casting-Sessions gemacht und die haben alle um die zwei, drei Stunden gedauert.
    Reil: Das ist ziemlich ungewöhnlich, oder?
    "Man ist eigentlich nur da. Und das ist eigentlich, was er will"
    Bang: Ja, das ist ziemlich viel, aber so ist der Ruben Östlund. Er will ja genau an das Richtige kommen. Und darum macht er sich Mühe. Also ich glaube, er hat in Schweden, in Norwegen, in Dänemark, in Finnland, in England und in Frankreich und in Amerika gecastet für diese Rolle.
    Reil: Und ich habe gelesen, dass Sie 50 mal eine Szene wiederholen mussten.
    Bang: Ja. Also zum Beispiel die Rede im Museum, wo ich da diese …
    Reil: … "The Square" ankündigen, diese Installation.
    Bang: Ja, genau. Das haben wir mindestens 100 mal gemacht.
    Wir haben noch länger mit Claes Bang gesprochen - Hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Reil: 100 mal?
    Bang: Ja.
    Reil: Ja, danach ist mein reif für die Irrenanstalt, oder nicht?
    Bang: Ja, ja und nein. Also ich würde sagen: Seine Methode ist ja … Er will ja an irgendetwas Organisches, Authentisches kommen. Und da verwendet er sehr, sehr viele Takes. Also irgendwann wird man ja so ein bisschen - ich würde fast sagen - müde. Man verliert so ein bisschen das Bewusstsein. Man hört auf, zu produzieren, zu spielen. Man ist eigentlich nur da. Und das ist eigentlich, was er will - dass die Schauspieler nicht irgendeine Idee produzieren, sondern nur da sind.
    Reil: Das macht auf eine Art und Weise Sinn, dass man nicht mehr spielt, sondern tatsächlich die Rolle ist.
    Bang: Ja, das ist wohl eigentlich, was er will. Genau.
    "Das ist alles, wovon man träumen kann als Schauspieler"
    Reil: Der Film ist keine leichte Kost. Sie wühlen da im Müll, Sie schubsen ein Kind … Naja, Sie schubsen nicht das Kind die Treppe herunter, aber es fällt. Also da werden unangenehme Sachen angesprochen. Es kommt auch zu einer Fast-Vergewaltigung auf einem Bankett.
    Bang: Ja.
    Ein einen Affen mimender Künstler (Terry Notary) steht auf einem Tisch, die chic gekleideten Gäste blicken erschrocken zu ihm auf
    Ein einen Affen mimender Künstler (Terry Notary) versetzt die Besucher eines Galadinners in Angst und Schrecken (Alamode-Film)
    Reil: Wo ein Künstler, der einen Affen mimte, das Publikum in Verunsicherung und Angst versetzt.
    Bang: Richtig.
    Reil: Und wenn Sie sagen, dass da so viele Takes gedreht werden, dann hört sich das für mich schon sehr stark nach Psychodrama an, was da am Set sattgefunden hat, weil Sie sehr stark den Regisseur an sich herankommen lassen und eine Rolle fallen lassen, die Sie selbst sein müssen. Also Sie sind zum Schluss dieser Kurator, der durch diese Achterbahn läuft.
    Bang: Ja eigentlich ist es wohl so, dass sehr viel von mir in dieser Rolle steckt, würde ich sagen. Denn ich habe ja eigentlich in jeder Situation, um so organisch zu sein wir möglich, so reagiert, wie ich reagiere, würde ich sagen. Und das ist ja eigentlich, was er will. Also als Psychotherapie habe ich es eigentlich nicht gesehen. Ich habe es eigentlich nur so gesehen, dass man jetzt hier die Chance, die Zeit, den Raum hat, das wirklich zu untersuchen. Er dreht ja pro Tag nur ein Bild. Zum Beispiel dieses Bankett mit dem Affen haben wir über drei Tage gedreht, den Diebstahl am Anfang haben wir auch über drei Tage gedreht. Wir haben sehr, sehr viel Zeit verwendet. Ich glaube, wir haben so um die 75 oder 78 Drehtage gehabt. Und ich war zwei Tage nicht da. Das war auch sehr, sehr tough. Ich würde sagen, ich habe jetzt mit dieser Rolle eigentlich "The Rolls-Royce of Acting" gefahren. Also das ist alles, wovon man träumen kann als Schauspieler. Wenn man seine Arbeit mag, dann ist es ja auch gut, hart zu arbeiten. Das will man ja gerne. Und hier gab es wirklich die Chance, so tief reinzukommen.
    Claes Bang im Deutschlandfunk-Studio
    Claes Bang im Deutschlandfunk-Studio (Kerstin Janse/Deutschlandradio)
    Reil: Was würden Sie gerne spielen? Als Nächstes?
    Bang: Hm. Also ich habe ja eigentlich keinen Traum, also ich habe kein definiertes Das-und-das-will-ich-Machen. Es gibt Leute, mit denen ich unheimlich gerne arbeite: David Lynch zum Beispiel wäre toll. Ich habe auch Toni Erdmann sehr, sehr toll gefunden. Maren Ade wäre auch ganz toll, hier in Deutschland mit ihr zu arbeiten, zum Beispiel. Aber ich habe nicht so ein Das-und-das-will-ich-Machen. Aber jetzt gibt es zwei oder drei Dinge, bei denen ich hoffe, dass sie klappen. Denn die sind ja unheimlich interessant.
    "Er fragt: Wollen wir das so oder wollen wir das verändern?"
    Reil: Jetzt sind Sie erst einmal mit "The Square" unterwegs und da wird der Kunstbetrieb so als Fegefeuer der Eitelkeiten aufs Korn genommen, steht aber auch irgendwie symbolisch für die westliche, übersättigte Gesellschaft, die Probleme vollkommen ausblendet. Die Probleme, die werden wir jetzt auf der Leinwand zu sehen bekommen. Und ich hatte das Gefühl, dass es irgendwie fast eine Parabel ist mit einem pädagogischen Zeigefinger.
    Bang: Das klingt für mich nicht so gut, wenn Sie das sagen. Also ich würde eigentlich sagen, er moralisiert hier eigentlich nicht. Er zeigt uns vielleicht einen Snapshot, ein Bild: So sieht es gerade aus, hier im Westen, wo wir alle so unheimlich privilegiert sind. Aber ich würde eigentlich sagen, er zeigt uns das und dann fragt er: Wollen wir das so oder wollen wir das verändern? Aber finden Sie, dass er so mit dem Zeigefinger da ist?
    Reil: Ja. Ich hatte das Gefühl in einigen Szenen, dass er sehr deutlich macht, was ich jetzt von dieser Szene zu denken habe.
    Bang: Okay. Das tut mir eigentlich leid. Denn ich glaube, das will er eigentlich nicht. Er will nur sagen: So sieht es eigentlich aus. Und dann will er wohl fragen: Wollen wir etwas verändern oder wollen wir, dass es so bleibt.
    Reil: Deswegen hat er vielleicht auch die Installation tatsächlich in der Wirklichkeit stattfinden lassen. "The Square" wird ausgestellt in einem schwedischen Design-Museum
    Die Kunstinstallation "The Square" im gleichnamigen Film
    Die Kunstinstallation "The Square" im gleichnamigen Film (Alamode-Film)
    Bang: Ja ich glaube, es gibt eigentlich vier davon. Vier verschiedene, zwei in Norwegen und zwei in Schweden. Aber er sagt ja eigentlich nicht, was man da machen muss oder soll. Er sagt ja nur: Jetzt gibt es das. Und dann kann man damit machen, was man will. Vielleicht ist es sehr moralisch. Es stellt die Fragen, aber die Antworten muss man selber geben.
    Reil: Claes Bang, danke Ihnen für das Gespräch. Am Donnerstag läuft "The Square" in Deutschland an. Und unsere Kollegen von "Kultur heute" liefern dann eine ausführliche Rezension zum Film. Danke Ihnen!
    Bang: Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.