Jan-Heiner Küpper, grauer Bürstenhaarschnitt, randlose Brille, eilt über den mit hellem Linoleum ausgelegten Flur, man muss sich sputen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Energisch reißt er eine Glastür auf. Noch nutzt der Wissenschaftler und Unternehmer die Labore der BTU Cottbus Senftenberg. Am Institut für Biotechnologie leitet Küpper den Fachbereich Molekulare Zellbiologie.
"Es wird möglicherweise leider nicht ausreichen, einfach nur auf CO2-Vermeidungsmaßnahmen zu setzen, sondern wir brauchen Maßnahmen, um CO2 aus der Atmosphäre zu holen. Ein Ansatz, der vom Weltklimarat vorgeschlagen wird, ist das sogenannte BECCS: 'Bioenergy Carbon Capture and Storage'. Das heißt, man baut Energiepflanzen an weltweit auf riesengroßen Flächen, geht damit in Biomassekraftwerke, produziert Strom und das dabei entstehende CO2 wird als flüssiges CO2 im Boden langfristig deponiert. Das ist mit vielen verschiedenen Nachteilen verbunden. Und wir haben uns daher vor ungefähr fünf Jahren ein neues Verfahren überlegt, das ganz anders vorgeht."
Die Zucht der Mikroalge Spirulina nämlich: Die hätte eine im Vergleich zu Landpflanzen viel höhere Biomasseproduktivität.
"Also ich kann 50-100 Mal mehr Biomasse pro Zeiteinheit und pro Raum herstellen, als ich das durch Energiepflanzen kann. Entsprechend geringer ist auch mein Flächenbedarf."
Spirulina bindet mehr Co2 als jede Pflanze
Vor Betreten des Labors müssen wir blaue Plastikfüßlinge über die Schuhe ziehen. Biologe Küpper, der aus Heidelberg in die Brandenburger Lausitz kam, erzählt derweil routiniert weiter. Eine Tonne Mikroalgenbiomasse binde 1,8 Tonnen CO2. Und nicht nur das:
"Wir versuchen, gerade durch unsere Zellkultursysteme herauszufinden, wie genau wirkt Spirulina auf menschliche Zellen, um dann gezielte Wirkstoffe auch zu entwickeln, beispielsweise gegen Bluthochdruck oder gegen Thrombose oder gegen Leberschäden."
Die Mikroalgen vertrügen sowohl Brackwasser wie Salzwasser, wüchsen in Aquakulturen sehr schnell, am besten in heißen Ländern wie den Tropen, schwärmt der Biologe. Und sie binden nicht nur CO2, sondern man kann sie auch noch essen.
"Spirulina besteht zu 60 bis 70 Prozent aus Proteinen. Das ist eine so hohe Proteindichte, wie man die in keinem anderen Organismus findet. Und deswegen hat die NASA vor, wenn es mal einen bemannten Flug zum Mars gibt, Spirulina als Nahrungsquelle mitzunehmen, weil es nichts gibt, was so eine hohe Energiedichte hat wie diese Mikroalge."
Im Zellkulturlabor wachsen Anzüchtungen von Spirulina in kleinen Glaskolben, in einem Glastank blubbert Wasser, von starken Lampen angestrahlt. Darin schwimmt in Fäden die Mikroalge.
Ein Bakterium, keine Pflanze
Dem bloßen Auge präsentiert sie sich als dunkelgrüner Glibber, denn Spirulina ist keine Pflanze, sondern gehört zu einer Klasse von Bakterien, die Photosynthese betreiben können, auch Blaualgen genannt:
"Spirulina ist ein evolutionär sehr altes Bakterium, wahrscheinlich schon dreieinhalb Milliarden Jahre alt und man kann heute davon ausgehen, dass es mit den ersten Organismen auf der Erde war, die aus CO2 Sauerstoff gemacht haben und Biomasse gemacht haben und die letztlich dafür verantwortlich sind, dass wir heute 21 Prozent Sauerstoff in der Atmosphäre haben."
Mikroalgen gedeihen optimal, wenn die CO2 Konzentration etwa hundert Mal höher ist als in der Atmosphäre, erklärt Küpper. Dafür würde Kohlendioxyd in einen Bioreaktor mit Spirulina-Biomasse geleitet. Die kann dann recht einfach getrocknet und zu Tabletten gepresst werden. Carbon Biotech will die Mikroalge aber auch als richtiges Nahrungsmittel anbieten, als Soja-Ersatz zum Beispiel für Vegetarier und Veganer. Küppers Team tüftelt darum gerade an Konsistenz und Geschmack.
"Und eine dritte Möglichkeit mit Mikroalgen ist die Entwicklung von Biodünger, Biofertilizer. Mit Biodünger aus Mikroalgen kann man einerseits den Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden und andererseits den Boden vorbereiten, um Aufforstungsmaßnahmen zu machen. Man hat damit einen weiteren Hebel, weiteres CO2 aus der Atmosphäre zu holen."
Multitalent: Klima retten, essen, düngen
Dem Wissenschaftler liegt das Unternehmerische im Blut: Schon sein Vater war eigentlich Lehrer, betrieb aber auch eine Mosterei und presste aus Streuobst Apfelsaft. Das habe ihn geprägt und inspiriert, sagt Jan-Heiner Küpper. Seine Firma heißt Carbon Biotech, weil der Mensch mit der massiven Verbrennung fossiler Energieträger gewaltig in den natürlichen Kohlenstoffkreislauf eingegriffen habe. Mit den biotechnologischen Verfahren der Spirulina-Nutzung will Küpper dazu beitragen, den Kohlenstoffkreislauf wieder zu stabilisieren.
Forschung und Produktentwicklung laufen dabei parallel: Küpper sprudelt nur so über von Geschäftsideen, will 30 bis 40 Arbeitsplätze schaffen. Er habe bereits Anfragen von Vertriebsfirmen, erzählt er. Noch in diesem Jahr will Carbon Biotech erste Umsätze mit dem Verkauf von Algenprodukten machen. Doch noch ist die im November 2017 als Aktiengesellschaft gegründete Firma auf Kapitalsuche. Nach Küppers Angaben laufen Gespräche mit Investoren. Fünf Millionen brauche er fürs Erste, meint der Gründer.