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Carl Chun, die Valdivia und die Entdeckung der Tiefsee

Mit der Expedition der "Valdivia" trat das Deutsche Reich 1898/99 in den Kreis der Mächte ein, die die damals noch weitgehend unbekannten Ozeane erforschten. Die monatelange Fahrt durch den Atlantik, die antarktischen Gewässer und den Indischen Ozean gehört zu den großen ozeanographischen Forschungsreisen. Das Buch von Andreas von Klewitz zeichnet sie nach.

Rezension: Dagmar Röhrlich |
    In national gesinnten Zeiten und mit einem schiffsnärrischen Kaiser müssen es die deutschen Meeresbiologen als Schmach empfunden haben, dass Großbritannien mit der so erfolgreichen Challenger-Expedition (1872 - 1876) die Ära der systematischen Tiefseeforschung einläutete und nicht sie selbst. Aber erst 1897 erhielt der Biologe Carl Chun auf der Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte die Erlaubnis, ein entsprechendes Gesuch an die Regierung zu richten. Wilhelm II., Bundesrat und Regierung befürworteten den Plan, und so bewilligte der Deutsche Reichstag am 31. Januar 1898 300.000 Mark für die Valdivia-Expedition.

    Die stach dann auch schon wenige Monate später, am 31. Juli 1898, in See. Die "Valdivia" war ein umgebauter Passagier- und Frachtdampfer der Hamburg-Amerika-Linie, und die Reise führte über mehr als 32.000 Seemeilen durch den Atlantik, in antarktische Gewässer und den Indischen Ozean. Am 1. Mai 1899 war die Expedition beendet. Ein Jahr später erschien Carl Chuns Reisebericht. Er wurde zum Bestseller: Ein frühe Version von "Wissenschaft im Dialog", wenn man so will, ein Versuch, die Forschung zu popularisieren. Diesen Reisebericht hat nun der Historiker Andreas von Klewitz mit Hilfe von Originalzitaten vorsichtig entstaubt und aufgearbeitet.

    Herausgekommen ist eine farbenfroher Erzählung über eine abenteuerliche Fahrt. Die dreht sich nicht nur um die Meeresforschung jener Tage, wie mühsam die Erkenntnisse errungen werden mussten und welch überraschende Funde trotzdem gelangen. Vielmehr schaffte es Andreas von Klewitz durch seine Textauswahl ebenfalls, Zeugnis von der längst vergessenen oder verdrängten deutschen Kolonialgeschichte zu geben und die heute bizarr anmutenden Ansichten jener Tage zu illustrieren.

    In "Carl Chun, die Valdivia und die Entdeckung der Tiefsee" geht es um die Menschen und ihre Gesellschaften, um Landschaften, um bizarre Tiefseewesen und um die Geschichten einer Seefahrt. Zeichnungen, Fotos und Aquarelle runden ein Buch ab, das viel mehr ist als eine Urlaubslektüre für den Strand.

    Andreas von Klewitz: Carl Chun, die Valdivia und die Entdeckung der Tiefsee
    ISBN: 978-3-86964-071-6
    Parthas Verlag, 216 Seiten mit 100 Schwarz-Weiß- und 16 Farbabbildungen, 34,80 Euro