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Carlos Ghosn
Tiefer Fall eines Spitzenmanagers

Wegen mutmaßlichen Steuerbetrugs und Veruntreuung ist der Chef von Renault-Nissan, Carlos Ghosn, in Japan festgenommen worden. Was seine Verhaftung für den maßgeblich von ihm geformten französisch-japanischen Auto-Riesen bedeutet, erklärt Dlf-Frankreich-Korrespondent Jürgen König.

Jürgen König im Gespräch mit Birgid Becker |
    Carlos Ghosn, Ex-Vorstandsvorsitzender von Renault-Nissan-Mitsubishi
    Carlos Ghosn, Ex-Vorstandsvorsitzender von Renault-Nissan-Mitsubishi (dpa/Paul Sancya)
    Automanager Carlos Ghosn wird konkret vorgeworfen, sein Einkommen jahrelang zu niedrig angegeben zu haben. Dadurch seien insgesamt 40 Millionen Euro nicht versteuert worden, erläutert König. Zudem soll Ghosn Firmengelder für private Zwecke veruntreut haben. Ihm drohten Geldstrafen von rund 150.000 Euro und bis zu 20 Jahre Haft.
    Details gab der Nissan-Vorstand noch nicht bekannt. Es soll Durchsuchungen bei Nissan gegeben haben. Auch der Nissan-Manager Greg Kelly wurde festgenommen, er soll an den Verfehlungen Ghosns beteiligt gewesen sein. Beide sollen am Donnerstag offiziell abgewählt werden.
    Ungewöhnliche Umstände der Verhaftung
    Erste Hinweise seien aus dem eigenen Unternehmen gekommen, führt Jürgen König weiter aus. Ein Whistleblower habe demnach der Verwaltungsetage vertrauliche Hinweise gegeben, denen man im Unternehmen monatelang nachgegangen sei. Dabei fand man offenbar Belege und hat die Behörden informiert.
    Mit rund zehn Millionen verkauften Fahrzeugen im Jahr ist die Renault-Nissan-Mitsubishi-Gruppe eine der größten Auto-Allianzen der Welt. Entsprechend groß war die Reaktion auf die Festnahme, Jürgen König beschreibt es so: "Die Nachricht schlug am Mittag wie eine Bombe in Paris, und ich vermute auch überall an den entsprechenden Orten, ein. Carlos Ghosn, eine schillernde Figur, charismatisch, erfolgreich." Jahrelang hatte Nissan nur Verluste gemacht, Ghosn baute das Unternehmen wieder auf und "galt in Japan schnell schon als Held". Auch die Franzosen verdankten ihm sehr viel, nachdem er aus dem Zusammenschluss von Nissan und Mitsubishi mit Renault einen der weltgrößten Autohersteller machte.
    Von Renault gab es bisher keine Stellungnahme, aber von Frankreichs Präsident Emmanuelle Macron. Der Staat hält 15 Prozent der Renault-Aktien und ist damit größter Einzelaktionär. Macron sagte, der Staat werde als Aktionär "über die Stabilität der Allianz und der Gruppe wachen". Er habe damit eine Art Sicherheitsgarantie für Renault und das ganze Bündnis abgegeben. Dies sei nach Einschätzung von Jürgen König auch nötig, denn die Aktienkurse brachen direkt ein: Der Renault-Wert verlor an der Pariser Börse bis zu 14 Prozent, die Titel von Nissan gar bis zu 15 Prozent.
    Folgen der Verhaftung für Renault
    Schon seit Monaten hatte es zwischen französischen Staatsvertretern und Carlos Ghosn Streit gegeben, wegen dessen hohen Gehaltsforderungen. Eine Ablösung war schon vorbereitet worden, dann aber hatte Ghosn auf 30 Prozent seines Gehalts verzichtet und durfte bleiben. Aber mit Vorstandsmitglied Thierry Bolloré, zuständig für Wettbewerb, hatte man sich schon damals einen Nachfolger für Carlos Ghosn ausgeguckt. Nun könnte Bolloré schon sehr viel früher an die Renault-Spitze kommen. Bei Nissan wird Carlos Ghosn ganz sicher entlassen, auch Vorstandschef von Mitsubishi wird er nicht bleiben können. Jürgen König schlussfolgert: "Also das ist schon ein tiefer Fall eines Spitzenmanagers".