Es gibt viele Geräusche in dieser Ausstellung: Es piept und knackt und summt und dröhnt im Düsseldorfer K21. Zwei Geigerzähler messen die radioaktive Strahlung im Raum – die elektrischen Impulse wandelt Carsten Nicolai in akustische Signale um. Und ein an den Fernseher gekoppelter CD-Player erzeugt Störgeräusche in Endlosschleife, über zwei Bildschirme flackern die dazu passenden Störbilder: hektische, grelle Streifen. Carsten Nicolai:
"Was mich immer sehr interessiert hat, sind Wahrnehmungsprozesse: Wie wir Dinge wahrnehmen, ob das jetzt Farbe ist oder Sound oder ob das Formen sind. Je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto klarer tritt hervor, dass das, was wir glauben zu sehen, nur ein verarbeitetes Informationssignal ist, das unser Gehirn uns aufbereitet. Und dass es nicht unbedingt etwas damit zu tun hat, was in der Realität existiert."
Aus Strahlung wird Ton…
Genau diese Transformationsprozesse macht Carsten Nicolai mit seiner Kunst erfahrbar. Er selbst nennt seine Werke "Übersetzungsmaschinen". Sie übertragen Strahlung in Ton, Ton in Bilder oder Farben in Vibrationen, die der Besucher, auf einer Bank sitzend, am ganzen Körper spüren kann. Aus der physikalischen Realität, die uns umgibt und die oft so ungreifbar erscheint, wird sichtbare, fühlbare, hörbare Kunst. Ein synästhetisches Ganzkörpererlebnis.
…aus Ton wird Bild
Und so setzt diese Ausstellung keineswegs physikalisches Verständnis voraus. Viele Werke faszinieren allein durch ihre Ästhetik. Etwa die Videoserie "future past perfect": Filme von Wolken, Wasser und Architekturen, unterlegt mit Soundtracks von Alva Noto. Diese Bild-Ton-Kompositionen entfalten schnell eine meditative, hypnotische Wirkung.
Oder die Installation "tele" von 2018. Zwei große, sechseckige Spiegel stehen sich im Raum gegenüber, im Abstand von mehreren Metern. Verbunden werden beide Spiegel durch zwei gleißende Lichtstrahlen, die je nach Perspektive ihre Intensität ändern. Weit über den Köpfen der Besucher schweben sie im Raum. Staubkörnchen tanzen im Licht und sorgen für eine poetische, fast melancholische Atmosphäre. Angesichts dieser Werke wundert es nicht, dass Carsten Nicolai als Inspirationsquelle nicht nur Physikbücher nennt:
"Das klingt jetzt ziemlich absurd, aber Träume sind für mich eine große Inspirationsquelle. Und ich bin immer wieder erstaunt, dass uns Träume so stark beeinflussen, dass wir kaum unterscheiden können, ob das jetzt ein Traum war oder ein reelles Erlebnis. Nicht, dass ich meine Träume deute, aber ich zeichne sie auf, weil das teilweise so wahnsinnige Bilder sind und da so verrückte Sachen passieren. Ich finde das sehr spannend."
Rätsel der Natur
Und tatsächlich lädt diese sehenswerte Überblicksschau, die zunächst so technisch, so kühl, so rational wirkt, zum Träumen ein: In der hintersten Ecke des Ausstellungsraumes steht ein Aquarium. Darin drei durchsichtige Quallen, die mit rhythmischen Bewegungen, wie in Zeitlupe, immer wieder neue Formationen bilden. Ein Naturschauspiel, ein Ready-Made, ganz ohne Zutun des Künstlers. Spätestens hier ist die romantische Botschaft der Ausstellung angekommen: Carsten Nicolais Werk steht für den unerreichten und wohl auch unerreichbaren Traum, die Rätsel der Natur vollständig zu lösen. Aber darüber braucht niemand zu verzweifeln. Wir sollten uns einfach öfter an der Schönheit dieser Natur erfreuen – und an der Schönheit ihrer ungelösten Rätsel.