Ein Gefängnis, das die Umrisse Syriens hat und von Assad persönlich bewacht wird. Auf einer anderen Karikatur ist die Kulisse einer zerbombten Stadt zu sehen; im Vordergrund ragt eine gigantische Hand aus der Erde: Sie will das Victory-Zeichen machen, aber der Zeigefinger wird abgeschossen, es bleibt der Mittel-, der Stinkefinger. In einer weiteren Zeichnung scheint eine Möwe auf einer kleinen Insel zu stehen, aber es ist der Rücken eines ertrunkenen Menschen.
Mit Cartoons gegen das syrische Regime
Eigentlich wollte Ronald Bos einen Film über Karikaturisten aus Syrien drehen. Aber entstanden ist stattdessen eine Ausstellung mit dem Titel "Cartooning Syria". Die hat der niederländische Kurator von Amsterdam nach Berlin gebracht, in die Heinrich-Böll-Stiftung.
Ronald Bos: "In den Zeitungen und im Fernsehen gibt es sehr wenig Information über Syrien. Es gibt sie ab und zu, wenn da etwas Schlimmes passiert. Aber was in diesem Moment in Idlib passiert, das weiß eigentlich keiner. Es wird da jeden Tag gebombt. Jeden Tag sind da Kinder, die sterben. Und mit so einer Ausstellung bekommt man vielleicht eher einen Blick dafür, was da los ist."
Rund 40 Karikaturisten, die meisten Syrer, sind mit jeweils nur einem Werk in der Ausstellung vertreten. Einerseits ist das schade, weil man oft so fasziniert von einer Zeichnung ist, dass man gerne mehr von der Arbeit des jeweiligen Künstlers sehen würde. Andererseits wird so eine weltweit einmalige Vielfalt der politischen Karikatur zu Syrien präsentiert. Fares Garabet, der als bester Karikaturist der arabischen Welt ausgezeichnet wurde, war in Damaskus Professor für Animation. 2016 flüchtete er nach Deutschland. Heute lebt er in Dresden. Jetzt, in einem Land mit Meinungs- und Kunstfreiheit, kann er endlich ohne Angst vor Repressalien politische Karikaturen über Syrien zeichnen, könnte man denken. Aber es ist komplizierter.
Freiheit will gelernt sein
Fares Garabet: "Ich habe 52 Jahre in Syrien gelebt. Ich war daran gewöhnt, mich selbst zu kontrollieren. Jetzt in Deutschland muss ich lernen, ein Gefühl für Freiheit zu bekommen. Das ist gar nicht so einfach und braucht Zeit. Das ist eine Kopfsache. Manchmal komme ich mir so vor, als würde ich noch immer in Syrien leben. Aber manchmal spüre ich die Freiheit und merke: Ich kann tun, was ich will. Und damit fange ich dann an."
Manchmal druckt die "Süddeutsche Zeitung" eine neue Karikatur von Garabet. Aber die meisten veröffentlicht er im Internet, ohne Geld dafür zu bekommen. Die Zeitungen in Syrien veröffentlichen nur regimetreue Karikaturisten. Wer in Syrien bleibt und in seinen Karikaturen Kritik an Assad übt, für den kann es lebensgefährlich werden. So wurde Akram Raslan wegen seiner Zeichnungen verhaftet, gefoltert und ermordet. Dann doch lieber im Ausland leben und bei Facebook veröffentlichen, denken sich viele. Anna Gabai ist Expertin für arabische Karikaturen und Comics und weiß um die Nöte der Künstler:
"Wenn es ihnen besser geht dadurch, dass sie ihre Kunst zeigen können, finde ich das schon einen Pluspunkt. Und das andere ist: Wir müssen uns daran erinnern, dass nicht weit weg von uns ein Krieg herrscht und dass dieser Krieg immer noch da ist. Ich meine, der Zweite Weltkrieg hat fünf Jahre gedauert. Und in Syrien dauert er seit fast sieben Jahren. Und das finde ich jedes Mal echt sehr bedrückend, diese Vorstellung."
Karikaturisten sind der Nagel in Assads Matratze
Bei der Eröffnungsveranstaltung am Montagabend wies Gabai darauf hin, dass ikonografische Fotos des Syrien-Konflikts und seiner Folgen in einigen der ausgestellten Karikaturen verarbeitet worden sind. Mahmoud al Bahar hat den toten syrischen Flüchtlingsjungen Aylan vom türkischen Strand in die Arme des Jungen gelegt, der auf dem bekannten Foto von Dreck überzogen in einem Krankenwagen sitzt. Beide Jungen wippen mit oder besser gegen Assad. Dabei kommen die personifizierten Vereinten Nationen, wie überhaupt in dieser Ausstellung, gar nicht gut weg. Mahmoud al Bahar glaubt, dass Karikaturisten sogar Assad selbst schaden können:
"Wir sind der Nagel in seiner Matratze. Also wir tun ihm mit Sicherheit weh. Und ich freue mich darüber."