Die südafrikanische Leichtathletin Caster Semenya ist mit ihrem Einspruch gegen die Testosteron-Regel des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF) gescheitert. Der Internationale Sport-Gerichtshof (CAS) urteilte, die Regel sei zwar diskriminierend, aber notwendig, vernünftig und angemessen.
Caster Semenya erhält zwar Rückhalt aus ihrer Heimat Südafrika, muss aber nun entscheiden, ob sie weitere Gerichtsinstanzen anruft, sportlich auf eine andere Laufdistanz ausweicht, ihre Karriere ganz beendet oder ihren Testosteron-Wert und damit wahrscheinlich auch ihre Leistungsfähigkeit mit Medikamenten nach unten drückt.
Claudia Wiesemann ist Direktorin des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universitätsmedizin Göttingen und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats. Sie sagt zu dem Urteil: "Das Problem ist vermutlich, dass eine Gerechtigkeit für alle nicht erzielbar ist in dieser Situation." Denn Semenyas Konkurrentinnen sehen deren hohen Testosteronspiegel als Vorteil an.
Massive Auswirkungen auf den ganzen Menschen
Wiesemann positioniert sich selbst allerdings sehr klar: "Die Tatsache, dass Caster Semenya als Frau aufgewachsen ist, sich ganz selbstverständlich als Frau versteht, sollte eigentlich nicht von Dritten infrage gestellt werden. Sie sollte die Möglichkeit erhalten, ihre Talente auch so körperlich auszunutzen."
Wiesemann sieht außerdem Probleme in der einzigen wissenschaftlichen Studie, auf die sich die IAAF und der CAS beziehen. Sie sei massiv kritisiert worden und berge methodische Probleme. Antiandrogene, die Mittel, die Semenya zur Einhaltung der neuen Regel einnehmen müsste, seien zudem kein bisschen harmlos. Sie hätten massive Auswirkungen auf den ganzen Körper, den ganzen Menschen – das Risiko für Thrombosen und Depressionen steige durch sie.
"Kein eindeutiges, einzelnes, glasklares Kriterium für eine Frau"
Wiesemann sieht langfristig nur eine Möglichkeit: "Im Grunde wird man auf Dauer zu dem Schluss kommen, dass es kein eindeutiges, einzelnes, glasklares Kriterium gibt, was sagt: Das ist jetzt eine Frau und so soll es sein."
Sie bedauert, dass das aktuelle Dilemma nun an einer Person durchexerziert werde, denn jeder Fall stelle sich anders dar. Caster Semenya ist wohl nicht die einzige Betroffene der Intersexualitäts-Problematik. Wiesemann rechnet mit einer Revision der CAS-Entscheidung vermutlich in den nächsten zwei bis drei Jahren.
Sie mahnt eine langfristige gesellschaftliche Veränderung an. Ihr Fazit zu den Schwierigkeiten des Sports mit dem Übergangsbereich zwischen Mann und Frau: "Das muss uns dann endlich dazu bringen, unseren Horizont zu erweitern und unsere Grenzen durchlässiger zu gestalten."
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.