Im zweiten Stock der Casa di Goethe herrscht absolute Stille. Von der lärmenden Via del Corso ist nichts zu hören. Auf mehr als 200 Quadratmetern sind fast alle freien Wände mit Bücherschränken zugestellt. Hinter Glas stehen, dicht an dicht, Bücher und Folianten aus über 100 Jahren. In Leder gebundene Ausgaben des 17., 18. und 19. Jahrhunderts.
In einem kleinen Raum sitzt Ulf Dingerdissen. Vor sich, auf seinem Schreibtisch, stapeln sich Kladden mit handschriftlichen Aufzeichnungen. Sie geben Auskunft darüber wer wann und wie lange eines der Bücher ausgeliehen hat. Andere Verzeichnisse geben an von wo und von wem und wann die einzelnen Werke in die Bibliothek kamen.
In den nächsten drei Jahren wühlt sich der junge Kunsthistoriker von der Universität Göttingen durch die Kladden und die vielen Bücher der Bibliothek. Zwischen den vielen Dokumenten fand er bereits Kurioses. Zum Beispiel Tricks, um den im 19. Jahrhundert besonders strengen Zensurkontrolleuren des Kirchenstaats ein Schnippchen zu schlagen.
"Ein Beispiel hatten wir gefunden, da wurden die Bücher als Käse deklariert, damit die Zöllner gar nicht stutzig und neugierig wurden."
Schenkungen aus Bayern und Preußen
Ulf Dingerdissen erforscht in der Casa di Goethe rund 4500 Bücher. Darunter auch Werke, vor allem protestantischer Autoren, die den Zensoren im päpstlichen Rom besser nicht auffallen sollten. Deshalb die Schmugglermethode mit dem Käse. Die Bücher, die Dingerdissen studiert, gehörten zur Bibliothek des deutschen Künstlervereines in Rom. Sie kamen als Schenkungen vor allem aus den Staaten Bayern und Preußen, um den in der Hauptstadt des Papststaates lebenden Künstlern kostenlosen Lesestoff zu bieten. Auch deutsche Autoren und Verlage sponserten die Bibliothek des Künstlervereins. Nach einer langen Geschichte, die bis in die 1920er Jahre dauerte, wurden die Bestände dieser Bibliothek, die an drei Orten verteilt waren, der Casa di Goethe übereignet. Dazu Maria Gazzetti, Leiterin des römischen Goethemuseums:
"Das ist ein echter Bücherschatz! Dank der Zusammenarbeit mit der Uni Göttingen und der Bereitstellung von Fördermitteln haben wir jetzt endlich die Möglichkeit, einen Wissenschaftlicher hier arbeiten zu lassen."
Noch nie erforscht
Der 1845 gegründete Künstlerverein war eine von drei Institutionen, die deutsche Künstler in Rom mit Büchern versorgte. Es gab auch eine "Bibliothek der Deutschen" in der preußischen Gesandschaft und die "Bibliothek der deutschen Künstler", finanziert vom bayerischen König. Die jetzt in der Casa die Goethe zusammen gefassten Bestände dieser drei Sammlungen sind noch nie wissenschaftlich erforscht worden. Dingerdissen steht also vor einer Herkulesaufgabe. Klar ist ihm bereits, dass die Bestände der Bibliothek zu einem guten Teil recht persönlich und themenspezifisch sind:
"Es gab ja in der Regel keine Bibliotheksankäufe. Das waren halt primär Schenkungen, auch von anderen Künstlern und Intellektuellen, die dann halt hier in Rom waren."
Die Bibliothek der deutsche Künstler enthält vor allem Romane und Gedichtesammlungen, architekturhistorische und archäologische Werke. Aber auch persönliche und heute weitgehend vergessene Italien-Beschreibungen. Ulf Dingerdissen stieß gleich in den ersten Tagen auf ein höchst amüsantes Buch:
"Unter den ganzen italienischen Reisebeschreibungen finde ich am besten ‚Buchholzens in Italien' von Julius Stinde. Und zwar nimmt das ein bisschen die deutschen Italienreisenden des 19. Jahrhunderts aufs Korn. Julius Stinde entwirft diese Buchholzens, eine Art Tetzlaffs des 19. Jahrhunderts, und die kommentieren in ihrer Berliner Schnauze das italienische Kunstgeschehen und was sie in Italien zu sehen bekommen."
Am Ende von Dingerdissens Forschungsarbeit soll die deutsche Künstlerbibliothek allen Besuchern der Casa di Goethe zugänglich sein. Eine reizvolle Leseoase im historischen Zentrum Roms – nicht nur an Regentagen.
"Unter den ganzen italienischen Reisebeschreibungen finde ich am besten ‚Buchholzens in Italien' von Julius Stinde. Und zwar nimmt das ein bisschen die deutschen Italienreisenden des 19. Jahrhunderts aufs Korn. Julius Stinde entwirft diese Buchholzens, eine Art Tetzlaffs des 19. Jahrhunderts, und die kommentieren in ihrer Berliner Schnauze das italienische Kunstgeschehen und was sie in Italien zu sehen bekommen."
Am Ende von Dingerdissens Forschungsarbeit soll die deutsche Künstlerbibliothek allen Besuchern der Casa di Goethe zugänglich sein. Eine reizvolle Leseoase im historischen Zentrum Roms – nicht nur an Regentagen.