Dieser Beitrag ist eine Wiederholung aus der Sendung "Information und Musik".
"Casal di Principe war immer eine Hochburg des Clans der Casalesi. Die Bosse haben Krieg gegen ihre Feinde geführt und für den Tod von hunderten von Menschen gesorgt, darunter auch den eines katholischen Anti-Mafia-Geistlichen."
Tempi passati, vergangene Zeiten, meint die Kunsthistorikerin Claudia Giampaoli aus Casal di Principe. Heute haben die Bosse deutlich weniger zu sagen. Auch dank eines Buches, das zum ersten Mal Licht in das Dunkel von Casal di Principe warf, erklärt der Lokaljournalist Mauro Mancini:
"2006 veröffentlichte Roberto Saviano sein Buch ‚Gomorra'. Dank seiner Hinweise gelang es der Polizei, eine Vielzahl von Bossen zu verhaften. Jetzt weht hier ein anderer Wind. Das macht auch die Ausstellung mit bedeutenden Gemälden, vor allem aus den Uffizien, deutlich."
Ein kulturpolitischer Hoffnungsschimmer
Eine Ausstellung, die bis Oktober in der vom Staat beschlagnahmten Villa eines verhafteten Bosses des Clans der Casalesi gezeigt wird. In dem Gebäude mit mehreren Sälen wird ein eindrucksvoller Christus von Mattia Preti ausgestellt, eines der Hauptwerke des italienischen Barockmalers. Gezeigt werden auch Gemälde von anderen Meistern des italienischen Barock, von Artemisia Gentileschi und Luca Giordano, aber auch Acrylbilder von Andy Warhol und anderen modernen Künstlern. Insgesamt etwa 30 Werke. Die gut besuchte Kunstausstellung in der Ex-Villa des Mafiabosses sei ein kulturpolitischer Hoffnungsschimmer für Casal di Principe, meint Antonio Natali, Direktor des Florentiner Museums Uffizien:
"Mit dieser Ausstellung wollen wir zu den Bürgern kommen. Und so bringen wir unsere Kunst hierher, denn bisher gab es hier keine. Und damit wollen wir die Lebensqualität verbessern. Die Menschen hier erleben eine neue Art Ethik und Moral: Sie haben heute keine Angst mehr vor der Mafia."
Und anscheinend auch nicht mehr die Direktoren verschiedener bedeutender Museen. Nicht nur Antonio Natali von den Uffizien entlieh Hauptwerke für die Ausstellung in der Ex-Villa des Camorra-Bosses, sondern auch seine Kollegen aus dem Museo di Capodimonte in Neapel und aus Museen in Apulien.
Ein Tropfen auf dem heißen Stein
Casal di Principe war bisher kulturpolitische Wüste. Es gibt kein Theater und kein Museum, keinen Konzertsaal und kein Geld für nennenswerte Kulturinitiativen. Anti-Mafia-Kämpfer und Bürgermeister Renato Natale:
"Hier herrschte Jahrzehnte lang eine mafiöse Diktatur, in der nur die Bosse den Ton angaben und die Politik gehorchte. Dass man uns hier so wichtige Kunstwerke anvertraut, sie hier zeigt, beweist, dass man wieder Vertrauen in uns hat und eine Zukunft für uns sieht. Man kann jetzt hier endlich von einer breiten Front gegen die Mafia sprechen."
Mit Kunst gegen die Mafia in Casal di Principe. Eine begrüßenswerte Initiative. Aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Solange der Staat nicht im großen Stil, wie in Mittel- und Norditalien, auch in die Kultur süditalienischer Kommunen investiert, werden Projekte wie das in Casal di Principe nicht nachhaltig sein.
Denn, um nur ein Beispiel von vielen zu nennen: Wieso gammelt das Schloss von Caserta in der Nähe von Casal di Principe vor sich hin? Eine der kunsthistorisch und architektonisch bedeutendsten Königsresidenzen Europas! Ein Ort, der - restauriert, gepflegt und mit touristischen Infrastrukturen ausgestattet - zahllose Reisende anziehen würde. Doch vor dauerhaften Investitionen in die Kulturpolitik Süditaliens kann keine Rede sein. Eine Ausstellung wie die in Casal di Principe, so lobenswert die Initiative auch ist, ändert leider nichts an der bedauernswerten kulturpolitischen Realität des italienischen Südens.