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Cate Blanchett am Broadway
Platonov auf australisch

Die Sydney Theatre Company gastiert am New Yorker Broadway und inszeniert Platonov - modern interpretiert und über weite Strecken in australischem Slang. Trotz einer kunstvoll, gelangweilt spielenden Cate Blanchett und einem ordentlich betrunkenen Richard Roxburgh ist "The Present" ein echter Reinfall, findet unser Kritiker.

Von Andreas Robertz |
    Cate Blanchett und Richard Roxburgh im Theaterstück "The Present". Das Stück wurde 2015 in Sydney uraufgeführt und war dort sehr erfolgreich.
    Cate Blanchett und Richard Roxburgh im Theaterstück "The Present". Das Stück wurde 2015 in Sydney uraufgeführt und war dort sehr erfolgreich. (picture alliance / dpa / Lisa Tomasetti / Sydney Theatre Company)
    Es gibt wahrscheinlich wenig andere Schauspielerinnen, die sich auf der Bühne so wunderbar langweilen können wie Cate Blanchett: wie sie mit ihrem langen Körper ständig vom Stuhl zu rutschen droht, an ihrer Bluse rumspielt oder ihre rauchende Zigarette betrachtet, als gälte es etwas dort zu entdecken.
    Und wenn aus ihr alias Anna Petrovna im zweiten Akt plötzlich "This is so fucking boring" hervorbricht, dann lacht das Publikum erleichtert, denn man ist bereits seit eineinhalb Stunden im Theater und bisher ist alles belang- und ereignislos an einem vorbeigeplätschert.
    Und dann greift sie zum Gewehr und schießt schreiend in die Luft, springt auf den Tisch und droht den ganzen Pavillon in die Luft zu sprengen. Dann tanzen plötzlich alle unvermittelt zu "London Calling" der britischen Gruppe "The Clash" wild umher und versuchen sie zu begrapschen, denn alle wollen Anna Petrovna.
    Anarchische Energie trifft auf selbstironischen Wortslapstick
    Und wenn sie dann endlich mit Platonov allein ist und er ihr stotternd und betrunken erklärt, dass die Liebe, die er für sie empfindet, ihm Angst macht, versucht sie ihn umständlich auszuziehen und schreit ihn an: "Fuck me Platonov, fuck me!" - wieder ein Lacher. Es ist diese Mischung aus anarchischer Energie und selbstironischem Wortslapstick, die den zweiten Akt zum Höhepunkt des Abends macht. Doch Regisseur John Crowley hat kein Konzept für Uptons Adaption gefunden.
    Der erste Akt, in dem alle Gäste zum Geburtstag der verwitweten Anna Petrovna eintreffen, ist schlicht und ergreifend langweilig, auch wenn Cate Blanchett zwischen jugendlicher Verspieltheit und abgeklärtem Sarkasmus ständig versucht, das Bühnengeschehen in Schwung zu halten.
    Australischer Slang lässt das Gesagte banal wirken
    Das praktisch nur aus Türrahmen bestehende Bühnenbild ist da auch keine Hilfe. So ist nicht einmal Naturalismus möglich, der bei Tschechov oft so wunderbar funktioniert. Das Hauptproblem liegt allerdings in Andrew Uptons Adaption.
    Seine Version ist eine auf drei Stunden abgespeckte Variante von Tschechovs Platonov mit vielen umgangssprachlichen Updates und ganzen Passagen im breiten australischen Slang, die die Tschechov’schen Figuren in Australien vielleicht moderner wirken lassen, aber im Grunde alles Gesagte schrecklich banalisieren.
    Er versetzt das Stück in ein Post-Perestroika Russland, in dem eine desillusionierte Gesellschaft ihre Hoffnung gänzlich verloren hat. Doch dieser an sich interessante Gedanke wird weder von der Regie noch der Ausstattung aufgenommen.
    Schauspieler verbindet großartige Chemie
    Und die Texte sind so ungeschickt zusammengekürzt, dass man die meiste Zeit nicht versteht, warum viele der Figuren leiden. Das Stück wirkt fragmentarisch und ohne roten Faden. Die Wehmut des Älterwerdens und Platonovs Verhältnis zu den Frauen scheinen zentral. Da hätte man mutig sein und alle Figuren bis auf Platonov und die Frauen streichen können.
    Im dritten Akt sitzt Platonov, von dem attraktiven und sehr überzeugend in sich verliebten Richard Roxburgh gespielt, allein auf einem Stuhl im bläulichem Bodennebel auf leerer Bühne und die Gestalten des Abends ziehen wie in einem Beckett’schen Sommernachtstraum einer nach dem anderen an ihm vorbei und beichten ihm ihre Unzulänglichkeiten und Begierden.
    Besoffen bemitleidet er sich, weil er die Frauen, die er haben will, nicht haben kann, und die er haben kann, nicht will. Doch wenn Anna Petrovna sich zu ihm setzt, erlebt man für einen kurzen Moment, welch großartige Chemie diese beiden Schauspieler verbindet. Die Regie hätte darauf viel mehr vertrauen müssen.
    Absurde Farce über gelangweilte Menschen
    Erschöpft und jenseits aller Plattitüden sitzen sie einfach lächelnd nebeneinander und gestehen sich ihre Liebe. Da ist der Raum ganz groß. Doch dann rotzt sie selbstironisch in seinen Hemdsärmel und der Moment ist wieder vorbei.
    Man kann nicht umhin, enttäuscht von diesem Abend zu sein, auch wenn Cate Blanchett sich immer wieder wunderbare Spielmomente erarbeitet. Natürlich kann man argumentieren, man habe in "The Present" ganz bewusst eine absurde Farce über gelangweilte Menschen einer desillusionierten Gesellschaft gemacht.
    Aber da gibt es dann einfach sehr viel mutigere moderne Stücke, die diese Aufgabe bereits glänzend erfüllen.