Dirk-Oliver Heckmann: Die CDU lehnt eine Koalition oder Zusammenarbeit mit der AfD ab. Das haben Präsidium und Vorstand der Christdemokraten am Montag noch mal beschlossen. Außerdem werde man alle juristischen Mittel ausschöpfen, um derartige Bündnisse, wenn sie denn geschlossen werden sollen, zu verhindern. Die Führungsgremien der CDU bekräftigten damit einen Beschluss des Bundesparteitags vom Dezember.
Doch die CDU-Fraktion in Penzlin - das ist ein Städtchen in Mecklenburg-Vorpommern - scheint, sich nicht daran gebunden zu fühlen. Sie hat in der vergangenen Woche mit dem Vertreter der AfD eine sogenannte "Zählgemeinschaft" begründet und sich und der AfD damit zusätzliche Posten in den Ausschüssen gesichert.
Wolfgang Waldmüller ist Generalsekretär der CDU in Mecklenburg-Vorpommern. Meine erste Frage an ihn: Die CDU lehnt jegliche Koalition oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab. Gilt dieser Beschluss auch in Ihrem Bundesland?
Wolfgang Waldmüller: Ja, selbstverständlich gilt diese Beschlusslage auch in Mecklenburg-Vorpommern. Diese Beschlusslage ist auch unmissverständlich und wir raten auch in Mecklenburg-Vorpommern jedem, sich daran zu halten. In Penzlin, das Sie ansprechen, ist das ein wenig anders. Wir sind im Vorfeld in der Partei nicht gefragt worden. Wir hätten, wenn wir gefragt worden wären, wenn sie gesagt hätten, wie sollen wir uns verhalten, wir hätten auf gar keinen Fall dazu geraten.
"Ein Zweckbündnis aus der Not heraus"
Heckmann: Sie hätten nicht dazu geraten. Weshalb nicht?
Waldmüller: Aufgrund der Beschlusslage, aufgrund der Intention, die die AfD tatsächlich hat. Was ist passiert in Penzlin? In Penzlin hat man eine Zählgemeinschaft gegründet mit der AfD, die mehr oder weniger aus der Not heraus geboren wurde. Das kann ich jetzt im Nachgang sagen. Es ist keine Koalition. Es ist keine Fraktion. Es ist eine Zählgemeinschaft für einen Tag gewesen, für diese konstituierende Sitzung, wo es um die Sitze in den Gremien geht. Es gibt weiterhin keine weitere Zusammenarbeit mit der AfD.
Heckmann: Keine weitere Zusammenarbeit, aber es gibt eine Zusammenarbeit, es gab eine Zusammenarbeit, oder sie wird fortgesetzt. Dadurch, auf die Art und Weise, dass durch diese Zählgemeinschaft sowohl der CDU als auch der AfD zusätzliche Sitze in den Ausschüssen zugeschustert wurden. Was ist das anderes als Zusammenarbeit?
Waldmüller: Vor Ort hat man das nicht als Zusammenarbeit gesehen. Es ist ja ein Beschluss gefasst worden in der Gemeinde, den alle Parteien und Wählergruppen gemeinsam gefasst haben. Das ist in der Gemeindevertretung von allen gefasst worden.
Heckmann: Pardon, wenn ich einhake, Herr Waldmüller. Wie sehen Sie es denn? Ist es denn eine Zusammenarbeit, oder ist es keine Zusammenarbeit? Gerade eben haben Sie gesagt, es wäre keine Zusammenarbeit.
Waldmüller: Ich sehe es auf gar keinen Fall als Zusammenarbeit, weil unmissverständlich auch gemacht wurde, dass man keine Zusammenarbeit mit der AfD hat. Es war ein Zweckbündnis aus der Not heraus, weil keine anderen Bündnisse zur Verfügung standen und auch gegen die CDU aufgetreten waren.
Ich will das jetzt nicht beschönigen. Ich habe ja gesagt, ich hätte davon abgeraten. Aber es ist eben vor Ort passiert – allerdings nicht unter dem Aspekt, eine künftige Zusammenarbeit anzustreben, sondern ein Notbündnis für diesen einen Tag. Regional ticken die Uhren manchmal ein wenig anders, aber man muss sich bekennen, was man nicht kann. Zusammenarbeit ist Tabu, ist überhaupt keine Frage, aber Ausgrenzung auch.
Beschluss der Gemeindevertreter
Heckmann: Wenn Sie sagen, Herr Waldmüller, Sie hätten nicht zugeraten im Vorfeld, kann man daraus dann schließen, dass Sie jetzt zuraten würden, diese Zusammenarbeit wieder zurückzudrehen?
Waldmüller: Das werden Sie nicht können, weil die Beschlüsse in der Stadtvertretung sind gefasst worden. Es gibt auch keine weitere Zusammenarbeit dort.
Heckmann: Und ein Beschluss, der gefasst worden ist, der kann nicht wieder rückgängig gemacht werden, meinen Sie?
Waldmüller: Nur, wenn die gesamte Stadtvertretung und wenn alle Gemeindevertreter, die ja alle da zugestimmt haben über alle Parteien hinweg, wenn die sich einig werden und der Wille da wäre bei allen, das zurückzudrehen. Das, denke ich mal, wird nicht der Fall sein.
Waldmüller: "Ausgrenzen ist nicht möglich"
Heckmann: Müssten Sie nicht dafür sorgen oder zumindest appellieren, das zu versuchen, gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Beschlusslage in Ihrer Partei?
Waldmüller: Wir sprechen selbstverständlich mit vor Ort. Wir können appellieren. Wir können aber nicht anweisen, weil die Beschlusslage in der Tat da ist und vor Ort eben auch dann der Wille dazu da sein muss.
Lassen Sie mich einen Satz sagen. Ich finde das Ganze ein wenig - erlauben Sie, dass ich es so sage - ein bisschen ganz hochgezogen. Zusammenarbeit ist nicht möglich, aber Ausgrenzen ist auch nicht möglich. Die AfD ist von den Wählern gewählt und diese haben Erwartungen in die AfD. Wenn Sie sie nicht als Märtyrer dastehen lassen, indem dass Sie sie ausgrenzen, müssen Sie deren Wählern auch zeigen, welcher Kern hinter der Fassade steckt, und das geht nur mit einer sachlichen und direkten Auseinandersetzung. Das ist der Unterschied zur Zusammenarbeit.
Heckmann: Das ist ja der Unterschied zur Zusammenarbeit, und genau das liegt ja ganz offensichtlich vor. Mario Röse, der Fraktionsvorsitzende der CDU in Penzlin, der hat gesagt, wir sind Kommunalpolitiker, wir grenzen niemanden aus, der über 350 Stimmen gewonnen hat. Aber ist das nicht der Sinn des Parteibeschlusses von Montag gewesen, nämlich eine klare Abgrenzung zur AfD?
Waldmüller: Das ist eine klare Abgrenzung, wenn Sie sich mit der AfD sachlich auseinandersetzen und den wahren Kern zeigen. Das machen wir im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ganz genauso. Wir sind auch ein gewähltes Gremium und wir setzen uns mit denen sachlich auseinander, um zu zeigen, dass sie nicht die Heilsbringer, nicht die Problemlöser sind, sondern dass sie einfach nur Populisten sind. Genau das ist mit Auseinandersetzung gemeint und das muss man auch tun. Ansonsten wird man die Wähler der AfD nicht in die anderen Parteien zurückholen können.
Peinlicher Fehler auf der Penzlin-Homepage
Heckmann: Und dabei nimmt man ganz gerne die Stimme der AfD noch mit hinein, um sich selber weitere Sitze in Ausschüssen zuzuschanzen?
Waldmüller: Nein! Das habe ich eingangs gesagt. Das macht man nicht. Das ist vor Ort so passiert. Wir sind nicht gefragt worden. Wir hätten auch davon abgeraten. Das ist kein Normalfall. Es ist aber dort passiert.
Heckmann: Was sagen Sie denn dazu, dass auf der Homepage des Ortes unter Fraktionsvorsitzender Mario Röse bis Montag noch zu lesen war, dass er der Fraktionsvorsitzende von CDU/AfD gewesen ist?
Waldmüller: Das ist mehr als unsäglich. Das kann ich Ihnen so sagen. Da können Sie auch in der Verwaltung anrufen. Das ist ein Fehler der Verwaltung, der mittlerweile, meine ich, korrigiert worden ist. Das ist keine Intention der CDU gewesen, sondern ein Fehler im Schreiben der Verwaltung.
Heckmann: Das heißt, damit hat die CDU überhaupt nichts zu tun?
Waldmüller: Nein, beim besten Willen! Da rufen Sie bitte in der Verwaltung an, fragen da nach. Das haben die falsch gemacht.
Heckmann: Okay. Die Verantwortung sehen Sie da bei der Verwaltung.
Waldmüller: Es gibt keine Fraktion, es gibt keine Koalition und es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD. Auf gar keinen Fall!
Debatte um Koalition mit der AfD
Heckmann: Herr Waldmüller, zwei stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU in Sachsen-Anhalt haben dieser Tage eine Denkschrift veröffentlicht, in der sie eine Koalition mit der AfD nicht ausschließen. Und sie haben zusätzlich noch geschrieben, man müsse das Nationale und das Soziale miteinander versöhnen. Hat die CDU ein Problem mit NS-Gedankengut in ihren eigenen Reihen?
Waldmüller: Das ist harter Tobak. Ich kann das, was unsere Kollegen dort in einem anderen Bundesland machen, momentan überhaupt nicht nachvollziehen. Ich schließe aus, dass wir NS-Gedankengut innerhalb der CDU haben. Im Gegenteil: Wir bekämpfen das.
In den neuen Bundesländern ist die AfD in den Kommunalwahlen sehr stark geworden und man versucht jetzt, mit aller Kraft Mittel zu finden, wie man die AfD stellen kann. Eine Zusammenarbeit, egal in welchem Bundesland, egal wo, in ganz Deutschland würde ich persönlich und auch die CDU grundsätzlich ablehnen. Ich bleibe dabei. Aber bitte nicht ausgrenzen, sondern sie stellen. Wir müssen zeigen, was sie für Kinder sind, was sich hinter der Fassade verbirgt. Das müssen wir jeden Tag deutlich machen. Vielleicht ist uns das noch nicht richtig gelungen bei der Bevölkerung, aber das ist die Aufgabe - nicht Ausgrenzen und schon gar keine Zusammenarbeit.
Heckmann: Was sagen Sie denn zu dem Zitat, man müsse das Nationale und Soziale miteinander versöhnen?
Waldmüller: Das Zitat, das kenne ich jetzt nicht.
Heckmann: Sehen Sie es denn auch so?
Waldmüller: Nein, nein – Um Gottes willen!
Heckmann: Sie distanzieren sich davon. Die CDU-Führung und Annegret Kramp-Karrenbauer, die zieht ja eine Linie aus der Hetze aus den Reihen der AfD bis hin zum Mord an Walter Lübcke. Wie würden Sie das sagen? Hat man da recht, oder reagiert man da über?
Waldmüller: Ich glaube, dass das Ganze momentan auch sehr emotional hochgekocht ist. Ich glaube, man tut gut daran, wenn man diesen Mordfall, den es dort gibt, wenn man den aufklärt und die wahren Täter und die Hintergründe dort möglichst sauber ermittelt, bevor man sich frühzeitig dort mit Äußerungen oder Mutmaßungen gibt. Das halten wir, glaube ich, immer so in einem Rechtsstaat, dass grundsätzlich erst immer noch die Unschuldsvermutung gilt, und erst, wenn die Sache aufgeklärt ist, man auch Rückschlüsse ziehen kann. Ich würde da nicht voreilig reagieren.
Heckmann: Sehen Sie denn eine Verantwortung der AfD für die Vergiftung des politischen Klimas, wie es am Montag die CDU-Führung beschlossen hat?
Waldmüller: Es ist schon so, wenn Sie in die Wahlkämpfe gehen, wo die AfD aktiv geworden ist. Ich habe das ja selbst erlebt. Da haben Sie ja keinen normalen Wahlkampf. Das ist große Polemik. Sie gebären sich als Problemlöser für die Bevölkerung, haben selber überhaupt kein Konzept für gar nichts, haben eine Sprache, die mitunter auch rechte Gedanken mit drin hat. Sie reagieren mit Hass und vor allen Dingen mit Häme und so treten sie auch auf. Da würde ich beipflichten, dass sie auch das Klima oder überhaupt die Kultur in der Öffentlichkeit da durchaus vergiftet haben. Ja, da stimme ich zu.
Heckmann: Und dadurch auch einen Mord an Walter Lübcke beispielsweise möglich gemacht haben, mit möglich gemacht haben?
Waldmüller: Soweit gehe ich nicht. Da bleibe ich bei meiner Aussage: Erst aufklären, dann Schlüsse ziehen.
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