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CDU-Aschermittwoch in Demmin
Nächste Chance für Annegret Kramp-Karrenbauer

In der vergangenen Woche sorgte Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihren umstrittenen Äußerungen über Toiletten für Intersexuelle während einer Fastnachtsveranstaltung für Kritik. Mit Spannung wird jetzt ihre nächster Auftritt erwartet: ihre Aschermittwochsrede im mecklenburgischen Demmin.

Von Stephan Detjen |
Die Bundesvorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, steht vor dem Narrengericht und hält einen Plastikknochen in der Hand.
2018 hielt noch Angela Merkel die Aschermittwochsrede im mecklenburgischen Demin. Jetzt tritt die neue CDU-Vorsitzende AKK in ihre Fußstapfen. (picture alliance/Patrick Seeger/dpa)
"Das Gericht befindet die Beklagte im ersten Klagepunkt für eindeutig schuldig im Sinne der Anklage."
Der Schuldspruch des Stockacher Narrengerichts vor einer Woche war nur die erste Instanz. Da war das Urteil noch als karnevalistischer Scherz gemeint.
Seitdem Herzog Albrecht "der Weise" ihnen 1351 das Privileg eines närrischen Gerichts zugestand, laden sich die Stockacher alljährlich prominente Politiker als Angeklagte in ihre Gemeinde oberhalb des Bodensees. Annegret Kramp-Karrenbauer hatte schon geahnt, dass ihr Auftritt in diesem Jahr zu einer humoristischen Gratwanderung werden könnte.
"Und außerdem ist Stockach für Politiker wahrlich ein gefährliches Pflaster."
Kramp-Karrenbaue ist eine routinierte Büttenrednerin
Dabei ist Kramp-Karrenbauer eine routinierte Büttenrednerin.
"Nee, nee, nee, jetzt weiß ich, wer mir den ganzen Schlamassel eingebrockt hat."
Daheim im Saarland gibt sie seit zehn Jahren im Karneval die Putzfrau Gretel, die mit Eimer und Wischmopp im Landratsamt reinmacht.
"Also eigentlich haben die mich gefragt, ob ich mal kurz nach Berlin kommen könnt. Als Jamaika da in Trümmern gelegen hat."
In diesem Jahr steht Putzfrau Gretel vor größeren Aufgaben im Berliner Adenauer-Haus.
"Und da habe ich gesagt, gut, geh ich mal kurz hin, einmal kurz unter den Teppich gekehrt, und dann ist gut. Ja und?"
Eine Woche nach der jüngsten Putzfrauen-Nummer im Saarland also sitzt Kramp-Karrenbauer letzte Woche in Stockach auf der Anklagebank des "Grobgünstigen Narrengerichts.
"Deutschland und die CDU im Würgegriff einer verschworenen feministischen Weibertruppe - in der sie neben der Merkel den Ton angibt."
Kramp-Karrenbauer lässt sich auf das Spiel mit den Geschlechterrollen ein und frotzelt gegen das rein männliche besetzte Gericht zurück:
"Also lasst die Frauen an die Macht! Lasst uns mal machen!"
Die alten Herren von der Stockacher Karnevalsgesellschaft, Trump und Putin – alle Männer, die mächtig sind oder glauben es zu sein, kriegen ihr Fett weg. Auch die starken Kerle aus dem Andenpakt in der CDU, die im letzten Jahr ihren alten Buddy Friedrich Merz an die Spitze der Partei bringen wollten:
"Man weiß nicht, was schlimmer ist: dass sie es versuchen, oder dass sie jedes Mal an einer Frau scheitern."
Dann folgt jene Passage, über die in den letzten Tagen die breite Öffentlichkeit zu Gericht saß. Selbst müsse die Frau sein, verteidigt sich Kramp-Karrenbauer als Beklagte im Narrenspiel.
"Natürlich ist die Frau selbst, weil sie es sein muss: guckt Euch doch mal die Männer von heute an."
Jetzt knüpft sie sich die einstigen Machos vor, die sich auf einmal zahm geben, wenn die alte Muskelrolle nicht mehr zieht. Markus Söder wird in dieser Kategorie durch den Kakao gezogen - und:
"Da seht ihr doch die Latte-Macchiato-Fraktion. Die die Toiletten für das dritte Geschlecht einführen wollen. Das ist für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen. Dafür, dazwischen ist diese Toilette."
Zwischen närrischem Humor und schalen Witzen
War das nun der Absturz auf dem schmalen Grat zwischen närrischem Humor und schalen Witzen auf Kosten von Minderheiten? Im Zusammenhang der Rede jedenfalls wird klar, dass die Lacher wohl eher auf Kosten der einstmals starken Männer in der CDU gehen sollten.
Heute Abend steht Kramp-Karrenbauer auf dem nächsten rhetorischen Teststand. In mecklenburgischen Demmin tritt sie in die Fußstapfen Angela Merkels, die dort seit Anfang der 2000er-Jahre ihre Aschermittwochsreden hielt. Während andernorts zum Ende des Karnevals noch mal richtig auf den Putz gehauen wird, hat Merkel die Aschermittwochsbühne zur weitgehend humorfreien Zone gemacht:
"Es ist nicht die Zeit für mit dem Kopf durch die Wand, sondern es ist die Zeit für Vernunft und Verstand"
Zweite Chance für AKK
"Lasch" sei der Auftritt der Kanzlerin gewesen, titelte vor einem Jahr die "Bild-Zeitung" am nächsten Tag und sah darin ein Vorzeichen des nahenden Abgangs. Nach dem Schuldspruch von Stockach hat Annegret Kramp-Karrenbauer heute in Demmin die zweite Chance, das rechte Maß von Witz und politisch korrektem Kampfgeist neu zu definieren.