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CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt
Tötung des iranischen Generals "war ein Fehler"

Mit der gezielten Tötung des iranischen Al-Kuds-Kommandanten sei US-Präsident Donald Trump höchstens kurzfristig innenpolitisch geholfen, sagte der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt im Dlf. Um einen regionalen Flächenbrand zu verhindern, brauche es jetzt eine Wiederaufnahme der Atomgespräche mit Iran.

Jürgen Hardt im Gespräch mit Christoph Heinemann |
Iraner protestieren nach der Tötung von General Ghassem Soleimani in Teheran.
Iraner protestieren nach der Tötung von General Ghassem Soleimani in Teheran. (AFP/ Atta Kenare )
Christoph Heinemann: Am Telefon ist Jürgen Hardt, CDU, der außenpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Wahlkreis Solingen – Remscheid – Wuppertal, guten Tag!
Jürgen Hardt: Guten Tag!
Heinemann: Mit welchen Folgen muss jetzt gerechnet werden?
Hardt: Ich glaube, dass der amerikanische Präsident diese Entscheidung zur Tötung dieses Generals getroffen hat, weil er sich davon vor allem auch innenpolitisch in Amerika ein starkes Signal erwartet. Ich fürchte allerdings, dass es letztlich doch eher dazu führt, dass sich die Reihen im Iran hinter der Führung wieder schließen – stärker als das in den letzten Wochen und Monaten vielleicht zu sehen war – und dass wir leider tatsächlich befürchten müssen, dass die Gewalt weitergeht und dass wir möglicherweise asymmetrische Angriffe zum Beispiel der Hisbollah auf Amerikaner oder ihre Verbündete in der nächsten Zeit erleben. Und das wäre sehr schlecht.
"Hisbollah hat bereits Vergeltung angekündigt"
Heinemann: Wo und wie?
Hardt: Die Hisbollah hat ja bereits angekündigt, sie würde Vergeltung üben. Hisbollah ist ja ein Teil dieses internationalen Netzwerkes, mit dem der Iran militärisch, quasi militärisch Unruhe stiftet in der Region und darüber hinaus. Ich glaube, dass wir alle zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen sind, insbesondere natürlich der Amerikaner und dort, wo amerikanische Botschaften in der Region angesiedelt sind. Ich glaube, dass der amerikanische Präsident nach dieser Entscheidung nun seinerseits auch einen Schritt unternehmen sollte, den Gesprächsfaden zum Iran wieder aufzunehmen und vielleicht auch neue Gespräche anzubieten und sich dafür die Rückendeckung anderer im UN-Sicherheitsrat zu holen, zum Beispiel auch Russlands, damit die Gewaltspirale durchbrochen werden kann, und dass vielleicht aus diesem Ereignis doch am Ende noch etwas Neues, Gutes entstehen könnte.
Heinemann: Halten Sie Donald Trump für in der Lage dazu?
Hardt: Ich glaube, dass der amerikanische Präsident in jeder Hinsicht die Möglichkeiten hatte, sowohl militärisch zu agieren, wie er das ja offensichtlich getan hat, als auch diplomatisch zu agieren, und wenn Amerika tatsächlich bereit wäre zurückzukehren an den Verhandlungstisch mit dem Iran und auf der Basis des gemeinsamen Interesses der Sicherung von Frieden und Stabilität in der Region voranzugehen, dass der amerikanische Präsident damit zumindest die Sympathien der übrigen Welt hätte und letztlich der Iran auch an einem solchen Angebot nicht vorbei könnte. Ich sehe das letztlich als die einzige Möglichkeit an, und wir Deutschen, genau wie die anderen europäischen Partner im Sicherheitsrat, sollten Amerika ermutigen, jetzt nach dieser Militäraktion doch klar auch ein Signal der Gesprächsbereitschaft nach Teheran zu senden.
Vorlage für Anti-Amerikanismus in der Region
Heinemann: Ist allerdings im Moment nicht erkennbar. Die Regierungen in Bagdad und Damaskus haben den Raketenangriff scharf verurteilt – entwickeln sich jetzt lokale Konflikte zu einem regionalen Flächenbrand?
Hardt: Ich hoffe das nicht. Ich glaube auch, dass man natürlich, wenn man die Person dieses Generals betrachtet und das, was er in den letzten Wochen und Monaten auch persönlich offensichtlich zu verantworten hat an Zerstörung und Verderben in der Region, dass man so was auch rechtfertigen kann. Die Frage ist, ob das politisch klug ist, eine solche Aktion durchzuführen, die ja neue Nahrung bietet für alle diejenigen, die den Anti-Amerikanismus und den Anti-Israelismus dann in der Region befördern wollen, dass man ihnen sozusagen eine solche Vorlage gibt, ihre entsprechenden Narrative weiterzuverbreiten. Das ist, glaube ich, eine politische Folge, die der amerikanische Präsident nicht ausreichend bedacht hat, denn er hat ja nicht die Informationshoheit in der Region, sondern das, was jetzt aus diesem Ereignis gemacht wird, bestimmen die Gegner Amerikas im Iran, im Irak, aber auch in anderen Ländern der Region. Und das ist nachteilig für Amerika, und deswegen glaube ich, war der Schlag ein Fehler.
Heinemann: Sie sprachen gerade eben von persönlicher Verantwortung. Welche Rolle spielt der Iran im Irak?
Hardt: Der Iran ist ein massiver Unterstützer der Kräfte, die versuchen, den Irak zu destabilisieren. Das ist ja ein Land, das in einer schwierigen Lage ist. Die unterschiedlichen religiösen Gruppen haben noch keinen Weg gefunden, wirklich das Land gemeinsam und stabil voranzubringen. Der Iran ist auch in anderen Teilen der Region einer der Förderer des Bürgerkriegs im Jemen durch Waffenlieferungen an die Aufständischem im Jemen. Im Kampf gegen die legitime jemenitische Regierung hat ja dieser Konflikt im Jemen seine zentrale Nahrung. Dann haben wir die Situation im Libanon, wo die Hisbollah sogar mit in der Regierung sitzt und über ein enormes Waffenarsenal verfügt, ein Raketenarsenal, das Richtung Israel gerichtet ist. Und wir haben die Unterstützung des Diktators Assad in Syrien gegen sein Volk durch den Iran. Der Iran versucht, sich als Großmacht zumindest in der Region zu etablieren und sich als die eigentliche Schutzmacht des Islam in der Region darzustellen, und er schreckt auch nicht vor militärischer Gewalt zurück. Es gibt eben militärische Strukturen dieses Landes, die ganz klar aggressiv nach außen gerichtet sind, und das ist das, was letztlich neben der Frage der atomaren Bewaffnung des Iran im Zentrum der Friedensbemühungen stehen muss. Und das muss am Verhandlungstisch besprochen und gelöst werden, das ist nicht militärisch in den Griff zu kriegen.
Jetzt Atom-Verhandlungen mit Iran wieder aufnehmen
Heinemann: Was genau bedeutet die Tötung des Generals absehbar für die iranische Atomwaffenpolitik?
Hardt: Ich glaube, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt wieder sehr weit davon entfernt sind, zurückzukehren zum Einhalten des Atomabkommens mit dem Iran, das ja vom Iran mittlerweile auch aufgekündigt worden ist. Wir sehen ja auch ganz konkrete Bestrebungen des Iran bei den Mitteln, die man braucht, um eine Bombe zu bauen, die Grenzen, die das Abkommen gesetzt hat, zu überschreiten. Wir als Europäer – Deutsche, Franzosen und Engländer, die drei Europäer im Rahmen des Verhandlungsteams zum JCPoA (Joint Comprehensive Plan of Action on Iran) –, wir treten dafür ein, jetzt die Verhandlungen wieder aufzunehmen und das Abkommen am Leben zu erhalten. Ich fürchte, dass das nur dann gelingen kann, wenn der amerikanische Präsident seinerseits signalisiert, dass er zu einer Weiterverhandlung dieses Abkommens und zur Verhandlung eines besseren Abkommens bereit ist. Das wäre jetzt vielleicht tatsächlich der Schritt, den wir von ihm dringend erwarten müssten, um aus der Situation rauszukommen und um zu vermeiden, dass in der Region jetzt ein Flächenbrand entsteht.
Heinemann: Wie beeinflusst der Präsidentschaftswahlkampf Donald Trumps Iranpolitik?
Hardt: Ich glaube, dass bei den eigenen Anhängern des amerikanischen Präsidenten in den Vereinigten Staaten von Amerika dieses Signal der Vergeltung gegenüber diesem General und damit gegenüber der Aggressivität des Iran in den übrigen Ländern der Region positiv bewertet wird, weil er auch gut erklären kann, welche Verantwortung dieser General zum einen für diese Konflikte in der Region trägt. Ich glaube allerdings, dass es in Amerika in weiten Teilen der Bevölkerung keine wirklich zielführende Debatte jetzt darüber gibt, was die Konsequenzen aus einer solchen Aktion sind. Es ist eine vorübergehende Stärkung des Präsidenten in dem Sinne, dass man an seine Stärke glaubt und auch sieht, dass er Dinge tut, die Amerika in der Welt stark aussehen lassen, ob es mittel- und langfristig tatsächlich den Sicherheitsinteressen und dem Frieden des Landes dient, das bezweifle ich. Es ist leider eben auch zu befürchten, dass mögliche Vergeltungsaktionen dann eben auch im Zusammenhang mit diesem Angriff auf diesen General bewertet werden und dass im Ergebnis dann möglicherweise auch in Amerika der eine oder andere zunehmend darüber nachdenkt, ob diese Art von Außenpolitik im Mittleren Osten wirklich erfolgreich ist, aber kurzfristig glaube ich, dass die Popularität des Präsidenten durch diese Maßnahme steigen wird. Und vielleicht war das auch einer der Gründe, warum er diesen Schlag jetzt unternommen hat, denn wir befinden uns in Amerika im Vorwahlkampf zu den Präsidentschaftswahlen Ende des Jahres.
UN-Untersuchung würde an Russlands und Chinas Veto scheitern
Heinemann: Herr Hardt, dem Raketenangriff vorausgegangen war der Angriff auf die US-Botschaft in Bagdad, die die US-Regierung dem Iran in die Schuhe geschoben hat. Sevim Dagdelen, die Außenpolitikerin der Linkspartei, hat gestern bei uns im Deutschlandfunk Folgendes gesagt:
Sevim Dagdelen: Ich finde, man braucht jetzt unbedingt eine Deeskalation im Irak. Das würde mit bedeuten, dass man beispielsweise auch eine internationale Untersuchungskommission unter der Führung der UNO zur Urheberschaft dieses Angriffes auf die US-Militärbasis im Irak auf die Schiene setzt, was ja der Anfang sozusagen dieser ganzen Eskalation war.
Heinemann: Wäre eine solche Untersuchung ein erster Schritt zur Deeskalation?
Hardt: Auch wir werden im Bundestag sicherlich in der übernächsten Woche, erste Sitzungswoche diesen Jahres, die Frage diskutieren, auch möglicherweise unter Hinzuziehung von Geheimdienstquellen, wie wir die Situation in Bagdad zu bewerten haben. Ich halte den Vorschlag von Frau Dagdelen allerdings doch für sehr euphemistisch, denn letztlich wird natürlich der UN-Sicherheitsrat nicht zu einer wirklichen Untersuchungsentscheidung in der Region kommen können, weil dort zum Beispiel Russland und China sicherlich das nicht akzeptieren werden, dass hier eine letztlich gegen den Iran gerichtete Untersuchung eingeleitet wird. Wie überhaupt das Dilemma des amerikanischen Präsidenten und seiner Strategie des massiven Drucks auf den Iran darunter leidet, dass eben nicht – anders als bei der JCPoA – eben nicht die Unterstützung Russlands und Chinas im Sicherheitsrat hat. Russland und China würden niemals hinnehmen, dass der Iran faktisch politisch vor den Vereinigten Staaten von Amerika kapituliert, sie würden immer den Iran insofern stützen und schützen, dass die Integrität dieses Landes ungefährdet bleibt. Und solange es dem amerikanischen Präsidenten nicht gelingt, wie das damals seinem Vorgänger Obama gelungen ist, im Rahmen der JCPoA alle fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates hinter ein solches Projekt zu vereinen, wird es zu keinem Erfolg führen. Und ich fürchte auch, der Versuch einer internationalen UN-Untersuchung über die Situation um die amerikanische Botschaft in Bagdad wird genau an diesem Punkt scheitern.
Bundeswehr-Trainingsmission "aus irakischer Sicht sehr wichtig"
Heinemann: Die Bundeswehr bildet im Irak Sicherheitskräfte aus – was bedeutet die neue Lage für diesen Einsatz?
Hardt: Ich glaube, dass wir diesen sehr wichtigen, auch aus irakischer Sicht sehr wichtigen Einsatz fortsetzen sollten. Allerdings wird er selbstverständlich regelmäßig daraufhin überprüft, ob er sinnvoll ist und ob auch der ausreichende Schutz unserer Soldaten gewährleistet ist. Ich gehe davon aus, dass gerade in diesen Tagen das Verteidigungsministerium und das Außenministerium sehr sorgfältig prüfen, wie die Sicherheitslage unserer Soldaten, die ja dort Ausbildung für irakische Streitkräfte betreiben, zu bewerten ist, und ich verlasse mich darauf, dass diese Überprüfung mit großer Sorgfalt erfolgt. Auch das werden wir sicherlich in der übernächsten Woche im Deutschen Bundestag im Ausschuss für Auswärtiges besprechen müssen. Ich sehe allerdings grundsätzlich einen großen Gewinn darin, dass wir die irakische Regierung darin unterstützen, selbst Herr der Situation im Lande zu werden und dafür eben auch Sicherheitskräfte auszubilden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.