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CDU-Bundesparteitag
"Die Kanzlerfrage ist zu klären, wenn sie ansteht"

Für den CDU-Politiker Bernhard Vogel ist aktuell nicht der richtige Zeitpunkt, um über Kanzlerkandidaten der Union zu debattieren. Er gehe davon aus, dass die Regierung bis 2021 weiterarbeite, sagte er im Dlf. Bis dahin sei noch genügend Zeit. Vogel sprach sich diesbezüglich auch gegen eine Urwahl aus.

Bernhard Vogel im Gespräch mit Stephanie Rohde |
Bernhard Vogel (CDU), ehemaliger Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen, gestikuliert während eines Gesprächs im Wohnzimmer seines Hauses.
Bernhard Vogel (CDU) war viele Jahre Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen (dpa / picture alliance / Uwe Anspach)
Stephanie Rohde: Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat also auf dem Parteitag in Leipzig zumindest rhetorisch die Machtfrage gestellt. Ihr größter Rivale, Friedrich Merz, versicherte ihr die Loyalität. Die Frage der Kanzlerkandidatur hält er sich weiter offen. Darüber kann ich jetzt sprechen mit dem CDU-Politiker Bernhard Vogel, der langjährige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen war. Guten Abend!
Bernhard Vogel: Guten Abend, Frau Rohde!
Rohde: Hat AKK heute ihre Macht gesichert oder ihre Ohnmacht überspielt?
Vogel: Also sie hat eine hervorragende Rede gehalten, und der Parteitag ist ihr deutlich über die ganze Zeit gefolgt. Es war eine Bestätigung auch für mich, dass ich vor einem Jahr die richtige Persönlichkeit zur Parteivorsitzenden gewählt habe.
Rohde: Aber heißt das, dass AKK tatsächlich die unterschwelligen Personaldebatten jetzt beerdigt hat?
Vogel: Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die ganze Partei will, dass über Sachfragen geredet wird und nicht zur Unzeit über Personalfragen, zumal uns ja die Sozialdemokraten leider vormachen, dass das ablenkt von der Erledigung von Aufgaben. Wir dürfen das den Sozialdemokraten nicht nachmachen, sondern wir müssen hoffen, dass auch die Sozialdemokratie bald die Personaldebatte beendet und sich auf die Lösung der Aufgaben konzentriert, die sich ja in großer Fülle tagtäglich stellen.
"Wir werden rechtzeitig die Kandidaturenfrage entscheiden"
Rohde: Aber kann sich Ihre Partei sich tatsächlich auf die inhaltlichen Fragen konzentrieren, solange die Kanzlerfrage nicht abschließend geklärt ist?
Vogel: Die Kanzlerfrage ist zu klären, wenn sie ansteht. Wir sind des Willens, dass die Regierung bis 2021 weiterarbeitet, und wir werden davor rechtzeitig die Kandidaturenfrage für die nächsten Bundestagswahlen entscheiden, aber doch nicht jetzt, wo die Wahlen noch gar nicht anstehen.
CDU-Parteitag / Aufstand gegen Kramp-Karrenbauer abgesagtAnnegret Kramp-Karrenbauer habe mit ihrer Rede auf dem CDU-Parteitag demonstriert, dass sie von ungebrochenem Führungswillen angetrieben sei, kommentiert Stephan Detjen im Dlf.
Rohde: Das heißt, Sie nehmen Friedrich Merz auch ab, dass er sagt, wir sind loyal zu unserer Vorsitzenden?
Vogel: Ich nehme zunächst Herrn Merz ab, dass er sich loyal verhalten will. Er hat eine durchaus qualifizierte, relativ kurze Rede gehalten, aber nicht eine große Herausforderung in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellt. Davon konnte keine Rede sein.
Rohde: Aber Friedrich Merz hat ja gesagt, es gibt keine endgültige Entscheidung auf diesem Parteitag, wir sind am Anfang des Prozesses, also nicht am Ende, wir wollen im nächsten Jahr darüber debattieren. Das heißt, er hält sich da doch ganz bewusst die Frage offen.
Vogel: Ja, er bringt sich aber auf den gleichen Nenner, jetzt ist keinerlei Grund für eine Personaldebatte, sie wird geführt werden, wenn sie ansteht, und dafür hat nach dem heutigen Parteitag ganz eindeutig Frau Kramp-Karrenbauer das erste Wort.
Rohde: Das heißt aber, dieses Loyalitätsversprechen von Friedrich Merz, das hat ein Mindesthaltbarkeitsdatum, nämlich das nächste Jahr.
Vogel: Na ja, Loyalität muss man nicht versprechen. Das ist ganz nützlich, wenn man das tut, aber Loyalität muss man praktizieren. Seine Einlassung gegenüber der Arbeit der Bundeskanzlerin war ja nun nicht gerade von extremer Loyalität ausgezeichnet.
Rohde: Aber das heißt, Sie gehen davon aus, dass diese Loyalität im nächsten Jahr vermutlich nicht mehr besteht.
Vogel: Sie wird doch im Moment gar nicht eingefordert. Jetzt lassen Sie doch erst die Diskussion kommen und lassen sie erst entscheiden, wann wir eine Entscheidung zu treffen haben. Dann werden wir sie wie jedes Mal, auch in der Vergangenheit – ich war an dem Entstehen von sechs CDU-Kanzlerkandidaturen beteiligt –, dann werden wir sie zur richtigen Zeit auch treffen und hoffentlich auch richtig treffen.
"Es wäre jetzt an der Zeit, nicht mit den Hufen zu scharren"
Rohde: Was würden Sie eigentlich sagen, schadet oder nutzt ein mit den Hufen scharrender Friedrich Merz der CDU?
Vogel: Es wäre jetzt an der Zeit, nicht mit den Hufen zu scharren, sondern mitzuwirken, dass wir nicht Reparaturbetrieb sind, sondern dass wir Zukunftswerkstatt sind, wie Frau Karrenbauer ganz treffend heute formuliert hat.
CDU-Wahlplakat mit AFD beschmiert Ein Auto fährt auf der Straße am Ortseingang des kleinen Ortes Weickersdorf bei Bischofswerda in Sachsen wo ein großes CDU-Wahlplakat zur Landtagswahl am 01.09.2019 auf dem Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident des Freistaat Sachsen zusehen und der Text Stärkste Kraft für Sachsen und Beide Stimmen mit AFD von unbekannten beschmiert ist. Dahinter ist eine marode Bushaltestelle die gesperrt wurde. Weickersdorf Sachsen Deutschland *** CDU election poster smeared with AFD A car drives on the street at the entrance of the small town of Weickersdorf near Bischofswerda in Saxony where a large CDU election poster for the state election on 01 09 2019 on the Michael Kretschmer CDU , Prime Minister of the Free State of Saxony and the text Strongest Power for Saxony and Both Voices is smeared with AFD by
Richtungsstreit in der CDU / Gespalten in der AfD-Frage
Der Richtungsstreit in der CDU spielt sich auch auf Landesebene ab. Ein Knackpunkt in den Ost-Landesverbänden ist das Verhältnis zur AfD: Soll man mit den Rechten ein Bündnis schmieden?
Rohde: Und was kann Friedrich Merz dazu beitragen? Er hat in seiner Rede unter anderem gesagt, wir müssen den Klimawandel mit der Marktwirtschaft angehen und nicht gegen die Marktwirtschaft. Was hat er konkret vor, wissen Sie das?
Vogel: Also diesem Satz wird doch kein Mensch widersprechen. Der Satz ist richtig –,
Rohde: Genau deshalb, der ist so allgemein. Was bedeutet das?
Vogel: – unabhängig davon, ob ihn Frau Frau Karrenbauer oder ob ihn Herr Merz sagt. Ein richtiger Satz kann von jedem gesagt werden.
Rohde: Nein, aber meine Frage ist, wofür steht Merz da eigentlich? Er hat noch mal an seine Bierdeckel-Idee von früher erinnert, aber wofür steht der heute?
Vogel: Also er hat zunächst ja deutlich gemacht, dass er zur Mitarbeit bereit ist. Das ist bei einem Mann, der seit vielen Jahren sich nicht mehr für die Partei engagiert hat, kein Amt innegehabt hat, keinen Wahlkampf geführt hat, eine durchaus positive Aussage. Bei dieser Aussage sollte man es jetzt belassen, zumal es ja nicht nur Frau Kramp-Karrenbauer und Herr Merz, sondern noch eine ganze Reihe anderer qualifizierter Leute an der Spitze der CDU gibt.
Rohde: Das heißt aber, von Friedrich Merz erwarten Sie inhaltlich eigentlich nichts.
Vogel: Nein, von ihm erwarte ich Loyalität und Beiträge, wie er sie leisten möchte. Warum soll er nicht über die Rolle der Wirtschaft in der Zukunft sprechen? Das ist doch sehr nützlich, für ihn und für uns.
Rohde: Dann schauen wir auf Annegret Kramp-Karrenbauer, die Parteivorsitzende. Sie haben eben gesagt, das war die richtige Entscheidung, diese Frau zu wählen. Man muss aber auch sagen, sie hat Wahlverluste mit zu verantworten in Ostdeutschland, sie ist immer wieder aufgefallen durch ungeschickte Wortmeldungen, und sie hat desaströse Umfragewerte. Mehr als zwei Drittel der Wählerinnen und Wähler der Union finden, dass AKK nicht die richtige Person an der Spitze der CDU ist. Inwiefern profitiert die CDU von AKK?
Vogel: Also zunächst geht es ja nicht um den Profit, sondern um einen klaren Führungsauftrag, den diese Partei Frau Karrenbauer vor einem Jahr erteilt hat. Ich rate dringend davon ab, das mit den jeweils aktuellen Umfragewerten, die sich ja bekanntlich sehr schnell ändern, in Verbindung zu bringen. Im Übrigen, die zurückliegenden drei Wahlen in drei neuen Ländern haben ja überraschenderweise zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Die CDU hat in einem Land 35 Prozent und im anderen nur 15 Prozent in Brandenburg bekommen. Die SPD hat 25 Prozent in Brandenburg und nur 8 Prozent in Thüringen bekommen. Das heißt, alle drei Wahlen sind sehr viel mehr von den jeweiligen Ministerpräsidenten bestimmt worden als von den Leitungen der Parteien in Berlin.
Rohde: Ja, aber trotzdem hat eine Parteivorsitzende mitzuverantworten, wenn man beispielsweise in Thüringen elf Prozent verliert. Das kann man ja nicht wegreden.
Vogel: Ja, natürlich hat sie es mitzuverantworten, aber die Thüringer haben es auch zu verantworten, und wir alle haben es mitzuverantworten, nicht nur die Parteivorsitzende. Wo kommen wir denn hin, wenn wir die Parteivorsitzende an jeweils eines von 16 Landtagswahlen knüpfen, das ist doch keine konstruktive Führung, der es doch vor allem um die Lösung von Problemen gehen muss und nicht um Personalfragen. Im Übrigen glaube ich, dass auch die Öffentlichkeit wesentlich weniger an Personaldiskussion als an Sachkompetenz interessiert ist.
Rohde: Und genau danach frage ich. Also von welcher Sachkompetenz von AKK profitiert die CDU gerade?
Vogel: Beispielsweise durch ihre Aussagen, die sie als Verteidigungsminister in den letzten Monaten gemacht und heute zum Teil auch wiederholt hat.
"Für mich kommt eine Urwahl in dieser Frage auf keinen Fall infrage"
Rohde: Zum Beispiel?
Vogel: Zum Beispiel, dass Deutschland eine Verantwortung auch für die Sicherheit außerhalb Deutschlands hat und dass sie nachdrücklich dafür plädiert hat, dass die Verteidigungsaufwendungen angesichts der vielfältigen Bedrohungen, wie langfristig ja zugesagt, von Deutschland tatsächlich erbracht werden.
Rohde: Dann schauen wir noch ganz kurz noch in die Zukunft. Finden Sie, dass es eine Urwahl geben sollte über die künftige Kanzlerkandidatur? Das würde ja einer CDU gut stehen, die jetzt offen und kontrovers debattieren möchte, oder?
Vogel: Also erstens kann von einer Urwahl nur reden, wer nicht bedenkt, dass der Kanzlerkandidat oder die Kanzlerkandidatin von der CDU und der CSU gemeinsam aufgestellt werden muss. Das kann man nicht durch die Urwahl in einer der beiden Parteien entscheiden. Also schon deswegen kommt für mich eine Urwahl in dieser Frage auf keinen Fall infrage. Ich halte es aber auch darüber hinaus, wie ja das Beispiel SPD leider zeigt, für schädlich, weil es Fronten aufreißt und nicht Divergenzen beseitigt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.