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CDU-Chef in Thüringen
Mike Mohring erstmal ausgebremst

Der CDU-Landesvorsitzende Mike Mohring wollte Ministerpräsident von Thüringen werden. Das hat nicht geklappt. Nun hat ihn sein Landesverband mit nur 66 Prozent als Fraktionsvorsitzenden bestätigt. Noch hat sich keiner gefunden, der Mohring ablösen kann und will.

Von Henry Bernhard |
Die Laufbahn von Mike Mohring in Thürigens CDU ist von Erfolgen und zuletzt vor allem von Niederlagen geprägt.
Die Laufbahn von Mike Mohring in Thürigens CDU ist von Erfolgen und zuletzt vor allem von Niederlagen geprägt. (dpa/Michael Reichel)
Es waren große Momente für Mike Mohring: Wenn die schwere Tür der gepanzerten Limousine zufiel, der angereiste prominente Politiker sich die Jacke zuknöpfte, und er, Mohring, im Blitzlichtgitter auf diesen zuschreiten konnte. Neben Angela Merkel, Markus Söder, Sebastian Kurz sonnte er sich, der Vorsitzende eines kleinen CDU-Landesverbandes. Es war Mohring anzusehen, dass er, die ewige junge Hoffnung der Thüringer CDU, sich darauf freute, solche Auftritte dereinst auch als Ministerpräsident absolvieren zu dürfen.
Mohring wollte Ministerpräsident werden
In der Kulisse von Tausenden jubelnden Gästen zum Fraktionsempfang in der Erfurter Messehalle, durch die er mit seinem jeweiligen Ehrengast schritt, zu Musik, die dem Stapellauf eines Flugzeugträgers angemessen wäre, konnte er gewiss sein, dass er einen blendend aussehenden, sehr begabten Politiker abgab, dem seine große Zukunft im kleinen Thüringen noch bevorstand.
"Lieber Mike Mohring, ich freue mich, heute bei euch und bei Ihnen zu Gast sein zu dürfen."
"Zuerst einmal muss ich ein Lob ausbringen, muss ich ehrlich sagen: Ich habe ja schon viele CDU-Veranstaltungen erlebt, die natürlich alle toll waren! Aber die Veranstaltung von der Art der Anmutung her ist sensationell organisiert!"
"Ich darf vorweg schon alles, alles Gute wünschen für den Landtagswahlkampf nächstes Jahr. Aber wenn ich mir die vollen Räumlichkeiten so ansehe, da bin ich da voller Hoffnung."
"Und ich muss auch sagen: Die Anmutung, das ist höchstens vergleichbar mit den Wahlkämpfen, die wir Macron erlebt haben. Lieber Mike …"
Thüringens CDU-Chef sah sich vor Jahren auf der Zielgeraden
Die Reden des "lieben Mike" gerieten immer etwas steifer als die der Gäste, denn die hatten die Lockerheit der Macht, aber: "Wir haben gelernt und sind gereift in dieser Zeit der Opposition, um zu wissen: Was sind unsere Aufgaben für den Freistaat Thüringen."
Mohring sah sich auf der Zielgeraden. Er hatte Ruhe in Partei und Fraktion gebracht, alte Widersacher vergrault oder eingebunden.
"Zunächst stelle ich fest, dass alle Umfragen sagen, dass Rot-Rot-Grün abgewählt wird und keine Mehrheit mehr hat. Die Linke hat bei Europawahl und Kommunalwahl im Mai 2019 massiv verloren. Und da haben auch alle Prognosen gesagt: Sie liegt stabil über 20. Und ich glaube: Das wird sich wiederholen!"
Mohring sah das Ziel zum Greifen nahe. Eigentlich sollte er es schon seit mindestens fünf Jahren Ministerpräsident sein. Er war schon vor zehn Jahren der Kronprinz vom damaligen Ministerpräsidenten Dieter Althaus, er sollte ihn im Amt beerben.
Doch dann kam Althaus‘ Skiunfall 2009, die schlechte Kommunikation danach, der massive Einbruch der CDU bei der Landtagswahl. Althaus floh aus der Staatskanzlei, und Mohrings Konkurrentin Christine Lieberknecht war schneller und raffinierter, sicherte sich die Plätze an Partei- und Landesspitze.
Vor fünf Jahren dann, als die SPD sich letztlich gegen die CDU und für eine Koalition mit Linken und Grünen entschied, sah Mohring seine Chance erneut verwirkt. Als die rot-rot-grünen Koalitionsverhandlungen begannen, versuchte er, das Ruder noch einmal rumzureißen, um den Machtverlust der CDU nach 24 Jahren Herrschaft zu verhindern – wenn es sein musste, auch mit den Stimmen der AfD. Mohrings Fraktionsgeschäftsführer Volker Emde sagte damals:
"Also, die Mehrheit kann ja nur so zustande kommen, dass die Union mit ihren 34 Abgeordneten geschlossen steht, und auch die AfD zu dem Wort steht, das in der Öffentlichkeit gegeben wurde, eben einen Herrn Ramelow nicht zu wählen und den CDU-Kandidaten zu unterstützen."
Nach Siegen folgten Niederlagen
AfD-Landeschef Björn Höcke nannte Mohring damals einen "jungen Stürmer" und war bereit, ihn zu stützen. Mohring spekulierte auf die Unterstützung von rechts - gegen die Parteilinie der CDU. Das beschädigte seinen Ruf und kostete ihn den Sitz im Bundesvorstand der Partei – aber nur für wenige Tage. Dann wurde Mohring mit 90 Prozent der Stimmen zum Nachfolger Christine Lieberknechts zum Thüringer CDU-Vorsitzenden gewählt. Und wollte von den AfD-Gesprächen nichts mehr wissen.
"Jetzt fangen Sie schon wieder mit dem Thema an! Sie haben mich gerade gefragt, was ich Richtung Berlin sage! Und ich sage nur: Viele Grüße nach Berlin – willkommen zurück im Bundesvorstand nach vier Tagen!"
Die Wochenzeitung "Die Zeit" portraitierte Mohring damals als Spieler, als Zocker, als skrupellosen Machtpolitiker. Mohring gefiel’s. Die fünf Jahre als Oppositionsführer gegen Rot-Rot-Grün saß er ungeduldig ab, wartete auf seine Stunde. Besiegte den Krebs, der ihn zwischendurch sichtbar zeichnete. Um dann am Abend des 27. Oktober fassungslos vor den Mikrofonen zu stehen: Knapp 22 Prozent für die CDU, nur noch drittstärkste Kraft hinter Linken und AfD.
Mohring, der immer behauptet, mehrere Schritte voraus zu denken, hatte keinen Plan – für ein Wahlergebnis, wie es die Meinungsumfragen vorhergesehen hatten.
"Wir sind auf so eine Situation – niemand in diesem demokratischen Thüringen auf so eine Situation vorbereitet. Das kann auch gar nicht sein, weil es bisher so nie vorgekommen ist. Und da hat auch keiner ein Rezept in der Schublade liegen, weil das bisher unvorstellbar war. Die Wähler wollten ja offensichtlich, dass die üblichen Modelle ohne Mehrheit sind und sich was Neues findet."
"Erst das Land, dann die Partei, dann die Person"
Täglich gibt es seitdem neue Vorstöße, mit wem die CDU koalieren oder zusammenarbeiten könnte: Mit der AfD, mit der Linken, mit SPD, Grünen und FDP. Die Thüringer CDU wirkt in den letzten 10 Tagen zerrissen, führungsschwach, unglaubwürdig. Von "Chaostagen" ist parteiintern die Rede.
Mit immer wieder neuen Winkelzügen versucht Mohring, Wege zu finden, Ministerpräsident zu werden. Dabei muss er aufpassen, dass ihm die verbliebene Macht nicht völlig entgleitet. Die 66 Prozent bei der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden an diesem Mittwoch sind für ihn ein Desaster.
"Bin mit einem ehrlichen Ergebnis gewählt worden. Angesichts der Stimmungslage in der Partei auch ein ziemlich plausibles Ergebnis."
Noch hat sich keiner gefunden, der Mohring ablösen kann und will. In den kommenden Wochen kann er beweisen, dass er es ernst meint, was er mantra-artig wiederholt: "Erst das Land, dann die Partei, dann die Person".