Bundestagswahl 2025
CDU/CSU: Harter Kurs in der Migrationspolitik und Streit um die Brandmauer

Die Union will in Deutschland nach der Bundestagswahl einen Politikwechsel herbeiführen. In den Umfragen liegen die Schwesterparteien CDU und CSU vorn – obwohl gemeinsame Abstimmungen mit der AfD im Bundestag Massenproteste ausgelöst haben.

    Friedrich Merz steht bei einer Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus mit ernstem Blick am Mikrofon vor einem türkisen Hintergrund mit dem Logo der CDU.
    CDU-Chef Friedrich Merz will als Bundeskanzler die nächste Regierung anführen. (picture alliance / Flashpic / Jens Krick)
    Nach dem Scheitern der Ampelregierung wählen die Bundesbürger am 23. Februar einen neuen Bundestag. Die Union liegt in den Umfragen seit Monaten vorn. Daran hat auch der Umstand nichts geändert, dass CDU und CSU Ende Januar erstmals mit den Stimmen der AfD einen Antrag im Bundestag durchgebracht haben. Dass der Fünf-Punkte-Plan zur Migrationspolitik nur mit den Stimmen der in Teilen rechtsextremen Partei eine Mehrheit erreichte, löste jedoch bundesweit Kritik und Massendemonstrationen aus.
    Was die Union im Falle eines Wahlsiegs plant, darüber gibt ihr Wahlprogramm Antworten, das die Spitzen von CDU und CSU im Dezember vorgestellt haben. Das Papier mit dem Titel „Politikwechsel für Deutschland“ setzt auf ein straff konservatives und stark wirtschaftsliberales Profil. Das heißt unter anderem: umfangreiche Steuererleichterungen für Bürger und Unternehmen sowie eine deutliche Verschärfung der Migrationspolitik. Zudem hat die Union auf ihrem Wahlparteitag am 3. Februar ein "Sofortprogramm für Wohlstand und Sicherheit" beschlossen.
    Realistische Koalitionsoptionen sind bisher kaum ersichtlich. Zudem stehen CDU und CSU vor Herausforderungen, junge Wählerinnen und Wähler für sich zu gewinnen. Nach den gemeinsamen Abstimmungen mit der AfD sind zudem Zweifel gewachsen, ob die Union die „Brandmauer“ nach rechts tatsächlich aufrechterhalten wird. Ein Überblick.

    Inhalt

    Welche Inhalte prägen den Wahlkampf der Union?

    Die Union hat ihr gemeinsames Wahlprogramm für die vorgezogene Bundestagswahl im Dezember beschlossen, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Vertrauensfrage im Bundestag gestellt und verloren hatte. CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz und der CSU-Vorsitzende Markus Söder stellten es gemeinsam in Berlin vor.

    Harter Kurs in der Migrationspolitik

    Das knapp 80-seitige Papier unter dem Titel „Politikwechsel für Deutschland“ skizziert einen harten Kurs in der Migrationspolitik, der auch Zurückweisungen an den deutschen Grenzen einschließt. Humanitäre Aufnahmen  sollen auf ein Maß beschränkt werden, „das die Möglichkeiten Deutschlands nicht länger überfordert“. Auf europäischer Ebene will die Union erreichen, dass Asylverfahren in „sicheren Drittstaaten“ durchgeführt werden und Antragsteller bei positiven Entscheidungen auch dort Schutz finden.
    Spätestens seit dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg im Januar dominiert die Migrations- und Asylpolitik den Wahlkampf der Union. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz kündigte einen radikalen Kurswechsel an. Am 29. Januar brachte die Unionsfraktion einen Fünf-Punkte-Plan zur Migrationspolitik in den Bundestag ein. Darin fordern CSU und CDU dauerhafte Grenzkontrollen an allen deutschen Grenzen, die Zurückweisung aller Personen ohne gültige Einreisedokumente und die Inhaftierung von ausreisepflichtigen Personen. Der Entschließungsantrag erhielt eine Mehrheit – mit den Stimmen von FDP und der in Teilen rechtsextremen AfD.
    Zwei Tage später nahm Merz erneut eine Mehrheit mithilfe der AfD in Kauf. Doch das von der Union im Bundestag eingebrachte „Zustrombegrenzungsgesetz“, das unter anderem den Familiennachzug von subsidiär Schutzbedürftigen abschaffen soll, scheiterte. Mehrere Abgeordnete von Union und FDP blieben der Abstimmung fern, enthielten sich oder stimmten dagegen.

    Steuererleichterungen für Bürger und Unternehmen

    Zweites Kernthema der Union ist die Wirtschaftspolitik. Das Programm sieht milliardenschwere Steuererleichterungen für Bürger und Unternehmen vor. Sie betreffen unter anderem die Stromsteuer, die Umsatzsteuer in der Gastronomie oder Überstundenzuschläge.
    An den Vorhaben der Union wurde vielfach kritisiert, die Entlastungen seien nicht gegenfinanziert. Merz und Söder widersprachen und verwiesen darauf, dass die Gegenfinanzierung aus einem höheren Wirtschaftswachstum und Einsparungen etwa beim „Bürgergeld“ und bei Flüchtlingen kommen soll. Denn: CDU und CSU wollen das „Bürgergeld“ durch eine „Neue Grundsicherung“ mit verschärften Sanktionsmöglichkeiten ersetzen.

    Wehrpflicht einführen, Selbstbestimmungsgesetz abschaffen

    Außerdem wollen CDU und CSU laut ihrem Wahlprogramm im Falle eines Wahlsiegs eine Wehrpflicht einführen und die Ukraine weiter unterstützen - auch mit Waffen. Merz hatte sich unter anderem mehrfach für die in der deutschen Politik umstrittene Lieferung von „Taurus“-Marschflugkörpern an die Ukraine ausgesprochen.
    Die Union will das Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen, das erst am 1. November 2024 in Kraft getreten ist. Es erleichtert die Änderung des Geschlechtseintrags und Vornamens. Die Parteien verweisen auf den Kinder- und Jugendschutz. Gleiches gilt für die teilweise Legalisierung von Cannabis. Um Jugendliche vor Drogenkonsum zu schützen, soll das Cannabisgesetz der Ampelregierung wieder abgeschafft werden.

    Wie gut kann Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz damit punkten?

    Auch wenn der Unions-Kanzlerkandidat mit seinem Vorstoß zur Migrationspolitik im Januar bundesweit Kritik hervorgerufen und Massendemonstrationen verursacht hat – bei der eigenen Wählerschaft scheint das Friedrich Merz nicht geschadet zu haben.
    Laut aktueller Umfragen wünschen sich 33 Prozent der Befragten Merz als nächsten Bundeskanzler. Damit führt der CDU-Chef die Beliebtheitsliste der Spitzenkandidaten und  -kandidatinnen an. Im Politbarometer des ZDF bescheinigen 27 Prozent der Befragten Merz die größte Sachkompetenz – auch hier liegt der CDU-Politiker auf Platz eins.
    Anders sieht es jedoch bei den Sympathiepunkten aus: Hier liegt Merz im Kandidatenvergleich mit nur 12 Prozent auf dem letzten Platz – gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz und noch hinter AfD-Kandidatin Alice Weidel, die auf 14 Prozent kommt. Mit Abstand am sympathischsten für die Wählerinnen und Wähler ist Robert Habeck mit 38 Prozent. Dem Spitzenkandidaten der Grünen schreiben die Befragten auch die größte Glaubwürdigkeit zu.
    Merz gilt als guter Redner, aber auch als impulsiv. Er ist bereits mehrfach wegen populistischer Äußerungen in die Kritik geraten. Von seiner Partei wird er deswegen als Politiker verkauft, der nicht gestanzt, sondern wie ein Mensch spricht.
    Regierungserfahrung bringt Friedrich Merz keine mit. Von 2000 bis 2002 stand er an der Spitze der Unionsfraktion im Bundestag - und seit 2022 führt er sie erneut an. Merz hat gelernt, wie man mit der Partei umgeht und sie eint. Koalitionsverhandlungen hat er allerdings noch nie geführt. Als bisheriger Oppositionsführer müsste er sich dafür wohl umstellen.

    Mit welchen Problemen kämpft die Union vor der Bundestagswahl?

    Die Bundestagsanträge zur Migrationspolitik und die gemeinsamen Abstimmungen mit der AfD haben massive Kritik aus unterschiedlichen Richtungen hervorgerufen. Das Vorgehen der Union wurde von mehreren Seiten als Tabubruch bezeichnet. Denn bisher galt unter den demokratischen Parteien der Konsens, keine Mehrheiten mit einer Partei wie der AfD zu suchen, die in Teilen vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird. CDU-Chef Merz hatte selbst noch kurz zuvor beteuert, Mehrheiten nur mit Parteien der Mitte suchen zu wollen. Dass er sich über diesen Grundsatz hinweggesetzt hat, wird von Kritikern als Wortbruch aufgefasst.
    Es folgten teils heftige Reaktionen. Der Holocaust-Überlebende Albrecht Weinberg gab nach den Abstimmungen im Bundestag sein Bundesverdienstkreuz zurück. Der jüdische Publizist Michel Friedman trat als Reaktion auf den Schritt der Union aus der CDU aus. Bundesweit gingen hunderttausende Menschen auf die Straße und protestierten gegen den Rechtsruck und eine Zusammenarbeit mit der AfD.
    Kritik kommt auch aus der Zivilgesellschaft. Über 140 Verbände haben an die Union appelliert, für eine „menschenrechtliche Brandmauer“ einzustehen. Kunst- und Kulturschaffende wendeten sich in einem offenen Brief gegen das Vorgehen von CDU und CSU. Und auch die Kirchen äußerten teils scharfe Kritik. Selbst Altkanzlerin Angela Merkel meldete sich zu Wort und bezeichnete Merz‘ Vorgehen als „falsch“.
    Auch wenn die Union in den Umfragen weiter vorn liegt, durch die Debatte um die Brandmauer und eine mögliche Zusammenarbeit mit der AfD haben CDU und CSU bei vielen Menschen Vertrauen verspielt und die Gräben in der Gesellschaft beim Thema Migration sind noch tiefer geworden. Damit dürfte die Verständigung über politische Lager hinweg nach der Bundestagswahl noch einmal deutlich komplizierter geworden sein.

    Wie könnte es für die Union nach der Bundestagswahl weitergehen?

    Mit Blick auf die Wahlumfragen hat die Union von allen Parteien die größten Chancen, die nächste Bundesregierung anzuführen. Doch für eine absolute Mehrheit wird es aller Voraussicht nach nicht reichen – und die Suche nach Koalitionspartnern könnte kompliziert werden.
    Einerseits haben CDU-Chef Merz und CSU-Chef Markus Söder immer wieder deutlich gemacht, dass sie einen „Gegenentwurf zur Ampel“ anbieten wollen. Damit gehen sie auf Konfrontationskurs zu den möglichen Koalitionspartnern SPD und Grüne in einer nächsten Regierung.
    Andererseits könnten die unterschiedlichen Positionen der demokratischen Parteien in der Migrationspolitik aufeinanderprallen. Wenn die Union hier weiter mit Maximalforderungen auftritt und sich nicht kompromissbereit zeigt, könnten mögliche Bündnisse mit der SPD oder den Grünen scheitern.
    Doch auch die Mehrheitsverhältnisse nach der Bundestagswahl könnten eine Herausforderung für die nächste Bundesregierung darstellen: Denn noch ist völlig unklar, ob die Union nach der Wahl mit der SPD oder mit den Grünen eine Mehrheit bilden kann. Falls nicht, wäre eine Koalition aus drei Parteien erforderlich.
    Die FDP, die häufig als „natürlicher Koalitionspartner“ der Union genannt wird, muss noch um den Einzug in den Bundestag bangen. Und selbst, wenn die Liberalen die Fünf-Prozent-Hürde überwinden, bräuchte ein mögliches schwarz-gelbes Bündnis einen weiteren Koalitionspartner. Nach dem Zerbrechen der Ampelregierung scheint es jedoch unwahrscheinlich, dass sich Grüne oder SPD erneut auf eine Zusammenarbeit mit der FDP unter Christian Lindner einlassen würden.
    Eine klare Mehrheit kann die Union den Umfragen zufolge nur mit einer anderen Partei bilden: der AfD. Unions-Kanzlerkandidat Merz schließt eine Koalition mit der in Teilen rechtsextremen Partei allerdings weiter kategorisch aus.

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