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CDU/CSU im Asylstreit
"Vorteile für die Landtagswahl nicht allzu ausgeprägt"

Der Politologe Uwe Jun sieht hinter dem unionsinternen Machtkampf um Deutschlands Asylpolitik bayerische Wahlkampfinteressen der CSU am Werk. Ein substanzieller Nutzen etwa für die im Oktober anstehende Landtagswahl sei aber bislang nicht erkennbar, sagte er im Dlf.

Uwe Jun im Gespräch mit Manfred Götzke |
    Der Politikwissenschaftler Uwe Jun sitzt in Trier an seinem Schreibtisch in seinem Büro.
    Der Politikwissenschaftler Uwe Jun in seinem Büro an der Uni Trier (dpa-Bildfunk / Birgit Reichert)
    Kalkül der CSU sei, durch eine radikale asylpolitische Linie Wähler von der AfD in Bayern zurückzugewinnen. Allerdings sei das "ein Spiel mit vielen Unbekannten, von dem man derzeit nicht richtig sehen kann, dass es der CSU erheblich nützen würde", sagte der Politikwissenschaftler von der Universität Trier.
    Die CSU gefährde bei Fortsetzung ihres Kurses auch "den Gestaltungsanspruch, in der Bundespolitik mitzuwirken, der ja immer wichtig war, auch für die Franz-Josef-Strauß-CSU".
    Ohne Rücksicht auf Koalition und Schwesterpartei könne man zwar im Wahlkampf radikaler auftreten. Wähler von der AfD zurückzugewinnen, sei aber "gar nicht so leicht für die CSU", sagte Jun. Die AfD könne den Diskurs immer weiter eskalieren. "Und ob der Wähler der CSU das dann abnimmt, in den letzten drei Monaten vor der bayerischen Landtagswahl, das steht auch dahin."
    Für Merkels Kanzlerschaft eher kein Risiko
    Angela Merkel als Bundeskanzlerin sieht Jun durch einen etwaigen Koalitionsaustritt der CSU nicht gefährdet: "Ich sehe bei einem Ausscheiden der CSU aus der Regierung kaum ein Ausscheiden von Angela Merkel."
    Spekulationen um eine Kenia-Koalition mit SPD und Grünen seien denkbar: "Sicherlich wäre zwischen der CDU und den Grünen ausreichend Gemeinsamkeiten, um eine solche Konstellation auf den Weg zu bringen" - allerdings nicht ohne "klare politische Angebote an die Grünen", meint Jun.
    EU-weite Tendenz zur "nationalen Perspektive"
    In Europa sei Merkel unter Druck, sagte Jun. Außer dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron habe sie "mit ihrer Position nicht allzu viele neben sich". Migrationspolitisch scheine eine nationale Perspektive in vielen Ländern Europas die Oberhand zu gewinnen.
    Die Kanzlerin habe jedoch in der Vergangenheit gezeigt, dass sie die Möglichkeiten von Kompromiss und Konsens gut kenne und durchaus ihre Politik verändern könne. Ein Scheitern einer EU-Bemühung könne daher auch eine Veränderung der deutschen Politik bewirken.
    Schaden fürs Ansehen der Politik
    Jun meint, der Streit schade dem Ansehen der Politik und des ganzen politischen Systems: "Da ist eine neu gewählte Bundesregierung im Amt und diese kann sich eben auf bestimmte zentrale politische Inhalte nicht verständigen." Und der Wähler könnte zu Recht erwarten, "dass die politisch Handlungen zu Entscheidungen gelangen", auch mittels Kompromiss und Konsens.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.