Dirk-Oliver Heckmann: 18 Jahre lang war Angela Merkel Bundesvorsitzende der Christdemokraten. Doch diese Ära wird morgen unwiderruflich zu Ende gehen, denn nach ihrer Verzichtserklärung nach der Hessen-Wahl wird morgen ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gewählt. Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbauer, Jens Spahn – das sind die aussichtsreichen Kandidaten. Heute kommen Vorstand, Präsidium und die Delegierten bereits zu Vorbereitungen zusammen.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat derweil heftige Kritik an Wolfgang Schäuble geübt. Mit seiner Wahlempfehlung für Friedrich Merz habe er den Damm gebrochen. Und Altmaier sprach sich seinerseits für Kramp-Karrenbauer aus.
Am Telefon begrüße ich jetzt Ralph Brinkhaus von der CDU. Er ist Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion. Schönen guten Morgen, Herr Brinkhaus.
Ralph Brinkhaus: Schönen guten Morgen!
Heckmann: Herr Brinkhaus, Sie haben sich ja bisher zurückgehalten. Einen Tag vor der Wahl – wissen Sie, wem Sie Ihre Stimme geben werden?
Brinkhaus: Ich werde mich auch weiterhin öffentlich zurückhalten, und das ist auch gut so, weil ich nämlich glaube, dass die Delegierten jeder für sich seine eigene Entscheidung treffen wird und nicht darauf hören werden, wer was vorher sagt.
Heckmann: Aber trauen Sie das den Delegierten nicht zu, eine eigene Entscheidung zu treffen, wenn Sie Ihren Favoriten nennen?
Brinkhaus: Ich bin Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und das ist eine Parteiangelegenheit, und vor dem Hintergrund werde ich schön neutral bleiben.
Heckmann: Und das gehört aus Ihrer Sicht nicht zur Demokratie auch dazu, dass man erkennbar macht, wofür man steht?
Brinkhaus: Ich mache politisch-inhaltlich schon sehr, sehr erkennbar, für was ich stehe. Aber ansonsten halte ich mich aus der Sache raus.
Heckmann: Und was halten Sie davon, dass andere das nicht so sehen? Wolfgang Schäuble zum Beispiel als immerhin Bundestagspräsident, der hat sich ja eindeutig für Friedrich Merz ausgesprochen.
Brinkhaus: Ja, da trifft jeder seine eigene Entscheidung, wie er damit umgeht. Da habe ich auch großen Respekt vor. Bei mir bleibt es dabei: Ich bleibe da neutral, bis ich dann mein Kreuz mache.
"Wir haben ein tolles Verfahren gehabt"
Heckmann: Wirtschaftsminister Peter Altmaier ist da weniger gelassen. Der hat in der "Rheinischen Post" gesagt, er habe sich bisher zurückgehalten. Jetzt aber sei der Damm gebrochen. Er hat heftige Kritik an Wolfgang Schäuble geübt. Sie sehen dazu keinen Anlass?
Brinkhaus: Nein. Wie gesagt, ich bleibe da gelassen. Wir hatten ein tolles Verfahren gehabt, was die Partei unglaublich aktiviert hat. Ich merke das nicht nur auf den Regionalkonferenzen, die wir ja alle irgendwo per Livestream, wenn wir selbst nicht da waren, verfolgt haben, sondern auch in vielen Gesprächen mit Parteimitgliedern vor Ort im Wahlkreis. Die sind begeistert, die diskutieren sehr viel, die diskutieren sehr, sehr fair. So ist das eigentlich auch im Großen und Ganzen jetzt in dem Wettbewerb zwischen den drei Kandidaten abgelaufen. Ich habe mal gesagt, Herr Knigge wäre mit uns zufrieden gewesen, und das stimmt auch. Wenn wir diesen Geist dann auch nach morgen haben, wenn denn dann ein neuer Parteivorsitzender gewählt worden ist, oder eine neue Parteivorsitzende, dann ist das gut für die Partei.
"Ich arbeite ganz hervorragend mit Angela Merkel zusammen"
Heckmann: Ihnen wird ja trotzdem eine Nähe zu Friedrich Merz nachgesagt, von dem einen oder anderen zumindest. Nach Medienberichten sollen Sie gemeinsam mit Schäuble, Merz und anderen die Ablösung von Volker Kauder betrieben haben und vorbesprochen haben. Jetzt der Rücktritt von Angela Merkel als Parteichefin. Beobachter sagen, das Ganze sei ein Plan, um Merkel auch als Kanzlerin abzuschieben. Was ist da dran?
Brinkhaus: Meine Kandidatur zum Fraktionsvorsitz habe ich als erstes mit der Bundeskanzlerin und dann mit Volker Kauder besprochen. Ich habe das mit niemand anderem vorbesprochen, die ganze Sache. Insofern gibt es da sicherlich einige Verschwörungstheorien, die da durch die Medien geistern, die aber auch nicht richtig sind. Insofern war das auch überhaupt keine Angelegenheit, meine Kandidatur, die sich gegen Angela Merkel richtet. Ich arbeite im Gegenteil ganz hervorragend mit ihr zusammen. Es ging darum, dass die Fraktion frischen Wind brauchte, dass wir einige Sachen anders machen wollten, bei großem Respekt vor meinem Vorgänger übrigens. Volker Kauder und ich hatten auch ein sehr, sehr faires Verfahren, ein sehr offenes Verfahren, ohne Verletzungen. Und ich hoffe mal, dass das jetzt auch beim Parteivorsitz so weitergeht.
"Die Legislaturperiode zu einem ordentlichen Ende führen"
Heckmann: Und Sie denken, dass Angela Merkel bis zum Ende der Legislaturperiode Kanzlerin bleibt? Oder wird es zu Neuwahlen kommen, je nachdem wie die Wahl morgen ausgeht?
Brinkhaus: Na ja, das ist zumindest der Plan, dass die Legislaturperiode zu einem ordentlichen Ende geführt wird. Wir sind 2017 bis 2021 gewählt worden mit Angela Merkel als Spitzenkandidatin und insofern haben wir einen Wählerauftrag, auch als größte Partei, als größte Fraktion im Deutschen Bundestag. Und ich denke mal, es macht keinen Sinn, die Wählerinnen und Wähler so lange wählen zu lassen, bis es in irgendeiner Art und Weise uns als Politiker passt.
Heckmann: Was die Kandidaten angeht, wollen Sie sich öffentlich nicht festlegen. Das haben Sie deutlich gemacht. Dann reden wir doch mal ein bisschen über die Inhalte, die in dem Verfahren eine Rolle gespielt haben, schlage ich vor.
Brinkhaus: Gerne!
"Nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen"
Heckmann: Fangen wir vielleicht mal bei Friedrich Merz an. Der hat zwischenzeitlich das Asylrecht in Frage gestellt. Zumindest kam das so in der Öffentlichkeit an. Sich selbst hat er als Millionär und Privatjet-Besitzer zum gehobenen Mittelstand gezählt und mal hat er für eine europäische Arbeitslosenversicherung plädiert und dann wieder dagegen. Ist so jemand der Richtige für die CDU?
Brinkhaus: Na ja, ich denke, man muss da nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, was da im Laufe einer langen Kampagne auch ausgesprochen wird. Das mit dem Asyl hat er dann ja auch sofort wieder relativiert. Insofern sollten wir diejenigen, die da jetzt kandidieren, nicht unbedingt an jedem Wort messen, was da gekommen ist, sondern an dem, was sie vorhaben, und da haben alle drei ihre unterschiedlichen Pläne, wie sie die Partei aber am Ende des Tages auch zusammenhalten wollen. Das finde ich eigentlich ganz klasse, dass keiner von den dreien sagt, ich möchte polarisieren oder ich möchte die Partei irgendwo nach links oder nach rechts verschieben, sondern jeder sagt im Grunde genommen, mir ist klar, ich muss die Partei zusammenhalten. Die Partei muss dazu beitragen, dass das Land zusammengehalten wird. Das ist schon mal eine gute Ausgangsbasis und deswegen ist mir nicht bange, wer da jetzt gewinnen wird. Ich werde mit allen dreien gut zusammenarbeiten.
Heckmann: Aber Sie würden tatsächlich sagen, dass man die Kandidaten und die Kandidatin nicht beim Wort nehmen soll?
Brinkhaus: Beim Wort nehmen schon. Aber wissen Sie, dann machen Sie in einem Interview in einem Halbsatz vielleicht einmal eine unbedachte Bemerkung, und Sie haben alle Schlagzeilen. Das kenne ich ja auch selbst. Insofern, denke ich mal, sind die langen Linien entscheidend, und bei den langen Linien ist das so, dass wir drei sehr, sehr respektable Kandidaten haben. Ich glaube, andere Parteien würden uns darum beneiden, in einer ähnlichen Situation zu sein. Das ist gut für uns, das ist gut für die Demokratie und im Übrigen auch die Bürgerinnen und Bürger im Land. Die freut das auch. Wenn ich mit Leuten spreche, die nicht in der Partei sind, die sagen: Mensch, wie geht das denn aus und wie wird das weitergehen. Und das ist eigentlich eine positive Frage, die da gestellt wird.
Heckmann: Bei uns im Deutschlandfunk hat Friedrich Merz am Sonntag die These aufgestellt, die CDU habe den Aufstieg der AfD mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen. Ihr Parteikollege Christian von Stetten hat ihm dafür in der ARD die Schulnote vier gegeben. Welche Note geben Sie ihm dafür, oder ist das auch eine von diesen unbedachten Äußerungen?
Brinkhaus: Ich bin nicht in der Position, dass ich irgendjemandem Schulnoten gebe, und ich bin auch nicht der Meinung, dass wir uns daran ausrichten sollten, was andere Parteien machen und wie groß andere Parteien sind, sondern wir müssen unser eigenes Ding machen und müssen unsere eigenen Vorschläge machen, und das ist genau das, was in den nächsten Jahren erfolgen muss. Insofern ist das eine Geschichte, die sollte man auch nicht überbewerten.
"Die Wählerinnen und Wähler wollen wir zurück haben"
Heckmann: Nicht überbewerten. Aber wie ist denn Ihre Haltung dazu? Hat die CDU den Aufstieg der AfD mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen?
Brinkhaus: Wir haben immer versucht, unser eigenes Ding zu machen und auch unsere eigene Linie durchzuziehen. Jetzt ist es so, dass eine neue Partei da auch entsprechend in den Deutschen Bundestag hineingekommen ist. Da gehen wir auch mit um, indem wir Fakten liefern, indem wir versuchen, die Diskussion zu führen. Das ist zugegebener Weise nicht immer einfach mit der neuen Partei, die da in den Bundestag gekommen ist. Aber uns geht es auch nicht um die Partei, sondern uns geht es um die Wählerinnen und Wähler. Die Wählerinnen und Wähler, die wollen wir zurück haben, die von uns weggegangen sind.
Heckmann: Keine klare Antwort auf meine Frage, oder?
Brinkhaus: Inwiefern keine klare Antwort auf Ihre Frage?
Heckmann: War das ein Achselzucken oder nicht?
Brinkhaus: Das habe ich ja erklärt, dass wir uns mit der ganzen Sache intensiv beschäftigen, aber nicht, indem wir uns damit beschäftigen, was machen andere Parteien, sondern indem wir uns damit beschäftigen, was wir besser machen können. – Aber wissen Sie, Herr Heckmann, das ist ja jetzt auch wieder interessant. Wenn Sie sich mal den Tenor dann entsprechend auch anschauen, den Sie jetzt versuchen, da reinzubringen; Sie versuchen, mich ja irgendwie so ein bisschen zu locken, dass ich was Negatives über einen Kandidaten sage.
Heckmann: Nee, nee! Ich stelle Fragen.
Brinkhaus: Und das ist genau die Geschichte. Wir sollten da doch eigentlich positiv nach vorne schauen, weil jeder Kandidat hat gute Eigenschaften. Wir sollten nicht einen Negativ-Wettbewerb machen, wer hat denn jetzt mal was Falsches gesagt, sondern wir sollten nach vorne schauen und wir sollten schauen, was möchten denn die Kandidaten nach vorne hin bringen.
Heckmann: Eben! Das tun wir!
Brinkhaus: Ich glaube mal, das ist das, was die Menschen an der Politik irgendwo und auch an der medialen Darstellung so ein bisschen leid sind, dass immer nur geguckt wird, der hat jetzt wieder einen Fehler gemacht, der hat das was Unbedachtes gesagt. Aber das ist doch eigentlich eine Geschichte …
"Am Ende des Tages immer zusammenstehen"
Heckmann: Na ja. Herr Brinkhaus! Es ist ja schon wichtig, welche Themen nach vorne geschoben werden. Jens Spahn hat eine Debatte über den UNO-Migrationspakt gefordert. Die wird es jetzt auch geben. Merz habe ich schon erwähnt, der hat eine Debatte über das Asylrecht angemahnt. Ist die CDU in die Falle getappt, sich vor allem um die Flüchtlingspolitik zu kreisen? Ist das Ganze nicht wieder ein Konjunkturprogramm für die AfD gewesen?
Brinkhaus: Wir haben ja auch in der Bundestagsfraktion sehr intensiv über diesen Migrationspakt diskutiert, übrigens auch sehr, sehr kontrovers diskutiert. Wir haben danach aber wieder zusammengefunden und haben gesagt, wir machen gemeinsam übrigens mit der SPD und auch der CSU dann einen Entschließungsantrag, wo wir noch mal unsere Positionierung zu dem Migrationspakt klarmachen. Und so wünsche ich mir das eigentlich auch in der Partei. Ich wünsche mir eigentlich, dass man kontrovers diskutiert, dass man debattiert, dass man von unterschiedlichen Richtungen kommt, aber am Ende des Tages dann wieder zusammensteht.
Heckmann: Ralph Brinkhaus war das, Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion, hier live im Deutschlandfunk. Herr Brinkhaus, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen eine gute Reise nach Hamburg.
Brinkhaus: Gerne! – Ja, danke! – Tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.