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CDU-Frauen formieren sich gegen die Herdprämie

Die Frauen in der CDU sind aufgeschreckt, weil die Koalition plant, ein Betreuungsgeld einzuführen. Für Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kita schicken. Warum bekommen Eltern Geld dafür, wenn sie diese Einrichtungen meiden? Die CDU-Frauen haben da eine andere Variante im Sinn.

Von Michael Watzke | 17.11.2011
    Die Firma OPED in Oberlaindern bei München ist der CSU um zwei Jahre voraus. Finanzvorstand Christian Puritscher zahlt seinen Mitarbeitern schon heute, was die Christsozialen erst 2013 einführen wollen: ein Betreuungsgeld.

    "Was wir anbieten, ist ein Zuschuss zu den Kinderbetreuungskosten. Das ist ja derzeit ein ganz heißes Thema. In dem Bereich sind wir schon dabei."

    Das firmeninterne Betreuungsgeld unterscheidet sich jedoch grundlegend von dem, was die CSU fordert: Eine OPED-Mitarbeiterin kann den Betreuungskostenzuschuss auch und gerade für einen Kinderkrippenplatz ausgeben. Denn OPED, ein expandierender Hersteller für Sanitätsprodukte, will mit seiner finanziellen Unterstützung erreichen, dass junge Mütter dem Unternehmen treu bleiben. Statt die Karriere zu unterbrechen. Vor allem will der Finanz-Vorstand die Motivation seiner rund 200 Mitarbeiter erhöhen.

    Weil OPED in der Region München als besonders vorbildlich gilt, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht, hat die Frauen-Union Oberbayern die Firma am Vormittag besichtigt. Auch Dorothee Bär, stellvertretende CSU-Generalsekretärin, ist aus Berlin gekommen. Die Diskussion dreht sich vor allem um das Frauenbild der Christsozialen. Und um das Betreuungsgeld. Dorothee Bär fühlt sich von Teilen der Öffentlichkeit und den Medien missverstanden. Besonders ärgert sie der Begriff "Herdprämie". Der vermittle den Eindruck, die CSU sei eine rückständige Partei. Dabei wolle sie doch nur Wahlfreiheit für Familien – auch für jene, die noch die klassische Aufteilung "Mann=Ernährer, Frau = Mutter" vertreten.

    In der Schwesterpartei CDU wird bei jungen, modernen Frauen immer mehr Widerstand gegen das Betreuungsgeld laut. Rita Pawelski beispielsweise, Bundestagsabgeordnete aus Hannover, wehrt sich gegen die Barauszahlung der Prämie und hält sie für das falsche Mittel, um Familien zu fördern. Pawelski hat sich mit Dorothee Bär am Rande einer Sitzung in Berlin so heftig gestritten, dass eine der beiden in Tränen ausbrach. Und das war nicht die streitbare Unterfränkin aus der CSU. Die kann kräftig austeilen. Etwa wenn aus der CDU der Einwand kommt, das Betreuungsgeld senke den Bildungsstandard von Kindern, etwa von ausländischen Kindern, die in einer Krippe besser deutsch lernen könnten als zuhause.

    So zerstritten die CSU bei vielen Themen ist – beim Betreuungsgeld gibt sie sich intern geschlossen. Nicht mal Kathrin Poleschner übt Kritik. Die junge Frau aus Schwaben wird morgen zur neuen Vorsitzenden der Jungen Union Bayern gewählt. Poleschner hat mit ihrem Widerstand gegen die Frauenquote schon Parteichef Horst Seehofer zur Weißglut getrieben. Beim Betreuungsgeld liegt sie voll auf Parteilinie.

    Poleschners Haltung ist erstaunlich, wenn man bedenkt, mit welchen Argumenten sie gegen eine Frauenquote gekämpft hat. Junge, moderne Frauen, so die 27-Jährige, schafften eine Karriere auch ohne Quote. Einfach, weil sie selbstbewusst und mindestens so gut wie Männer seien. Was Frauen dagegen bräuchten, seien mehr Kinderkrippenplätze. Nun aber unterstützt Poleschner mit dem Betreuungsgeld ein Vorhaben, das an jene ausgezahlt wird, die Kinderkrippen explizit nicht nutzen. Und das, obwohl für den Ausbau der staatlichen Kinderbetreuung viel zu wenig Geld da ist. Die designierte JU-Vorsitzende sieht darin keinen Widerspruch.

    Kathrin Poleschner wird in ihrer morgigen Bewerbungsrede für den JU-Vorsitz vor allem eines fordern: weniger Schulden. Denn die Schulden von heute müsse die Generation von morgen zahlen. Dass das Betreuungsgeld pro Jahr mit rund zwei Milliarden Euro zu Buche schlagen wird, nur damit Eltern einer Einrichtung fernbleiben, die Poleschner ausdrücklich fordert – darin sieht sie kein Problem. Schließlich gehe es um Wahlfreiheit – und die müsse sich für konservative Eltern auszahlen. In bar.

    Das Betreuungsgeld, sagt Dorothee Bär, stehe auf Wunsch der CSU im Berliner Koalitionsvertrag. Die Christsozialen habe es den Wählern versprochen. Wenn Politik glaubwürdig bleiben wolle, müsse man Versprechen halten. Auch und besonders Wahlversprechen.

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