Grundsatzprogramm
Wie die CDU zum Islam steht

Die CDU hat ihr Verhältnis zum Islam in Deutschland definiert. Die Partei stigmatisiere Muslime, lautet ein Vorwurf. Die Kritik bezieht sich auch auf die Neufassung einer Textpassage im neuen Grundsatzprogramm der Partei.

    Im Licht in der untergehenden Sonne sind ein Minarett der Zentralmoschee die beiden Türme des Kölner Doms zu sehen.
    Gehört der Islam zu Deutschland? Die CDU knüpft das an Bedingungen. (picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd)
    Aussagen, wonach der Islam zu Deutschland gehöre, haben in der CDU wiederholt für heftige Abwehrreaktionen gesorgt. Zum Beispiel 2010, als Bundespräsident Christian Wulff sagte: „Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“
    Vier Jahre vor Wulff hatte sich Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ähnlich geäußert: „Der Islam ist Teil Deutschlands und Europas.“ Im Jahr 2015 schloss sich Kanzlerin Angela Merkel Wulffs Aussage an. Nun zeigt das neue CDU-Grundsatzprogramm, dass sich die Partei von den Äußerungen Wulffs, Schäubles und Merkels klar abgrenzt.

    Was steht zum Islam im CDU-Grundsatzprogramm?

    Ursprünglich lautete ein Satz im Kapitel über Religionen: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.“ Nach deutlicher Kritik nahm die CDU-Antragskommission Änderungen vor. Nun heißt es im Grundsatzprogramm, das im Mai 2024 beschlossen wurde: „Muslime sind Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands und unserer Gesellschaft.“ Ergänzt wurde aber noch: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“

    Wie begründet die CDU die Passage zum Islam?

    Thorsten Frei, Parlamentsgeschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, sagte der „Rheinischen Post“, man müsse eine klare Grenze ziehen „zum politischen Islam und islamistischen Gruppen, die unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung, das westliche Lebensmodell, die Trennung von Staat und Religion oder das Existenzrecht Israels bekämpfen“.
    Und weiter: „Ein Blick in die iranische Staatsführung oder zu den Taliban in Afghanistan sollte uns eine Warnung sein, die Realitäten in der Welt nicht aus den Augen zu verlieren.“Gegenüber RTL und Ntv betonte der CDU-Politiker, die vorgenommenen Änderungen seien eine „Klarstellung“, aber keine „Stigmatisierung“ von Muslimen.
    Auch Christoph Ploß, Mitglied der CDU-Antragskommission, verteidigte gegenüber der „Rheinischen Post“ die Passage: "Nicht nur bestimmte Gruppen zu benennen, sondern klar zu sagen, dass wir einen Islam, der unsere Werte nicht teilt, ablehnen, hat unser Profil an dieser Stelle gegenüber dem ersten Entwurf weiter geschärft."

    Was sagen Kritiker zur Haltung der CDU zum Islam?

    Der Zentralrat der Muslime wirft der CDU vor, am rechten Wählerrand fischen zu wollen. Auch die neue Formulierung sei ein Versuch, Muslime zu stigmatisieren, so der Vorsitzende Aiman Mazyek gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Die CDU gehe selektive vor und bediene so "anti-muslimische Ressentiments und Stereotypen".
    "Wenn überhaupt, wäre eine Formulierung, die alle Weltanschauungen und religiösen Gemeinschaften anspricht, akzeptabel, anstatt nur eine bestimmte herauszugreifen und negativ zu markieren", sagte Mazyek dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

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    SPD-Chef Lars Klingbeil hält der CDU ebenfalls vor, eine ganze Bevölkerungsgruppe rhetorisch auszugrenzen.
    Die Transformationsforscherin Maja Göpel beurteilt die Neuformulierung als „nicht weniger ausschließend“ als die alte. Sie zweifelt zudem die praktische Umsetzung an: „Soll ein Gesinnungstest zusätzlich zum Asylantrag laufen, bevor man aus den Auffangzentren überhaupt nach Europa übersiedeln darf?“

    Welche Konsequenzen könnte die Haltung der CDU haben?

    Die CDU könnte potentielle Wähler verprellen: In Deutschland leben inzwischen rund 5,5 Millionen Menschen muslimischen Glaubens. Die Partei unter Friedrich Merz schlägt allerdings einen deutlich strikteren Kurs in der Migrationspolitik ein. In der Partei wird das auch als Aufarbeitung der Zeit unter Führung von Angela Merkel verstanden.
    Die Partei versucht damit, konservativen Menschen ein Angebot zu machen, die nicht AfD wählen wollen. Dies allerdings ohne die Wortwahl der AfD zu übernehmen – eine Gratwanderung.
    bth