Gregor Golland sitzt in der Kantine des Landtags von Nordrhein-Westfalen, vor sich einen Teller Salat. Es ist der Tag nach der nächtlichen Einigung im Unionsstreit – und Golland ist erleichtert:
"Ich finde es gut, dass es eine Einigung gibt. In der Sache ist die absolut richtig. Im Stil und im Umgang war das nicht gut. Das muss man klar sagen. Aber die Menschen erwarten von uns Lösungen zur Begrenzung, zur Steuerung und zur Ordnung von Einwanderung. Und das haben wir jetzt erreicht."
"Ich finde es gut, dass es eine Einigung gibt. In der Sache ist die absolut richtig. Im Stil und im Umgang war das nicht gut. Das muss man klar sagen. Aber die Menschen erwarten von uns Lösungen zur Begrenzung, zur Steuerung und zur Ordnung von Einwanderung. Und das haben wir jetzt erreicht."
Der 43-Jährige Diplom-Kaufmann ist so etwas wie ein Exot in der nordrhein-westfälischen CDU-Landtagsfraktion. Denn Golland, mittlerweile – trotz Widerständen – aufgestiegen zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, gilt als Konservativer in seinem Landesverband, als klassischer Unions-Innenpolitiker alter Schule. Hoffnungsträger - wenn auch nicht Mitglied der sogenannten Werte-Union, eines Dachverbands von Mitgliederinitiativen innerhalb von CDU und CSU, der sich als freiheitlich-konservativ versteht. Denn: Aus seinen inhaltlichen Sympathien für die CSU- beziehungsweise Seehofer-Position im aktuellen Unionsstreit macht Golland keinen Hehl:
"Inhaltlich sind sicherlich viele Menschen der Meinung, dass das richtig war und ist, und dass wir einen klaren Kompromiss gefunden haben, der uns weiterbringt."
"Inhaltlich sind sicherlich viele Menschen der Meinung, dass das richtig war und ist, und dass wir einen klaren Kompromiss gefunden haben, der uns weiterbringt."
NRW-CDU im Unionsstreit geschlossen hinter Merkel
Sympathien – und wenn auch nur inhaltlicher Natur – für Seehofer und die CSU lassen sich ansonsten innerhalb der NRW-CDU nur schwer finden. Im Gegenteil: Gerade im Unionsstreit stand der größte Landesverband der CDU geschlossen hinter der Kanzlerin.
"Ich möchte diese Pressekonferenz mit einem Glückwunsch an die Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Ergebnis des EU-Gipfels beginnen", eröffnete beispielsweise NRWs CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen die Bilanz-Pressekonferenz zum einjährigen Jubiläum der Regierungsübernahme in NRW. Es war just an dem Morgen nach den Brüsseler Gipfelbeschlüssen. Doch Löttgen nutzte die Chance, die NRW-CDU im Unionsstreit erneut zu positionieren:
"Zu den Befindlichkeiten gehören sicherlich auch Missverständnisse. Auf der anderen Seite kann ich ihnen sagen, dass bei uns in der Fraktion, die Linie, die der Ministerpräsident, Armin Laschet, auch innerhalb der Bundes-CDU vertritt, einhellige Unterstützung findet."
"Ich möchte diese Pressekonferenz mit einem Glückwunsch an die Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Ergebnis des EU-Gipfels beginnen", eröffnete beispielsweise NRWs CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen die Bilanz-Pressekonferenz zum einjährigen Jubiläum der Regierungsübernahme in NRW. Es war just an dem Morgen nach den Brüsseler Gipfelbeschlüssen. Doch Löttgen nutzte die Chance, die NRW-CDU im Unionsstreit erneut zu positionieren:
"Zu den Befindlichkeiten gehören sicherlich auch Missverständnisse. Auf der anderen Seite kann ich ihnen sagen, dass bei uns in der Fraktion, die Linie, die der Ministerpräsident, Armin Laschet, auch innerhalb der Bundes-CDU vertritt, einhellige Unterstützung findet."
Laschet war Deutschlands erster Integrationsminister
Als "Prätorianer der Kanzlerin", als "Merkel-Verteidiger" wurde Laschet, der Landesvorsitzende der NRW-CDU, in den kürzlich erschienenen Bilanzen seines ersten Regierungsjahrs charakterisiert. Er, einst der erste Integrationsminister Deutschlands, in der CDU damals als "Türken-Armin" verspottet, gilt als Förderer von Politikerinnen mit Migrationshintergrund. Als Kind der Grenzregion Aachen ist er überzeugter Europäer. Als stellvertretender Bundesvorsitzender war Laschet im Parteienstreit in der Hauptstadt präsent, verteidigte dort regelmäßig die Bundeskanzlerin und ihren inhaltlichen Ansatz, platzierte die Botschaft, dass die CDU schnell in Bayern präsent sein könne und kassierte – direkt am Morgen nach der Einigung – im heimischen Radiosender die bayerischen Beschlüsse – zumindest für sein Bundesland:
"Wir wollen keine neuen Grenzen errichten zwischen Belgien und den Niederlanden, also an der nordrhein-westfälischen Westgrenze. Wir wollen eine europäische Lösung. Alles das ist in dem Kompromiss von gestern Abend jetzt drin. Es muss europäisch abgestimmt sein und es werden nicht wieder überall im Land Grenzkontrollen errichtet, sondern es geht ausschließlich um die bayerisch-österreichische Grenze."
"Das heißt, es wird auch keine Transitzentren geben? In NRW?"
"Nein, auch in Nordrhein-Westfalen wird es keine Transitzentren geben, es bezieht sich ausschließlich auf die Grenze von Deutschland zu Österreich."
"Ja."
"Wir wollen keine neuen Grenzen errichten zwischen Belgien und den Niederlanden, also an der nordrhein-westfälischen Westgrenze. Wir wollen eine europäische Lösung. Alles das ist in dem Kompromiss von gestern Abend jetzt drin. Es muss europäisch abgestimmt sein und es werden nicht wieder überall im Land Grenzkontrollen errichtet, sondern es geht ausschließlich um die bayerisch-österreichische Grenze."
"Das heißt, es wird auch keine Transitzentren geben? In NRW?"
"Nein, auch in Nordrhein-Westfalen wird es keine Transitzentren geben, es bezieht sich ausschließlich auf die Grenze von Deutschland zu Österreich."
"Ja."
Striktes Grenzregime für manche doch attraktiv
Dabei hatte die "Welt am Sonntag" erst wenige Tage zuvor berichtet, dass es an jener Westgrenze NRWs jüngst zu wachsenden, illegalen Grenzübertritten gekommen sei. Und so gibt es eben auch in der NRW-CDU Stimmen, die die bayerische Linie des strikten Grenzregimes durchaus attraktiv finden. Ein Drohszenario der stundenlangen Staus im Fall von Grenzkontrollen, wie von Laschet gezeichnet, hält etwa der nordrhein-westfälische CDU-Innenpolitiker Golland für überzogen. Ganz grundsätzlich ist es ihm wichtig, dass auch im NRW-Landesverband alle Strömungen, eben auch die Konservativen, abgebildet sind. Doch, dass dies von der Parteispitze so gewünscht ist, daran wachsen Zweifel: Das Konservative gehöre nicht zum Markenkern der Union, sagte Laschet vor einigen Monaten und grenzte sich so gegen diese Linie ab.
"Wenn Laschet dagegen kämpft, dass die dominant wird, ist das völlig legitim für einen Christdemokraten. Nur, muss man dazu sagen, erstens: Es gibt aus meiner Sicht auch überhaupt keinen Grund zu der Annahme, dass die dominant werden könnten und zweitens: Er kämpft nicht nur dagegen, dass sie dominant werden, sondern er droht sie zu marginalisieren, bis hin dazu, ihr das Existenzrecht in der Partei abzusprechen."
Der Journalist Till-Reimer Stoldt arbeitet bei der "Welt am Sonntag", ist dort zuständig für die NRW-Landespolitik. Die Liste der Indizien für seine These sei lang, so Stoldt: Laschet und sein Landesverband ignorierten die Werte-Union komplett, obwohl sich selbst CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihnen getroffen habe. NRW-Innenminister wurde kein konservativer Innenpolitiker aus der Fraktion, sondern der Europa-Politiker und Laschet-Freund Herbert Reul – ein Neuling auf dem Feld. Und auch die konservative Düsseldorfer CDU-Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel soll Laschet versucht haben zu behindern.
"Wenn Laschet dagegen kämpft, dass die dominant wird, ist das völlig legitim für einen Christdemokraten. Nur, muss man dazu sagen, erstens: Es gibt aus meiner Sicht auch überhaupt keinen Grund zu der Annahme, dass die dominant werden könnten und zweitens: Er kämpft nicht nur dagegen, dass sie dominant werden, sondern er droht sie zu marginalisieren, bis hin dazu, ihr das Existenzrecht in der Partei abzusprechen."
Der Journalist Till-Reimer Stoldt arbeitet bei der "Welt am Sonntag", ist dort zuständig für die NRW-Landespolitik. Die Liste der Indizien für seine These sei lang, so Stoldt: Laschet und sein Landesverband ignorierten die Werte-Union komplett, obwohl sich selbst CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihnen getroffen habe. NRW-Innenminister wurde kein konservativer Innenpolitiker aus der Fraktion, sondern der Europa-Politiker und Laschet-Freund Herbert Reul – ein Neuling auf dem Feld. Und auch die konservative Düsseldorfer CDU-Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel soll Laschet versucht haben zu behindern.
Rumoren bei den Konservativen in der NRW-CDU
In Pantels Garten im Düsseldorfer Süden sprudelt ein Teich. Die 57-Jährige kann streiten – wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat: Für die Mütterrente, für ein Werbeverbot für Abtreibung und – jüngst – für das Baukindergeld:
"Also, ich gehöre zu den Konservativen. Ich bin nicht Mitglied der Werte-Union, aber ich bin Sprecherin des Berliner Kreises, also die Abgeordneten, die konservativ und auch liberal versuchen Politik zu machen und der Ruf ist nicht überall so positiv. Das ist richtig. Aber ich glaube, dass die Zeit zeigen wird, dass wir mit unseren Argumenten und mit unserem Ansinnen sehr wohl richtig liegen."
Ihre Ablehnung von Laschets Kurs – zu dem auch das Fördern einiger jüngerer Politikerinnen gehört – ist unüberhörbar:
"Also, wenn man sich die Schlagworte der Vergangenheit anhört - jung, muslimisch, weiblich - und dann jetzt sieht, was daraus geworden ist, dann holt einen sehr schnell die Realität ein. Und insofern: Meine Devise ist, dass ich nicht gegen die Menschen versuche Politik zu machen, sondern deren Ängste und auch Wünsche versuche umzusetzen."
Laschet hat nichts zu befürchten
Es habe der CDU immer gut getan, alle Strömungen zu integrieren – eben auch das konservative Element. Ansichten, die wohl auch andere Politiker aus dem NRW-Landesverband der CDU teilen würden, wie etwa Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, oder auch Karsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU.
"Also, dass es unklug ist, das haben wir an den letzten Wahlergebnissen gesehen, und ich hoffe schon, dass nicht nur die Analysten von Wahlergebnissen hier dazu beitragen, dass man das wieder anders sieht und dass man da umschwenkt."
Nur: Viel deutet nicht darauf hin. Und: Befürchten muss Laschet aktuell auch nichts. Nicht zuletzt dank des Wahlsieges vor einem Jahr wurde er gerade erst mit über 96 Prozent als NRW-Parteichef bestätigt. Und für Journalist Stoldt steht fest:
"Er ist im Moment auf dem vorläufigen Zenit seiner Macht und muss sich da nicht allzu viel Sorgen machen. Aber: Wenn Laschet irgendwann mal in einer weniger komfortablen Situation sein sollte und sich unter stärkerem Druck befinden sollte, dann wird sich natürlich auch die Zeit derer wieder mehren, die öffentlich oder halb-öffentlich Entscheidungen von ihm in Frage stellen werden."
Die Konservativen in der NRW-CDU, sie werden wohl noch etwas warten müssen.
"Also, dass es unklug ist, das haben wir an den letzten Wahlergebnissen gesehen, und ich hoffe schon, dass nicht nur die Analysten von Wahlergebnissen hier dazu beitragen, dass man das wieder anders sieht und dass man da umschwenkt."
Nur: Viel deutet nicht darauf hin. Und: Befürchten muss Laschet aktuell auch nichts. Nicht zuletzt dank des Wahlsieges vor einem Jahr wurde er gerade erst mit über 96 Prozent als NRW-Parteichef bestätigt. Und für Journalist Stoldt steht fest:
"Er ist im Moment auf dem vorläufigen Zenit seiner Macht und muss sich da nicht allzu viel Sorgen machen. Aber: Wenn Laschet irgendwann mal in einer weniger komfortablen Situation sein sollte und sich unter stärkerem Druck befinden sollte, dann wird sich natürlich auch die Zeit derer wieder mehren, die öffentlich oder halb-öffentlich Entscheidungen von ihm in Frage stellen werden."
Die Konservativen in der NRW-CDU, sie werden wohl noch etwas warten müssen.