"Was meinen inneren Gemütszustand betrifft, bespreche ich das mit meiner Frau. Und ansonsten gehen Sie davon aus, dass ich das tue, was man tun muss."
Holger Stahlknecht, der CDU-Innenminister und Landesvorsitzende der Union in Sachsen-Anhalt, wirkt angeschlagen. Das Gesicht ist fahl, die Augen haben tiefe Ringe, die Haare scheinen grauer als sonst.
"Ach wissen Sie, solche Dinge verarbeitet man mit sich selber. Meine Aufgabe ist es, mich auf mein Amt zu konzentrieren, als Innenminister. Das ist das Entscheidende, ich mache meine Arbeit."
Nach dem gescheiterten Coup, den umstrittenen Polizeigewerkschafter Reiner Wendt ins Land zu holen, war für viele in der Union der Schuldige schnell ausgemacht: Holger Stahlknecht. Nach Sondersitzungen der Fraktion sowie des Landesvorstands hat der Landesvorsitzende vor wenigen Tagen die Vertrauensfrage nur knapp gewonnen. Und ist damit haarscharf einer Blamage entgangen.
"Causa Wendt war ein Fehler von mir"
"Die Sache Wendt war - auch wenn andere mit beteiligt waren in der Entscheidungsfindung – ein Fehler von mir. Wendt hat andererseits auch mich nicht richtig informiert."
Während das Stahlknecht sagt, steht neben ihm CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff. Kühl, distanziert und ohne eine Miene zu verziehen. Unterstützung für den Landesvorsitzenden? Fehlanzeige. Doch mit dem Schuldgeständnis ist die Sache noch längst nicht ausgestanden. Hinter den Kulissen brodelt es weiter. Der Führungsstil und das Erscheinungsbild Stahlknechts, der gerne in Pfeife, Krawatte und Einstecktuch auftritt, sei arrogant, heißt es. Seitdem er der Chef der Sachsen-Anhalt CDU ist, wolle er die Union jünger, weiblicher und moderner machen. Dagegen sei nichts zu sagen, hört man von Parteigängern. Seine Attitüde: Ich weiß, was gut für euch ist, ich weiß, wo der Weg der CDU hinführt, komme hingegen überhaupt nicht an. Zudem sage er viel, ohne Taten folgen zu lassen. Offen aussprechen will das kaum einer. Anders Eva Wybrands. Sie ist die Ehrenvorsitzende der Frauen-Union und eine der wenigen, die sich offen zur Situation der CDU in Sachsen-Anhalt und zur Personalie Stahlknecht äußert:
"Meine Forderung ist, das der Disput mit der Basis wieder anfängt. Dass wir Vorschläge einbringen können, die dann auch umgesetzt werden. Um dann eine sehr starke Partei zu haben, die Menschen einfach mitnimmt."
Die Ambition Stahlknechts - als Spitzenkandidat, 2021 die Nachfolge von Haseloff anzutreten – ist derzeit aber höchst umstritten.
"Im Moment ist alles offen, weil die Basis nicht zufrieden ist."
Innerparteiliche Kritik an Stahlknecht wächst
Er sei wenig ausgleichend, habe nur den Führungskreis, die eigenen Berater im Blick, sagt Wybrands. Die normalen Mitglieder dagegen, habe er völlig aus den Augen verloren. Stahlknecht sei so etwas wie ein Satellit, der den Kontakt zur Bodenspitze verloren habe:
"Diese Verbindung Parteispitze, Basis, Mitgliedsverbände, Ortsverbände ist nicht mehr gegeben. Da ist Funkstille."
Über allem parteiinternen Zwist steht eine brisante, aber ungeklärte Frage: Wie hält es die CDU Sachsen-Anhalts mit der AfD. Im Sommer ist ein internes CDU-Papier an die Öffentlichkeit gelangt, indem es heißt, dass künftige Koalitionen mit der AfD nicht ausgeschlossen werden dürften. In einem kürzlich formulierten Grundlagenpapier des Landesvorstands, das dem Deutschlandfunk vorliegt, spricht man sich dagegen aus. Eine Zusammenarbeit werde es nicht geben. Deutlich wird an der Stelle: Ein Riss geht durch die Partei. Und: Der Umgang mit der AfD, an der Basis ist er völlig ungeklärt. Dazu reicht ein Blick in die sozialen Medien oder ein Besuch bei Ortsverbänden.
"Also, man sollte aus meiner Sicht nie Grundsätzliches ausschließen. Weil man auch nicht weiß, wie die Entwicklung sich in der Zukunft gestaltet."
So formulierte es beispielsweise erst kürzlich das Magdeburger CDU-Mitglied Stefan Hörold. Im Magdeburger Landtag könne man sehen, wie CDU- und AfD-Landtags-Abgeordnete geradezu miteinander flirten, so der Stendaler Politikwissenschaftler Thomas Kliche:
"Die Gruppe in der CDU, die eine Koalition mit der AfD befürwortet, ist so ein Viertel bis ein Drittel der Fraktion im Landtag, ebenso sieht es auf der Parteiebene aus. Die Basis ist stark."
Abgrenzung zur AfD fehlt bisher - Gastredner Friedrich Merz
Daher sei es für die Union in Sachsen-Anhalt eine Herkules-Aufgabe, eine eindeutige Linie der Abgrenzung zur AfD zu formulieren, so Kliche weiter. Die Union brauche, einen inhaltlichen Kompass, der ihr aber bisher fehle.
"Und offenbar kann sich die CDU nur unter dem Preis völliger Zerrissenheit darauf einigen, die AfD weiter draußen zu halten."
Am Wochenende will man auf dem CDU-Landesparteitag ein Grundsatzpapier diskutieren, eine Marschroute entwickeln, wie das Zusammenspiel von CDU und AfD künftig aussehen könnte. Als Formulierungshilfe gewissermaßen hat man sich Friedrich Merz nach Magdeburg eingeladen. Beobachter – wie der Stendaler Politikwissenschaftler Thomas Kliche – sehen darin einen Beleg für die künftige Ausrichtung der sachsen-anhaltischen CDU: Weg vom noch-wirtschaftsliberalen Kurs hin zu deutlich wert-konservativeren Positionen.
"Er steht für die Strategie, wir profilieren die CDU nach rechts, machen sie für rechtsgerichtete Wähler attraktiv, indem wir jemanden einladen, der eine härtere und konservativere Linie fährt als die CDU auf Bundesebene."