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CDU in Thüringen
Drei Kreisverbände für Bundestagskandidatur von Hans-Georg Maaßen

In Südthüringen wollen drei CDU-Kreisverbände den umstrittenen Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen als ihren Wahlkreiskandidaten für die Bundestagswahl im September nominieren. Die Hoffnung: Er könnte Wählerinnen und Wähler von der AfD zurückgewinnen. Doch das Vorhaben stößt auf Widerspruch in Erfurt und Berlin.

Von Henry Bernhard |
Hans-Georg Maaßen (CDU), Ex-Verfassungsschutzpräsident, spricht im Hotel «Der Lindenhof» im Landtagswahlkampf mit örtlichen Kandidaten der CDU Thüringen vor der Landtagswahl 2019.
Hans-Georg Maaßen (CDU), Ex-Verfassungsschutzpräsident, möchte sich weiter in die Politik einbringen (dpa / picture alliance / Michael Reichel)
Mitte Oktober 2019 beim Landtagswahlkampf in Thüringen: Etwa 40 meist ältere Leute sitzen im Gemeindezentrum Kressehof in Walldorf, einer kleine Gemeinde im Süden Thüringens, Ortsteil von Meiningen. Hier, südlich des Rennsteigs, "hinterm Berg", wie man in Erfurt sagt, wo man das R rollt wie die Franken, hier hat die CDU eine feste Basis. Michael Heym, der die Leute begrüßt, sitzt für sie seit über 20 Jahren im Thüringer Landtag. Für Linke, Sozialdemokraten und Grüne ist er ein rotes Tuch, ein Rechter, mit offener Flanke zur AfD. Heym selbst sieht das ein wenig anders.
Wer wird Kanzlerkandidat von CDU und CSU?
Beide wollen Kanzlerkandidat der Union werden: Markus Söder, CSU-Chef und Ministerpräsident von Bayern, und Armin Laschet, CDU-Vorsitzender und Ministerpräsident von NRW. Noch zeichnet sich keine Entscheidung ab.
Heym sagt: "Wenn man in der AfD sich von diesem rechtsextremen Gedankengut lösen könnte, habe ich zuerst im Blick, die Leute, die sie wählen. Und ich sage: Diese Wählerschicht kann man nicht ignorieren. Und dann muß es möglich sein, miteinander sprechen zu können."

Ex-Verfassungsschutz-Chef will in die Politik

An diesem Abend aber, zwei Wochen vor der Landtagswahl, hat er Hans-Georg Maaßen eingeladen, der damals seit einem knappen Jahr im einstweilen Ruhestand war, weil die Bundesregierung ihn nicht mehr als Präsidenten des Verfassungsschutzes haben wollte.
Hans-Georg Maaßen sagt dort: "Ich hatte mir dann die Frage stellt: Soll ich als Rechtsanwalt nur noch Geld verdienen und das Leben genießen, wie es Millionen in Deutschland machen? Oder soll ich mich vielleicht mit der Politik beschäftigen? Und ich sage mal: Die Parteifreunde in der Werteunion haben wir jedenfalls bei der Entscheidungsfindung ein wenig geholfen."
Ein viertel Jahr später, Anfang 2020, dieses Mal in Nordthüringen, in Niederorschel, wieder ein Dorfsaal; nun sind es schon um die 250 Menschen, die Hans-Georg Maaßen hören wollen, meist Männer, meist ein wenig älter. Viele sind in der CDU, manche in der AfD, andere parteilos.

Maaßen: "Weil ich einfach gut bin!"

In Erfurt gibt es immer noch keine neue Landesregierung, Linke, Sozialdemokraten und Grüne arbeiten an einer Minderheitsregierung. In CDU und AfD gibt es inzwischen Stimmen, die Hans-Georg Maaßen als Alternative zu dem Linken Bodo Ramelow sehen, der dann von CDU, AfD und FDP zum Ministerpräsident gewählt werden könnte. Aber dafür gibt es keine Mehrheit in der CDU.
"Ich stehe nicht zur Wahl. Aber wenn ich zur Wahl stünde, würde ich sagen: Ich kann jeden verstehen, der mich wählt. Weil ich einfach gut bin!", sagt Maaßen, findet aber den Plan, auf die Stimmen der AfD zu setzen, gut. "Es gibt eine Mehrheit jenseits der sozialistischen Regierung", so Maßen weiter.
1002. Bundesratsitzung in Berlin Aktuell, 26.03.2021, Berlin, Armin Laschet CDU der Ministerpraesident von NRW und CDU Vorsitzender im Interview bei der 1002. Sitzung des Bundesrat in Berlin Berlin Berlin Deutschland *** 1002 meeting of the Bundesrat in Berlin News, 26 03 2021, Berlin, Armin Laschet CDU the State Premier of North Rhine-Westphalia and CDU Chairman in interview at the 1002 meeting of the Bundesrat in Berlin Berlin Germany
Laschet und die CDU-Wahlschlappe
Armin Laschet tut, als wenn ihm die Verluste der CDU bei den Landtagswahlen nichts anhaben können, kommentiert Stephan Detjen. Als CDU-Chef hat schließlich nur er aus eigener Kraft Zugriff auf die Kanzlerkandidatur.
Die Mehrheit rechts der Mitte von CDU, FDP und AfD kommt doch zu Stande, aber anders als von Maaßen erträumt nicht für einen Christdemokraten, sondern für den Liberalen Thomas Kemmerich. Der bleibt nur für wenige Tage Ministerpräsident. Es folgen Rücktritt und die rot-rot-grüne Minderheitsregierung Ramelows.
Hans-Georg Maaßen bleibt aber in der konservativen Werteunion im Gespräch. Als der Südthüringer CDU-Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann wegen der Maskenaffäre Bundestag und Partei verlassen musste, erkennt man das südlich des Rennsteigs als Krise und Chance zugleich. Drei Kreisverbände wollen Hans-Georg Maaßen als ihren Wahlkreiskandidaten für die Bundestagswahl im September nominieren.

Stimmen zurückerobern

Michael Heym findet die Idee gut: "Ich bin der Meinung, dass Hans-Georg Maaßen umstritten sein mag – oder er polarisiert, aber Maaßen ist zunächst erst mal nichts vorzuwerfen. Ich habe bislang noch nie was von ihm gehört, was vom CDU-Programm nicht abgedeckt wäre. Und er steht natürlich für einen konservativen Kurs, für bestimmte Dinge, die die CDU in den letzten Jahren ein bißchen auf der Strecke hat liegen lassen."
Und gerade hier, im konservativen Südthüringen könnte einer wie Maaßen Stimmen von der AfD zurückerobern, so seine Hoffnung. In drei Kreisverbänden war man sich da relativ einig. Zum Wahlkreis gehört aber noch der Kreisverband Suhl. Einer der beiden amtierenden Kreisvorsitzenden, Matthias Gering, fühlt sich etwas überrumpelt.
Björn Höcke (AfD) spricht in der Dresdener Messehalle beim Bundesparteitag der AfD zu den Delegierten. Er ist einer von zwei Sprechern der AfD-Thüringen und seit der Landtagswahl in Thüringen 2014 Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag. 
Das Phantom Höcke ist aus der Deckung gekommen
Das Wahlprogramm der AfD sei nach dem Dresdner Parteitag radikal wie nie, kommentiert Nadine Lindner. Den Ausschlag habe bei vielen Abstimmungen überraschend dominant Björn Höcke gegeben, der Thüringer Landeschef und ganz rechts außen in der rechten Partei.
Gering sagt: "Wir sind vorige Woche darüber informiert worden von den beteiligten Kreisverbänden Schmalkalden/Meiningen, Hildburghausen und Sonneberg. Also, wir sind in diese Findung des Kandidaten gar nicht mit einbezogen gewesen. Und haben uns im Nachhinein auch ausgesprochen, auch diese Kandidatur nicht zu unterstützen."
Maaßen käme von außen und hätte von Südthüringen sicher keine Ahnung.
Gering weiter: "Ich möchte jetzt nicht über die Vergangenheit von Herrn Maaßen …, da stehe ich nicht in der Materie. Das ist so eine Sache … Aber im Moment ist mir ein regionaler Kandidat lieber."

Maaßen als integrierende Person?

Christopher Other, CDU-Kreisvorsitzender in Hildburghausen, war auch erst skeptisch, als er von dem Vorschlag hörte. Er glaubt aber inzwischen, dass es mangels überzeugender einheimischer Kandidaten besser wäre, mit Maaßen zu gewinnen als ohne ihn zu verlieren.
Other sagt: "So kann man das mit Sicherheit zusammenfassen. Wir haben durch die Maskenaffäre rund um den Kollegen Mark Hauptmann einfach einen Nimbus, den man nicht verkennen darf. Und der Widerhall in Deutschland ist ja nur schwerlich zu überhören. Aber ich sehe in der Polarisierung eben auch eine Chance, die Zuspitzung, die es bei uns aufgrund der starken AfD-Ergebnisse sowieso gibt, ein Stückweit mehr in den demokratischen Konsens, mehr in die Mitte zu holen. Nicht jeder, der AfD wählt, ist ja gleichzeitig ein Nazi oder jemand, der ganz Rechtsaußen ist. Sondern, wir müssen natürlich auf die Vernünftigen zugehen und auch dem konservativem Wählerklientel wieder ein Angebot machen. Da sehe ich den Herrn Maaßen zumindest als integrierende Person."

Kritikm am Vorschlag

In Berlin und Erfurt sieht man das etwas anders. Der Landesvorsitzende Christian Hirte muss sich viel Kritik von Parteifreunden anhören.
Hirte sagt dazu: "Die Mehrheit der Mitglieder der CDU – und ich ahne, das gilt auch für Thüringen –, glaubt nicht, dass Hans-Georg Maaßen da ein besonders hilfreicher Vorschlag ist. Er ist jemand, der stark polarisiert – und zwar nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch innerhalb der Union selbst. Ich halte viele von seinen Sichtweisen und auch seinen Stil für problematisch, weil er eben damit zu stark polarisiert."
Die Nominierung soll Ende April stattfinden. Sollte es Maaßen sein, und seine Chancen stehen gut, dann sind sich alle einig: Er müsste sich klar von der AfD distanzieren. Was er davon hält, hat er schon im letzten Jahr geäußert.
Maaßen sagte: "Bei keinem Politiker ob bei Bundestagswahlen oder Landtagswahlen stellt sich die Frage: Werde ich vielleicht von Nazis gewählt? Es geht darum, dass wir christlich demokratische Politik machen. Und wer letztendlich den Ministerpräsidenten der CDU wählt, sollte uns schnurz sein."