Gut ein Jahr ist Thomas Kufen nun im Amt, doch noch lange nicht bei allen bekannt. Ob er denn eine Einladung habe, wird Essens Oberbürgermeister am Eingang zur Eröffnungsfeier der neuen Firmenzentrale der städtischen Allbau-Hauptverwaltung in der nördlichen Innenstadt gefragt:
"Nee, aber eine Rede, die ich halten muss."
"Das ist auch gut."
"Ja?" - "Bitte." - "Danke sehr." - "Viel Spaß bei der Rede."
Der Weg ist frei. Der 43-jährige Kufen, braune Harre, Brille, Anzug und Krawatte, stürzt sich ins Getümmel. Händeschütteln hier, Smalltalk da. Kufen, das ist spürbar – und anders als am Eingang erfahren – kennt sich aus in seiner Heimatstadt. Nach einer kaufmännischen Ausbildung im elterlichen Autohaus, fing er dort an zu arbeiten, doch seine Leidenschaft galt schon immer der Politik: Mit 14 Jahren trat er der Jungen Union bei, gründete eine JU-Stadtteilgruppe, wurde später Vorsitzender der JU Essen. Seit 1999 Essener Ratsherr führte er lange die dortige CDU-Ratsfraktion – und saß zuletzt auch im Düsseldorfer Landtag. Nun steht er auf der Bühne und spricht sein Grußwort:
"Die beiden Bürgermeister habe ich gesehen, die Kollegen aus dem Rat. Aus der Verwaltung auch ganz viele, wahrscheinlich arbeitet gar keiner im Rathaus, alle hier. Oder jetzt ist die produktivste Phase."
Sich selbst auch mal auf die Schippe nehmen. Kufen, einst eher etwas steif, fast schon verklemmt und schüchtern – wirkt locker, gelöst. Beobachter erzählen davon, wie gut ihm sein eher beiläufiges Outing im OB-Wahlkampf 2015 getan habe: Befragt nach seinem Familienstand, antwortete er dort mit "ledig", um dann aber ebenso selbstironisch wie andeutungsvoll hinzuzufügen: "Mein Freund sagt, ich soll nicht immer ledig sagen, um nicht falsche Hoffnungen zu wecken." Kufen lebt in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft – ohne das an die große Glocke zu hängen. Und ähnlich nüchtern ging er auch mit der bundesweit diskutierten Frage um, ob die CDU überhaupt in einer Großstadt regieren könne:
"Die Großstadt gibt es gar nicht. Auch die Stadt Essen, eine Stadt mit 590.000 Einwohnern, die neuntgrößte Stadt in Deutschland hat 50 Stadtteile, die alle sehr, sehr unterschiedlich sind. Ich hab sie alle gleich lieb und der eine macht mehr Arbeit als der andere. Aber, zu glauben, man könne das Konzept Essen auf andere Städte übertragen, das geht an der Sache vorbei."
Seine ersten Monate waren ohnehin – zumindest alphabetisch gesehen – fast monothematisch: "Es gab zwei Fs die mich durch meine ersten zwölf Monate durchgetragen haben. Das eine war F wie Flüchtlinge, das zweite F, wie Finanzen."
Bei letzterem machte Essen zuletzt bundesweit Schlagzeilen: Denn erstmals seit einem Vierteljahrhundert beschloss der Stadtrat Ende November einen ausgeglichenen Haushalt. Das Ergebnis eines strikten Sparkurses, so Kufen. Dennoch bleibt die Schuldenlast mit 5,6 Milliarden Euro erdrückend. Zumal das zweite F – Flüchtlinge – weitere Investitionen erfordert. Stichwort Integration: "Wenn wir im vergangenen Jahr 4500 Flüchtlinge aufgenommen haben, dann haben wir mehr Flüchtlinge aufgenommen in Essen als ganz Polen. Und das muss ich hier erklären jeden Tag."
"Nee, aber eine Rede, die ich halten muss."
"Das ist auch gut."
"Ja?" - "Bitte." - "Danke sehr." - "Viel Spaß bei der Rede."
Der Weg ist frei. Der 43-jährige Kufen, braune Harre, Brille, Anzug und Krawatte, stürzt sich ins Getümmel. Händeschütteln hier, Smalltalk da. Kufen, das ist spürbar – und anders als am Eingang erfahren – kennt sich aus in seiner Heimatstadt. Nach einer kaufmännischen Ausbildung im elterlichen Autohaus, fing er dort an zu arbeiten, doch seine Leidenschaft galt schon immer der Politik: Mit 14 Jahren trat er der Jungen Union bei, gründete eine JU-Stadtteilgruppe, wurde später Vorsitzender der JU Essen. Seit 1999 Essener Ratsherr führte er lange die dortige CDU-Ratsfraktion – und saß zuletzt auch im Düsseldorfer Landtag. Nun steht er auf der Bühne und spricht sein Grußwort:
"Die beiden Bürgermeister habe ich gesehen, die Kollegen aus dem Rat. Aus der Verwaltung auch ganz viele, wahrscheinlich arbeitet gar keiner im Rathaus, alle hier. Oder jetzt ist die produktivste Phase."
Sich selbst auch mal auf die Schippe nehmen. Kufen, einst eher etwas steif, fast schon verklemmt und schüchtern – wirkt locker, gelöst. Beobachter erzählen davon, wie gut ihm sein eher beiläufiges Outing im OB-Wahlkampf 2015 getan habe: Befragt nach seinem Familienstand, antwortete er dort mit "ledig", um dann aber ebenso selbstironisch wie andeutungsvoll hinzuzufügen: "Mein Freund sagt, ich soll nicht immer ledig sagen, um nicht falsche Hoffnungen zu wecken." Kufen lebt in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft – ohne das an die große Glocke zu hängen. Und ähnlich nüchtern ging er auch mit der bundesweit diskutierten Frage um, ob die CDU überhaupt in einer Großstadt regieren könne:
"Die Großstadt gibt es gar nicht. Auch die Stadt Essen, eine Stadt mit 590.000 Einwohnern, die neuntgrößte Stadt in Deutschland hat 50 Stadtteile, die alle sehr, sehr unterschiedlich sind. Ich hab sie alle gleich lieb und der eine macht mehr Arbeit als der andere. Aber, zu glauben, man könne das Konzept Essen auf andere Städte übertragen, das geht an der Sache vorbei."
Seine ersten Monate waren ohnehin – zumindest alphabetisch gesehen – fast monothematisch: "Es gab zwei Fs die mich durch meine ersten zwölf Monate durchgetragen haben. Das eine war F wie Flüchtlinge, das zweite F, wie Finanzen."
Bei letzterem machte Essen zuletzt bundesweit Schlagzeilen: Denn erstmals seit einem Vierteljahrhundert beschloss der Stadtrat Ende November einen ausgeglichenen Haushalt. Das Ergebnis eines strikten Sparkurses, so Kufen. Dennoch bleibt die Schuldenlast mit 5,6 Milliarden Euro erdrückend. Zumal das zweite F – Flüchtlinge – weitere Investitionen erfordert. Stichwort Integration: "Wenn wir im vergangenen Jahr 4500 Flüchtlinge aufgenommen haben, dann haben wir mehr Flüchtlinge aufgenommen in Essen als ganz Polen. Und das muss ich hier erklären jeden Tag."
"Merkel wird eine Zukunftsentwurf vorlegen müssen"
Beispielsweise im Essener Stadtteil Karnap. Dort machte der SPD-Ortsverein zu Jahresbeginn mobil, wollte gegen weitere Flüchtlingszuweisungen demonstrieren. Ein SPD-Ratsherr, der Bergmann Guido Reil, wechselte publikumswirksam zur AfD. Obwohl alles nicht seine Partei, sieht Kufen die Gefahr des Populismus – auch wenn für ihn im kommenden Jahr keine Wahl ansteht. Aber eben doch für seine Partei auf Landes- und Bundesebene. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte ja bereits gesagt, dass der anstehende Wahlkampf vom Populismus geprägt sein werde:
"Aber sie muss auch jetzt vorbauen, sie muss auch klarmachen, wie es jetzt weitergeht. Einen Stillstand alleine werden die Bürgerinnen und Bürger nicht honorieren, sondern sie wird auch einen Zukunftsentwurf hinlegen müssen. Und wenn sie das in Essen tut, machen wir alles richtig."
Denn dort handelt auch der OB konkret: Als dem traditionsreichen Karnaper Martinszug, der im Stadtteil stets sehr gut besucht ist, 500 Euro fehlten, wollte AfD-Mann Reil finanziell einspringen. Der Bürgerverein lehnte ab, wollte nicht zwischen die politischen Fronten geraten – war jedoch in einer Notlage. Kufen sprang ein, spendete das Geld aus seinem Privatvermögen. Der Gedanke muss ihm gefallen haben, der AfD ein Schnippchen zu schlagen. Doch – neben der Partei – geht es eben auch um die Person:
"Ich kommuniziere anders, gehe anders auf die Menschen zu, ich bin sehr geerdet hier in meiner Heimatstadt. Insofern ist, glaub ich, die Frage: Kann man sich drauf einlassen und kann man sich auf den verlassen, ist viel wichtiger als von welcher Partei kommt der eigentlich her."
Das bestätigen politische Begleiter, aber auch Gegner, sowie Journalisten, Beamte mit anderem Parteibuch oder auch Mehrdad Mostofizadeh. Der Grünen-Fraktionschef im Landtag in Düsseldorf hat bei der OB-Wahl Kufen gewählt, er kennt ihn aus gemeinsamen Tagen im Landtag – und eben als Bürger der Stadt Essen:
"Ich hoffe, dass er nicht in den parteipolitischen Trott zurück verfällt, wie das bei vielen anderen geschehen ist, sondern an der Sache orientiert Politik macht."
Trotz seines parteiübergreifenden Ansatzes, als Ratsherr koalierte er mit dem Grünen, mit der FDP, dann mit beiden zusammen und nun in einer große Koalition mit der SPD: Kufen ist und bleibt CDU-Mann. In der kommenden Woche ist er Gastgeber seiner Bundespartei. Und was er seiner Chefin mitgeben will, weiß er auch schon ganz genau:
"Dass die Menschen hier vor allen Dingen honorieren, wenn man sich anstrengt und dass es ein Aufstiegsversprechen gibt. Und im Ruhrgebiet sagt man nicht ‚Haste was, dann biste was‘, sondern ‚Kannste was, dann biste was.‘ Und das gebe ich ihr mit."
"Aber sie muss auch jetzt vorbauen, sie muss auch klarmachen, wie es jetzt weitergeht. Einen Stillstand alleine werden die Bürgerinnen und Bürger nicht honorieren, sondern sie wird auch einen Zukunftsentwurf hinlegen müssen. Und wenn sie das in Essen tut, machen wir alles richtig."
Denn dort handelt auch der OB konkret: Als dem traditionsreichen Karnaper Martinszug, der im Stadtteil stets sehr gut besucht ist, 500 Euro fehlten, wollte AfD-Mann Reil finanziell einspringen. Der Bürgerverein lehnte ab, wollte nicht zwischen die politischen Fronten geraten – war jedoch in einer Notlage. Kufen sprang ein, spendete das Geld aus seinem Privatvermögen. Der Gedanke muss ihm gefallen haben, der AfD ein Schnippchen zu schlagen. Doch – neben der Partei – geht es eben auch um die Person:
"Ich kommuniziere anders, gehe anders auf die Menschen zu, ich bin sehr geerdet hier in meiner Heimatstadt. Insofern ist, glaub ich, die Frage: Kann man sich drauf einlassen und kann man sich auf den verlassen, ist viel wichtiger als von welcher Partei kommt der eigentlich her."
Das bestätigen politische Begleiter, aber auch Gegner, sowie Journalisten, Beamte mit anderem Parteibuch oder auch Mehrdad Mostofizadeh. Der Grünen-Fraktionschef im Landtag in Düsseldorf hat bei der OB-Wahl Kufen gewählt, er kennt ihn aus gemeinsamen Tagen im Landtag – und eben als Bürger der Stadt Essen:
"Ich hoffe, dass er nicht in den parteipolitischen Trott zurück verfällt, wie das bei vielen anderen geschehen ist, sondern an der Sache orientiert Politik macht."
Trotz seines parteiübergreifenden Ansatzes, als Ratsherr koalierte er mit dem Grünen, mit der FDP, dann mit beiden zusammen und nun in einer große Koalition mit der SPD: Kufen ist und bleibt CDU-Mann. In der kommenden Woche ist er Gastgeber seiner Bundespartei. Und was er seiner Chefin mitgeben will, weiß er auch schon ganz genau:
"Dass die Menschen hier vor allen Dingen honorieren, wenn man sich anstrengt und dass es ein Aufstiegsversprechen gibt. Und im Ruhrgebiet sagt man nicht ‚Haste was, dann biste was‘, sondern ‚Kannste was, dann biste was.‘ Und das gebe ich ihr mit."