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CDU-Parteitag
"Es schadet nicht, wenn einer unter 40 ist"

Acht Kandidaten, sieben Präsidiumsposten: Beim heute beginnenden CDU-Parteitag in Köln will es Jens Spahn wissen. "Es ist doch gut, wenn es bei einer Wahl auch mal eine Auswahl gibt." Wichtig sei ihm, mehr zukunftsweisende Themen in seine Partei einzubringen, sagte er im DLF.

Jens Spahn im Gespräch mit Dirk Müller |
    Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn.
    Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. (picture alliance/dpa/Soeren Stache)
    Der demografische Wandel, die kalte Progression, neue Geschäftsmodelle und der Wirtschaftsstandort Deutschland. Solche Themen würden in der CDU viel zu wenig behandelt, beklagt Jens Spahn. Gleichzeitig habe die CDU als Volkspartei in allen Altersschichten die besten Ergebnisse erzielt. Deshalb müssten auch mehr Zukunftsthemen behandelt und nicht nur Rentenpolitik gemacht werden.
    Ein weiteres Thema, über das viel zu wenig debattiert werde, sei die Zuwanderung. "Wir sind nach den USA das größte Zuwanderungsland und Berlin streitet wochenlang über die Frauenquote. Das passt nicht zusammen."
    Spahn äußerte sich auch zu weiteren Themen, die beim Parteitag behandelt werden. Zur kalten Progression sagte er: "Wir sind die Partei der Fleißigen." Die Arbeitnehmer sollten nicht immer mehr Steuern bezahlen. Im Haushalt müsse es deshalb Geld geben, um die kalte Progression abzubauen.
    Außerdem sagte Spahn, er unterstütze grundsätzlich ein Burka-Verbot, da es mit einem europäischen Frauenbild nicht zu vereinbaren sei. "Wir gendern bis in die Chefetagen der Dax-Unternehmen und beim Thema Burka schauen wir weg. Wir müssen für unsere Werte einstehen. Burka geht für mich gar nicht, das will ich in Deutschland nicht sehen," unterstrich er.
    Eine Zusammenarbeit mit einer AfD, die rückwärts gewandt, für Putin und ausländerfeindlich sei, könne es nicht geben.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Nun zu einem, der es in der CDU jetzt wissen will: Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, 34 Jahre alt, spricht offen über seine Homosexualität, gilt als Nachwuchstalent in der Partei. Bei der Regierungsbildung im vergangenen Jahr ist er allerdings leer ausgegangen. Auf dem Parteitag, der heute in Köln beginnt, kandidiert er für das siebenköpfige Präsidium. Jens Spahn ist der achte Kandidat, also ein Kampfkandidat gegen die Etablierten und damit eine Art Unruhestifter aus Sicht der Parteiführung. Angela Merkel soll das gar nicht so recht sein, das hören wir jedenfalls aus Berlin. Guten Morgen, Jens Spahn.
    Jens Spahn: Schönen guten Morgen!
    Müller: Müssen Sie die Kanzlerin denn so ärgern?
    Spahn: Ach, ich finde es relativ normal, dass es bei einem Parteitag, wo es eine Wahl gibt, auch mal eine Auswahl gibt, dass es mehr Kandidaten gibt als Plätze. Und ob sie das jetzt wirklich ärgert oder nicht, das weiß ich nicht. Darum geht es aber am Ende auch nicht. Es geht darum, dass die 1.001 Delegierten auch was zu entscheiden haben.
    Müller: Und ist Ihnen auch egal, wenn sie das ärgert?
    Spahn: Es geht ja darum, dass wir gemeinsam an den richtigen Themen arbeiten, und die möchte ich einbringen ins Präsidium. Die Frage, wie wir in den nächsten zehn Jahren erfolgreich bleiben, wirtschaftlich erfolgreich bleiben, wenn Deutschland deutlich altert, wenn doppelt so viele Menschen in Rente gehen, wie aus den Schulen nachkommen, wenn der digitale Wandel, das Handy, das unser aller Alltag bestimmt, noch viel mehr Geschäftsmodelle im Handel, beim Maschinenbau verändern wird. Über diese Themen möchte ich reden und die möchte ich einbringen und das, finde ich, geschieht bis jetzt zu wenig.
    "Es schadet nicht, wenn zumindest einer unter 40 ist"
    Müller: Sind Sie im Kopf, im Geiste nicht viel zu unabhängig und viel zu jung für diese Partei, um ins Präsidium zu kommen?
    Spahn: Was heißt denn zu jung für diese Partei? Die CDU ist eine Volkspartei. Sie hatte bei der letzten Wahl mit 41,5 Prozent - das ist ja ein gutes Jahr her - in allen Altersschichten, in allen Bevölkerungsgruppen mit Abstand das beste Ergebnis. Aber das heißt eben auch, dass in einer Volkspartei sich alle wiederfinden sollten an der Spitze, und es schadet nicht, wenn zumindest einer unter 40 ist. Jugend an sich ist kein Qualitätsmerkmal, aber ich glaube, wir sollten schon die Breite auch abbilden.
    Müller: Obwohl die meisten am liebsten Rentnerpolitik machen.
    Spahn: Das ist generell natürlich ein Thema in Deutschland. Ein immer größerer Anteil der Wählerinnen und Wähler ist in höherem Alter. Daraus schließen viele, jetzt könne man nur noch Rentenpolitik machen und nur noch Mütter-Rente oder Rente mit 63. Ich glaube, dass viel mehr Ältere auch an ihre Kinder und Enkelkinder denken, als wir manchmal annehmen. Die wollen, dass es ihren Kindern und ihren Enkeln besser geht als heute, mindestens genauso gut, und deswegen müssen wir mehr über Zukunftsthemen reden. Das haben wir in den letzten zwölf Monaten großer Koalition eher nicht getan.
    Müller: Und vorher in der Partei, in der CDU, war da mehr?
    Spahn: Wir beginnen jetzt auch auf diesem Parteitag ja mit einem Antrag, der sich beschäftigt mit den großen Themen der Zukunft, mit dem Thema Zuwanderung, wie können wir die steuern, wie sind wir attraktiv für die ausgebildeten Fachkräfte auf der Welt, mit der Frage des digitalen Wandels, wo es bei VW oder BMW irgendwann nicht mehr darum geht, wer den Motor baut, sondern wer die Software macht, und da möchte ich, dass die Wertschöpfung in Sindelfingen und Ingolstadt ist und nicht in Kalifornien. Diese Themen beginnen wir, jetzt in den Fokus zu rücken, und da möchte ich gerne mithelfen.
    Spahn: Kompromisse inder Großen Koalition fallen schwer
    Müller: Reden wir noch einmal über diesen Komplex, nicht inhaltlich, aber im Grunde als plakativ, als Etikett über der Partei stehend: die Rente mit 63, die Mütter-Rente, dann wenig Bewegung in der Steuerpolitik, vielleicht von der Entscheidung gestern abgesehen, die Kalte Progression doch abzubauen noch in dieser Legislaturperiode, alles ja unter einem Finanzierungsvorbehalt. Wenn Sie Ihr Parteibuch so anschauen, da steht ja auch dann CDU drauf. Sind Sie da noch sicher, dass das auch drin ist, was draufsteht?
    Spahn: In meinem Parteibuch und in der Partei ist auf jeden Fall drin, was draufsteht: CDU nämlich. Aber was echt schwerfällt sind natürlich die Kompromisse in der Großen Koalition.
    "Deutschland braucht eine stabile Regierung"
    Müller: Also alles die SPD schuld?
    Spahn: Nein, sie ist nicht schuld. Am Ende ist das ein Wahlergebnis, mit dem wir umgehen mussten. Deutschland braucht eine stabile Regierung. Wir sind ja auch nicht erfolglos. Deutschland geht es gut, wie seit 20 Jahren nicht, wirtschaftlich. Aber mein Eindruck ist, wir als Gesellschaft - und da meine ich wirklich uns alle, nicht nur die Partei -, wir genießen das im Moment sehr, dass es so gut läuft, machen uns aber zu wenig Gedanken darüber, was wir tun müssen, damit es so bleibt.
    Erfolg macht manchmal auch etwas träge und das heißt, man führt manchmal nicht die richtigen Debatten. Wissen Sie, wir diskutieren wochenlang mit hohen Emotionen über die Frauenquote in DAX-Aufsichtsräten. Das ist ein spannendes Thema, ist gut, dass wir das machen. Aber das ist doch nicht das Zukunftsthema Deutschlands.
    Müller: Wie haben Sie denn abgestimmt?
    Spahn: Bei welchem Thema?
    Müller: Bei der Frauenquote.
    Spahn: Die ist noch gar nicht im Bundestag gewesen.
    Müller: In der Fraktion?
    Spahn: Ich werde ihr am Ende zustimmen. Ich habe ja nichts gegen die Frauenquote. Ich finde nur, die Verhältnisse passen nicht. Wissen Sie, Deutschland hat so viel Zuwanderung wie noch nie. Wir sind nach den USA das größte Zuwanderungsland der Welt in absoluten Zahlen. Wir haben einen Zustrom von Flüchtlingen. Das sind die großen Themen, die die Menschen bewegen, und Berlin streitet wochenlang über die Frauenquote. Das, finde ich, passt nicht zusammen.
    Spahn: CDU muss in der Großen Koalition Profil behalten
    Müller: Aber von außen jetzt betrachtet, oder als Wähler betrachtet aus einer Perspektive eines potenziellen Wechselwählers: Der wird sich ja, wenn das so weitergeht, auch fragen oder sagen können, na ja, beim letzten Mal CDU gewählt, da kann ich gleich das Original wählen, die SPD. Ist da was dran?
    Spahn: Es geht darum, dass wir als CDU in dieser Großen Koalition Profil behalten. Das ist ja das, wofür ich, wofür viele andere auch in der Jungen Union, in der Mittelstandsvereinigung werben. Das ist in einer Großen Koalition immer schwieriger. Umso wichtiger sind Debatten und Entscheidungen auf Parteitagen.
    Müller: Behalten oder bekommen?
    Spahn: Bitte?
    "Wir sind die Partei der Fleißigen"
    Müller: Profil behalten oder bekommen?
    Spahn: Behalten und bekommen, auch wieder schärfer machen. Das Thema Kalte Progression zum Beispiel zeigt: Wir sind die Partei der Fleißigen, derjenigen, die arbeiten gehen, derjenigen, die den Laden am Laufen halten, die Steuern zahlen, und wir wollen nicht, dass die immer automatisch mehr Steuern zahlen. Das ist ein Thema, finde ich, das wir viel grundsätzlicher auch wieder mal ins rechte Licht rücken müssen.
    Müller: Sigmar Gabriel hat das vor ein paar Monaten ja schon abgeräumt zu Gunsten der SPD. Die CDU hat jetzt Schwierigkeiten, dort nachzuziehen.
    Spahn: Nein! Wir haben das Thema schon mehrfach sogar im Bundestag beschlossen. Bis jetzt ist es immer gescheitert an den SPD-Ländern im Bundesrat. Wenn Herr Gabriel jetzt die so auf Zack hat, dass das jetzt geht, dann können wir das sehr schnell machen.
    Müller: Nicht an Wolfgang Schäuble?
    Spahn: Wolfgang Schäuble ist ein wichtiger Mahner eines ausgeglichenen Haushalts. Sie müssen sehen: Ich bin vor 19 Jahren mit 15 in die Junge Union eingetreten. Seitdem kämpfe ich dafür, dass wir keine neuen Schulden machen. Das ist Wolfgang Schäuble nun gelungen, dafür bin ich ihm unendlich dankbar, dass wir endlich aufhören mit der Schuldenmacherei. Und trotzdem muss doch in einem 300 Milliarden-Euro-Haushalt ein Spielraum sein, um eine Kalte Progression von einer Milliarde Euro abzumildern. Wenn man will, dann schaffen wir das auch.
    Müller: Ich habe noch ein ganz anderes Stichwort notiert, Jens Spahn, eingebracht von Ihrer Parteifreundin Julia Klöckner auf diesem Parteitag. Da haben wir noch gar nicht drüber gesprochen, auch hier im Deutschlandfunk heute Morgen: Burka-Verbot. Kommt für viele jetzt überraschend: Muss das sein, soll das sein. Wie werden Sie sich da verhalten?
    Spahn: Ich bin sehr skeptisch, was die Burka angeht. Wissen Sie, wir haben ja über die Frauenquote gesprochen. Wir gendern jetzt bis in die Aufsichtsräte von DAX-Unternehmen. Aber bei Zwangsheirat, bei Ehrenmord, bei Burka wird viel zu oft ein Rabatt gegeben auf unsere Werte. Es ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau auch in Deutschland mühsam erkämpft.
    Das war ja nicht immer so wie heute. Und da schauen wir weg, weil möglicherweise da eine andere Kultur, eine andere Tradition dahinter steckt. Und das Thema beschäftigt die Menschen! Wissen Sie, wenn wir das nicht diskutieren und diese Themen aufgreifen und für unsere Werte einstehen, dann überlassen wir den Hooligans und den Leuten, die gestern auch in Düsseldorf demonstriert haben, das Feld. Ich finde, es ist unsere Aufgabe, diese Themen zu besprechen.
    "Burka geht für mich gar nicht"
    Müller: Die Chance auf ein Profil. Das heißt, Sie sagen Ja zum Burka-Verbot?
    Spahn: Ich sage Ja zur Gleichberechtigung von Mann und Frau. Burka geht für mich gar nicht! Das ist der Ausdruck nicht von Offenheit, sondern von einem Frauenbild, das eher auf Unterdrückung aus ist, von einem Männerbild, das geschützt werden muss, weibliche Haut zu sehen. Burka ist Mittelalter und die will ich in Deutschland nicht sehen!
    Müller: Und deswegen Ja zum Verbot?
    Spahn: Ob man dafür ein rechtliches Verbot braucht, darüber wollen wir jetzt auf dem Parteitag reden. Ich kann mir das durchaus vorstellen. Da gibt es auch andere, die sagen, das ist verfassungsrechtlich schwierig. Viel wichtiger ist doch, dass wir klar sagen, wir wollen keine Burka, weil das Frauenbild dahinter, das wollen wir auch nicht.
    "Solange die AfD sich nicht ändert, wird es keine Koalition geben"
    Müller: Nun haben wir noch ein Stichwort: Sie wollen offener werden, haben Sie gesagt, auch aufgeschlossen den Zukunftsthemen gegenüber, wieder ein parteipolitisches Thema, Stichwort AfD. Kann man bald mit denen? Muss die CDU bald mit denen können?
    Spahn: Nein. Mit einer AfD, die rückwärtsgewandt ist, die antiamerikanisch ist, die gegen Freihandel ist, die pro Putin ist, die auch antisemitische und gegen Ausländer Reflexe schürt, mit der können und wollen wir nicht koalieren. Aber wissen Sie, ich tue mich auch schwer damit, dass Rot und Grün, SPD und Grüne, die jetzt in Thüringen mit Stasi-Leuten im Landtag einen Ministerpräsidenten wählen, dass die uns jetzt erzählen dürfen, mit wem wir telefonieren dürfen. Klar ist: Mit der AfD gibt es und kann es keine Koalition geben. Aber das heißt ja nicht, dass man nicht miteinander reden kann.
    Müller: Ist das nicht alles ein bisschen auch eine Frage der Zeit, nehmen wir Die Linken, nehmen wir Thüringen?
    Spahn: Das liegt daran, wie die AfD sich entwickelt. Nicht die CDU muss sich da verändern, sondern die AfD. Und ich sage noch mal: Mit einer Partei, die antiamerikanische Reflexe schürt, die pro Putin ist, die auch antisemitische Reflexe zulässt, die nie ganz klar sagt, auch bei diesen Hooligan-Protesten, wo sie eigentlich steht, die antieuropäisch ist, gegen den Euro, mit so einer Partei können wir nicht koalieren. Und solange die AfD sich nicht ändert, wird es keine Koalition geben.
    "Ich nehme das sportlich"
    Müller: Jetzt müssen wir einmal ganz kurz nach vorne schauen, in die nächste Zukunft. Sie kandidieren in dieser Kampfkandidatur. Wie groß sind die Chancen?
    Spahn: Ach, es sind am Ende 1.001 Delegierte. Es wird acht Kandidaten geben für sieben Plätze und dann schauen wir mal, wie die Delegierten sich entscheiden. Ich nehme das sportlich. Aber ich finde, es schadet nicht, wenn es bei einer Wahl auch mal tatsächlich eine Auswahl gibt, wenn es was zu entscheiden gibt.
    Müller: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn bei uns im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch.
    Spahn: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.