Einfach zu sagen, man senke die kalte Progression, ohne zu wissen, ob man die anderen Abmachungen dann noch einhalten könne, wäre sträflich, sagte Volker Kauder. Es müsse ein Markenzeichen der CDU sein, nur das zu versprechen, was die Partei auch halten könne. Als Beispiel nannte er die Mütterrente.
Kauder lobte den Auftritt der Kanzlerin. Merkel habe eine starke Rede gehalten und deutlich gemacht, dass sie nicht alles akzeptieren könne, was der Koalitionspartner macht. Die CDU stehe geschlossen zu ihrer wiedergewählten Parteivorsitzenden, sagte Kauder.
Auch habe die Partei bei der Präsidiumswahl "hervorragend reagiert". Man habe die Frauenquote erreicht - auch wegen der "noblen Geste" von Gesundheitsminister Hermann Gröhe. "Das war doch eine menschlich starke Leistung unseres früheren Generalsekretärs und heutigen Ministers. Das ist doch ein gutes Zeichen für unsere Partei", sagte Kauder. Gröhe hatte wegen des Frauenquorums und der Bewerbung des nordrhein-westfälischen Konkurrenten Jens Spahn auf den zweiten Wahlgang verzichtet.
Friedbert Meurer: In Köln geht heute der CDU-Parteitag weiter. Aber die entscheidenden Dinge dürften wohl gestern passiert sein. Angela Merkel bekam ein Top Ergebnis bei der Wiederwahl als Parteivorsitzende. Die CDU weiß, was sie an der Kanzlerin hat. Dafür hat es dann bei den Wahlen zum Präsidium einige Überraschungen gegeben. Im ersten Wahlgang ist nämlich die Frauenquote oder -Quorum nicht erfüllt worden. Hermann Gröhe, Bundesgesundheitsminister, verzichtete daraufhin auf eine Kandidatur, halb freiwillig, wohl auch halb unfreiwillig. Er drohte, gegen den Youngster Jens Spahn zu verlieren. Ich habe vor der Sendung mit Volker Kauder gesprochen, dem Unions-Fraktionschef, und ihn gefragt, ob er während der Rede der Kanzlerin gestern mal gedacht hat, was ist, wenn wir die Frau nicht mehr haben.
Volker Kauder: Ja, das denke ich immer wieder bei verschiedenen Anlässen. Aber wir haben diese Frau ja noch eine ganze Zeit lang und ich wünsche mir, dass sie natürlich noch lange unsere Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin bleiben kann. Sie hat eine sehr starke Rede gehalten und sie hat auch klargemacht, dass sie nicht alles, was in unserem Land passiert, was der Koalitionspartner macht, akzeptieren kann - mit dem Hinweis auf Thüringen.
Meurer: Wir haben Sie noch eine Zeit lang, sagen Sie, Herr Kauder. Wie lange denn noch, über 2017 hinaus?
Kauder: Ich habe keine Veranlassung, meine Wünsche der Kanzlerin öffentlich zu sagen, aber wir erleben eine dynamische, eine aktive, eine handlungsstarke Kanzlerin, und das wünschen sich viele Menschen in diesem Land, dass sie noch lange unser Land führt.
"Stehen geschlossen zu Angela Merkel"
Meurer: Zehn Minuten Applaus - die Kollegen der Zeitungen sprechen von wahren Huldigungen. Besteht die Gefahr, dass die CDU sich vielleicht zu sehr auf die Kanzlerin, auf ihr Zugpferd verlässt, so wie früher einmal auf Helmut Kohl?
Kauder: Dieser Parteitag hat natürlich als erste Botschaft, wir stehen geschlossen zu Angela Merkel. Was gut ist für unser Land, dass sie sich auf die Partei verlassen kann, die sie unterstützt, dass wir keine internen Diskussionen und Kämpfe haben, wie das bei anderen Parteien der Fall ist.
Die zweite Botschaft ist aber auch: Wir haben ganz intensiv auf diesen Parteitag hin Themen diskutiert, beispielsweise die Korrektur bei der kalten Progression, die doch gezeigt haben, dass wir eine lebendige Parteibasis haben.
Die zweite Botschaft ist aber auch: Wir haben ganz intensiv auf diesen Parteitag hin Themen diskutiert, beispielsweise die Korrektur bei der kalten Progression, die doch gezeigt haben, dass wir eine lebendige Parteibasis haben.
Meurer: Über die reden wir gleich noch kurz, die kalte Progression. Bei den Wahlen: Die Parteivorsitzende, zweitbestes Ergebnis für sie überhaupt, 96,7 Prozent, dann beim Präsidium wurde ein zweiter Wahlgang notwendig, weil die Frauenquote nicht erfüllt worden ist. Das wurde dann im zweiten Wahlgang nachgeholt. Wie groß ist der Imageschaden für die Partei, glauben Sie?
Kauder: Ich sehe überhaupt keinen Imageschaden, sondern ich sehe eher, dass die Partei hervorragend reagiert hat. Der frühere Generalsekretär, Hermann Gröhe, hat sich hingestellt und gesagt, wir müssen natürlich ein Frauenquorum einhalten, wir wollen, dass die Frauen entsprechend beteiligt werden, und deswegen trete er von einer Kandidatur zurück, und damit ist dann auch das Frauenquorum eingehalten worden. Das war doch eine menschlich starke Leistung unseres früheren Generalsekretärs und heutigen Ministers. Das ist doch ein gutes Zeichen für unsere Partei.
"Noble Geste von Hermann Gröhe"
Meurer: Da wir ja, Herr Kauder, noch in guter Erinnerung haben die Auseinandersetzung mit der SPD um die Frauenquote in Aufsichtsräten und das Wortgefecht von Ihnen mit der Frauenministerin Manuela Schwesig - ist, wenn wir den ersten Wahlgang nehmen, die DNA der CDU doch eher männlich?
Kauder: Das ist absoluter Unsinn. Wir sind eine Partei, die eine Vorsitzende gewählt hat. Das hat die SPD noch vor sich. Und wie das manchmal bei uns in Deutschland bei Diskussionen so ist, wird gar nicht mehr genau hingeschaut. Ich habe mehrfach gesagt, die Frauenquote kommt, wir haben sie vereinbart und sie wird auch umgesetzt, und es ging nur noch um die Frage, mit wie viel Bürokratie oder mit möglichst wenig Bürokratie das gemacht werden kann. Es war überhaupt nie eine Frage. Ich habe immer gesagt, dass ich die Frauenquote selbstverständlich umsetze. Wir haben sie vereinbart. Also alles, was da hineingeheimnist worden ist, war ein bisschen Quatsch.
Meurer: Und wenn wir jetzt den Bogen schlagen zur Präsidiumswahl - eine Frau von acht Kandidaten zunächst mal kommt durch. Doch ein bisschen wenig?
Kauder: Wir haben natürlich die Frauenquote im Präsidium auch einzuhalten und deswegen haben wir ja auch dann gesagt, es kann ja mal passieren, dass bei einer solchen Wahl die Zahl der Frauen nicht ausreichend ist, und deswegen wird es dann auch korrigiert. Man steckt ja in den Delegierten nicht drin und wir haben ja auch viele weibliche Delegierte. Wir brauchen es jetzt überhaupt nicht überhöhen. Wir haben das Frauenquorum erreicht durch eine starke auch Entscheidung von Hermann Gröhe, und das ist das Entscheidende, und wir haben eine Parteivorsitzende.
Meurer: Der Bundesgesundheitsminister hat zurückgezogen für das Präsidium. Noble Geste, Herr Kauder, oder hat er eingesehen, dass er gegen Jens Spahn verlieren würde?
Kauder: Noble Geste.
Meurer: Aber Jens Spahn hatte das bessere Ergebnis im ersten Wahlgang.
Kauder: Kein Mensch weiß, was bei Wahlgängen passiert.
Meurer: Ist das Ganze doch ein bisschen ein Beispiel, Hermann Gröhe ist nominiert worden vom nordrhein-westfälischen Landesverband. Hat man da ein bisschen falsch kalkuliert? Ist der Landesverband doch so was wie ein Sorgenkind der Partei?
Kauder: Nein, überhaupt nicht, und ich weiß auch gar nicht. Wenn alles glattgegangen wäre, hätte man gesagt, bei der CDU passiert überhaupt nichts. Deswegen: Wir müssen unser Ding machen. Offenbar können wir es nicht allen recht machen und schon gar nicht allen Journalisten. Ist auch nicht unsere Aufgabe. Der Landesverband hat eine Entscheidung getroffen, wer nominiert werden soll. Danach hat Jens Spahn seine Kandidatur erklärt, ist auch in Ordnung. Dann wird entschieden und kann es auch mal so etwas geben. Das ist in einer Demokratie durchaus möglich und ist auch in Ordnung.
Meurer: Jetzt reden wir natürlich auch über die Inhalte, Herr Kauder. Die kalte Progression, der Kompromiss, der da gefunden worden ist - wie viel Priorität wird es für Sie selbst persönlich als Fraktionsvorsitzenden haben, diese Ungerechtigkeit in der steuerlichen Progression zu beseitigen, und zwar noch in dieser Legislaturperiode?
Kauder: Wir haben schon in der letzten Legislaturperiode diesen Antrag im Deutschen Bundestag beschlossen. Es waren die SPD-geführten Bundesländer, die dem nicht zum Erfolg geführt haben. Wenn jetzt bei der SPD eine bessere Einsicht kommt, soll es uns ja nur recht sein. Wir haben klare Bedingungen formuliert. Es gibt mit uns keine Steuererhöhungen, es muss beim ausgeglichenen Haushalt bleiben, und deswegen müssen wir Spielräume suchen, die eine Korrektur oder Absenkung der kalten Progression möglich machen. Darüber werden wir natürlich mit unserem Finanzminister und mit unserem Koalitionspartner sprechen.
"Nur versprechen, was wir erfüllen können"
Meurer: Es ist ja auch bekannt, dass die Bundeskanzlerin Bedenken hatte, ob man sich das jetzt schon leisten kann, die kalte Progression abzuschaffen. Der Bundesfinanzminister hat das so gesehen. War es klug von der Kanzlerin, hier nachzugeben?
Kauder: Ich selbst habe mehrfach darauf hingewiesen, dass ich die Spielräume noch nicht sehe. Und es muss ein Markenzeichen von uns sein, dass wir nur das versprechen, was wir auch erfüllen können. Wir haben den Menschen vor der Wahl die Mütterrente zugesagt, ein großes Projekt, und haben gewusst, das können wir schultern, und haben es umgesetzt. Wir können jetzt sagen, wir schaffen die Spielräume, wir bemühen uns, wir suchen nach Möglichkeiten, die kalte Progression zu korrigieren. Es war aber klug, nicht zu sagen, wann das sein kann. Wir müssen erst die Spielräume schaffen. Da strengen wir uns an. Aber einfach zu sagen, wir senken die kalte Progression, ohne überhaupt zu wissen, ob dann die anderen Punkte, nämlich null Verschuldung und keine Steuererhöhungen eingehalten werden können, das wäre sträflich. Und die Menschen wissen, sie können sich auf uns verlassen.
Meurer: Im rechten Spektrum steigt die AfD auf, zweistellige Ergebnisse im Osten. Haben Sie eine Idee, wie man das stoppen kann?
Kauder: Wir müssen klar und deutlich machen, dass wir eine gute Arbeit leisten, und noch einmal immer wieder bekräftigen, dass wir eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen. Wer der AfD auch nur eine geringe Chance anbieten würde, dass da etwas gehen könnte, würde sie nur stärken. Deswegen, es bleibt bei dem Vorstandsbeschluss, den wir gefasst haben: keine Zusammenarbeit. Da brauche ich aber auch keinerlei Hinweise und Fragen aus der SPD. Es ist ja absurd, dass diejenigen, die mit einer Partei, die zum Teil antisemitische Tendenzen hat, die noch immer nicht endgültig mit ihrer Vergangenheit aufgeräumt hat, die noch immer verschweigt, wo sie das Vermögen der SED gebunkert hat, dass man der zum Erfolg verhilft und uns ermahnen will, dass wir nichts mit der AfD zu tun haben wollen. Das ist schon eine unsägliche Geschichte. Aber wir brauchen das nicht. Wir arbeiten mit der AfD nicht zusammen.
Meurer: Die CDU und ihr Parteitag hier in Köln - das war Unions-Fraktionschef Volker Kauder bei uns im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch, Herr Kauder. Auf Wiederhören!
Kauder: Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.