Die Delegierten hatten ihre Vorsitzende bereits am Morgen vor der Aussprache mit stehenden Ovationen begrüßt. Nach den Kontroversen über die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, die von vielen in der CDU als zu nachgiebig kritisiert wird, ging es den Delegierten offenbar darum, ihre Chefin zu stärken. "Der Applaus soll ein Signal sein, wir in der CDU stehen hinter unserer Bundesvorsitzenden", sagte Parteivize Thomas Strobl.
Keine Abschottung
Merkel trug eine ungewohnt eindringlich Rede vor. Sie verteidigte den Satz "Wir schaffen das": "Ich kann das sagen, weil es zur Identität unseres Landes gehört, Größtes zu leisten." Deutschland könne trotz des Ansturms von Hunderttausenden Schutzsuchenden seine Grenzen nicht schließen. "Abschottung im 21. Jahrhundert ist keine vernünftige Option." Deutschland müsse ein weltoffenes und vielfältiges Land bleiben.
Noch nie habe es so viel Bereitschaft zum Mitmachen und zum Anpacken gegeben, rief Merkel. "Dieses bürgerschaftliche Engagement ist die beste und überzeugendste Antwort auf all die, die mit Hass und Hetze in ihrem Herzen versuchen, gegen Fremde Stimmung zu machen. Sie haben in unserem Land keine Chance." Optimismus und Zuversicht seien in Deutschland immer gepaart mit Vorsicht und einem Bewusstsein für Risiken. "Wir sind nie blauäugig. Doch genauso lassen wir es nie zu, dass Ängstlichkeit und Pessimismus uns am erfolgreichen Handeln für die Zukunft hindert."
"Humanitärer Imperativ"
Sie verwies auf Altkanzler Helmut Kohl (CDU), der den Ostdeutschen einst "blühende Landschaften" versprochen hatte. Kohl habe Recht behalten. "Im 25. Jahr der Deutschen Einheit können wir sagen, wir haben blühende Landschaften", sagte die CDU-Vorsitzende. Sie rechtfertigte ihre Willkommenspolitik. Es sei richtig gewesen, im Spätsommer Tausenden Flüchtlingen aus Ungarn die Einreise zu ermöglichen. "Dies war nicht mehr und nicht weniger als ein humanitärer Imperativ."
Die Kanzlerin hob den Leitantrag für den Parteitag hervor, in dem nun auch auf eine mögliche Überforderung Deutschlands hingewiesen wird. Sie betonte ausdrücklich, dass die Zahl der nach Deutschland kommenden Asylbewerber reduziert werden müsse. Die von Teilen der Partei und insbesondere der CSU geforderte Obergrenze lehnte die Kanzlerin aber erneut klar ab.
Europäische Zusammenarbeit
Nachdrücklich warb die Parteichefin für ein europäisches Vorgehen, um die EU nicht zu beschädigen. "Das ist eine historische Bewährungsprobe für Europa, ich möchte, dass Europa diese Bewährungsprobe besteht." Merkel bat dabei um Geduld. Lösungen in Europa dauerten, und die Bemühungen um eine bessere Sicherung der Außengrenzen und eine gerechtere Verteidigung der Flüchtlinge liefen erst seit wenigen Monaten.
(pg/stfr)