Christine Heuer: 2018 war schwierig für die CDU. 2019 stellt wieder große Herausforderungen. Es gibt Wahlen in Europa und in drei ostdeutschen Bundesländern. Gehen die schief für die Christdemokraten, dann, spätestens dann, droht eine Diskussion über die neue Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und über die Kanzlerschaft Angela Merkels. Noch schlimmer: Die SPD könnte den Ausschlag für Neuwahlen eben nicht erst 2021, sondern möglicherweise schon in diesem Jahr geben. Verliert sie die Wahlen, kann sie eigentlich nicht länger in der Großen Koalition bleiben. Der Ausblick auf die deutsche Regierung von 2019 jetzt im Beitrag von Peter Sawicki.
Peter Sawicki mit einem Ausblick auf schwierige Zeiten möglicherweise, 2019 schon wieder, für die Bundesregierung. Über die CDU möchte ich jetzt sprechen mit Bernhard Vogel, Christdemokrat, ehemaliger Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz und auch in Thüringen. Guten Morgen, Herr Vogel!
Bernhard Vogel: Guten Morgen, Frau Heuer!
"Ich glaube nicht, dass wir vorzeitig Neuwahlen haben werden"
Heuer: Wolfgang Schäuble, der Bundestagspräsident, die graue Eminenz der CDU, hat jetzt im "Stern" gesagt auf die Frage, ob er findet, dass Annegret Kramp-Karrenbauer das erste Zugriffsrecht haben muss auf die Kanzlerkandidatur, also da sagt Wolfgang Schäuble: "Ich mag diese gestanzten Formulierungen nicht. Man wird sich zum gegebenen Zeitpunkt verständigen." Das Merz-Lager bringt ihn immer wieder als Kanzlerkandidaten ins Gespräch. Finden Sie das gut?
Vogel: Darf man diese verschiedenen Äußerungen erst einmal ein bisschen ordnen? Zunächst endete das Jahr 2018 für die CDU sehr gut, weil nach einem fairen und offenen Wahlkampf in Anführungsstrichen eine klare Entscheidung zugunsten von Frau Kramp-Karrenbauer getroffen worden ist, und jetzt hat sie ihre Chance. Jetzt geht es um die Parteivorsitzende und wie sie die Herausforderungen des neuen Jahres angeht. Jetzt geht es im Moment nicht um die Kanzlerkandidatur. Die wird zur gegebenen Zeit entschieden werden.
Ich glaube nicht, dass wir vorzeitig Neuwahlen haben werden, denn die SPD wäre in der Tat mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie jetzt auf Neuwahlen drängte. Sondern gerade sie hat wohl ein Interesse, dass diese Neuwahlen stattfinden, wenn sie tatsächlich anstehen, 2021. Und bis dahin hat die CDU Zeit, die Herausforderungen des nächsten Jahres, und das sind die eben von Ihnen angesprochenen vier Wahlen, zunächst einmal gut zu bestehen. Und dann wird ein neues Interview darüber geführt werden können, wie wir die Kanzlerkandidatenfrage entscheiden.
Heuer: Ja, das wäre schön, Herr Vogel. Aber die Debatte ist leider in Ihrer Partei ja in vollem Gange. Es wird ja immer wieder die Kanzlerkandidatur schon besprochen, und die Freunde von Friedrich Merz bringen ihn dann immer wieder ins Gespräch und verunklaren das Zugriffsrecht der CDU-Vorsitzenden.
Vogel: Es ist doch keine Schwäche, dass die CDU nicht nur eine, sondern mehrere mögliche, denkbare Kanzlerkandidaten hätte. Das zeichnet uns doch aus, das muss uns doch nicht dauernd als Schwäche angerechnet werden. Selbstverständlich kann Herr Merz genauso wie Herr Spahn wie Frau Kramp-Karrenbauer lesen und schreiben und sind für solche Aufgaben durchaus ...
Heuer: Das reicht …
Vogel: – kommen Sie in Frage. Aber wir müssen doch den Vorteil, dass wir mehrere denkbare Kandidaten für mehrere Aufgaben haben, nicht zum Nachteil uns zerreden lassen.
Heuer: Muss ja auch kein Nachteil sein. Aber eine Auseinandersetzung wird darüber geführt. Friedrich Merz hat sehr klar formuliert, dass er schon ganz gern Minister würde im Kabinett Merkel.
Vogel: Ja, gut, die Posten werden aber nicht öffentlich ausgeschrieben. Dass es mehr Bewerber gibt als Ämter, das ist keine neue Erkenntnis. Jetzt ist doch erst einmal das Bewährungsjahr der neuen Parteivorsitzenden in den vier anstehenden Wahlen des Jahres 2019. Und wenn wir dieses Jahr gut bestanden haben, so wie wir das letzte zumindest erfreulicherweise gut abgeschlossen haben, dann machen wir das nächste Interview.
"Die Welt ist voller Probleme außerhalb Deutschlands"
Heuer: Empfehlen Sie Friedrich Merz, die Füße jetzt 2019 erst mal still zu halten?
Vogel: Ich habe keine Empfehlungen an Herrn Merz abzugeben. Ich würde nur empfehlen, dass wir alle zunächst die Ziele des nächsten Jahres im Auge haben und im Übrigen nicht ganz vergessen: Es gibt nicht nur deutsche innenpolitische Probleme, sondern die Welt ist voller großer Probleme außerhalb Deutschlands, wofür wir aber zum Teil erhebliche Mitverantwortung tragen, in Europa beispielsweise, oder was die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, zu China, zu Russland, zur Türkei betrifft. Das sind alles ebenfalls sehr entscheidende Fragen.
Vogel: Die CDU ist nicht gespalten
Heuer: Ist Ihre Partei gespalten, Herr Vogel?
Vogel: Nein. Warum soll die denn gespalten sein? Im Gegenteil, sie hat doch gerade ein Musterbeispiel demokratischen Umgangs miteinander bei der Entscheidung über die Nachfolge für Frau Merkel gegeben. Ein besseres Beispiel konnten wir doch nicht geben. Ich habe das nicht so fair und offen und erfolgreich erwartet, wie es abgelaufen ist.
Heuer: Aber die Anhänger von Friedrich Merz sagen, na ja, so ein klares Ergebnis war das ja nicht. Günter Oettinger hat sich da aus dem Fenster gelehnt.
Vogel: Aber was glauben Sie, was würden denn die Anhänger von Kramp-Karrenbauer sagen, wenn es anders ausgegangen wäre?
Heuer: Die würden sagen …
Vogel: Die hätten sich ja auch nicht schlafen gelegt.
Heuer: Ach, meinen Sie?
Vogel: Nein, aber mit Sicherheit nicht. Glauben Sie, die Saarländer wären ruhig gewesen? Die hätten ihre Wunden auch gepflegt. Das ist doch das Selbstverständlichste von der Welt.
Heuer: Okay. Dann sprechen wir über die CDU. Die wünscht sich eine Wende. Bekommt sie die wirklich hin mit Merkel 2.0?
Vogel: Ich weiß nicht genau, was Sie unter Wende verstehen. Mir geht es weniger um eine Wende, sondern um eine erfolgreiche Weiterarbeit, die sich auch in besseren Wahlergebnissen, als wir sie 2018 hatten, niederschlagen möge. Und da ist neben der Europawahl, die eine Herausforderung für alle demokratischen Parteien darstellt, vor allem die Wahlen in den drei mitteldeutschen Ländern von Bedeutung.
Da haben Sie völlig recht. Das ist eine wichtige Aufgabe, die wir haben, insbesondere in der klaren Abgrenzung von der AfD auf der einen Seite, aber in der Gesprächsbereitschaft mit einem Großteil der Wähler der AfD auf der anderen Seite, die ja, wie wir wissen, zur Mehrheit nicht aus Begeisterung für das Führungsteam oder das Programm der AfD die AfD gewählt haben, sondern aus Verärgerung über die anderen demokratischen Parteien.
Heuer: Und nun verspricht – Herr Vogel, Entschuldigung –, nun verspricht, Friedrich Merz hat im Wahlkampf um den Parteivorsitz versprochen, ihm würde es gelingen, die AfD zu halbieren in Ostdeutschland. Trauen Sie das AKK auch zu?
Vogel: Ich will mal zunächst sagen, die Wähler stammen ja gerade in Ostdeutschland keineswegs in einem so hohen Prozentsatz von der CDU. In Thüringen etwa sind die Wanderungsbewegungen von den Linken zur AfD stärker als die von der CDU. Deswegen, alle demokratischen Parteien müssen alles tun, um dieser Partei Paroli zu bieten. Sie dürfen aber zum anderen auch das nicht zum einzigen Thema machen. Rechtsradikale, rechtsnationalistische Parteien gibt es leider gegenwärtig in fast allen europäischen Ländern, besonders bedauerlicherweise auch bei uns. Aber das ist nicht das einzige Thema.
"Wahlergebnisse nicht an Parteivorsitzender allein festmachen"
Heuer: Wird es AKK gelingen, die AfD in Ostdeutschland in den Wahlen mit ihrer neuen CDU deutlich zurückzudrängen?
Vogel: Entschuldigung, ich habe Erfahrungen, wie ostdeutsche CDU-Politiker in Ostdeutschland Wahlen gewinnen. Das war aber eine Aufgabe von Herrn Biedenkopf, das war eine Aufgabe von mir und anderen, und nicht allein eine Aufgabe von Helmut Kohl, der damals Kanzler war. Frau Kramp-Karrenbauer spielt dabei eine wichtige Rolle. Aber ich kann doch die Wahlergebnisse nicht an der Parteivorsitzende allein festmachen. Das ist doch zunächst einmal eine Herausforderung an die zum Teil ja sehr führungserprobten Repräsentanten der Union und übrigens auch der anderen demokratischen Parteien.
Heuer: Herr Vogel, trotzdem droht ja in den ostdeutschen Landtagswahlen, dass die AfD zum Beispiel in Sachsen stärkste Partei wird. Muss die CDU oder kann sie da entgegenwirken, indem sie wieder konservativer wird, innenpolitisch strenger und vielleicht auch wirtschaftsliberaler?
Vogel: Von diesen jahreszeitbedingten Betonungen von konservativ, liberal oder christlich-sozial halte ich überhaupt nichts. Die drei Wurzeln sind das Merkmal der Union in Deutschland seit 70 Jahren und müssen sie auch für die Zukunft bleiben. Und deswegen müssen wir uns so aufstellen, wie wir ja große Erfolge gerade in den neuen Ländern in der Vergangenheit erreicht haben.
Heuer: Ja, aber nicht mehr in jüngerer Zeit.
Vogel: Natürlich. Das ist aber eine alte Erfahrung, dass auf Siege auch Niederlagen folgen. Aber auf Niederlagen können auch wieder Erfolge folgen.
Heuer: Wie denn?
Vogel: Das mit der Stärke der AfD auch nicht in den Mittelpunkt allein stellen. Es geht darum, ob demokratische Regierungsbildungen auch in den ostdeutschen Ländern, auch nach den nächsten Wahlen, uneingeschränkt möglich sind.
Heuer: Ja, und das könnte schwierig werden. Was empfehlen Sie Ihrer Partei für 2019, Herr Vogel?
Vogel: Ein klares Profil, und so, wie wir das Jahr abgeschlossen haben, das Jahr 2019 zu beginnen, und auf die eigene Kraft und auf die Führungsfähigkeit sowohl der Kanzlerin wie der Bundesvorsitzenden wie übrigens nicht zuletzt auch des neuen Fraktionsvorsitzenden im Bundestag zu setzen.
Heuer: Und was wünschen Sie sich von Friedrich Merz?
Vogel: Dass er weiter erfolgreich in seinem Beruf tätig ist, und wenn er möchte, sich auch beteiligt an den Auseinandersetzungen der CDU in der Landtagswahlen.
Heuer: Das war interessant. Bernhard Vogel, Christdemokrat, ehemaliger Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz und Thüringen. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch, Herr Vogel!
Vogel: Bitte schön! Einen guten Tag für Sie!
Heuer: Ja, und alles Gute für Sie 2019 – das Jahr hat ja gerade erst begonnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.