Jürgen Zurheide: Sie ist dicht, die Grenze zwischen Ungarn und Kroatien. Die rechtskonservative Regierung in Budapest hat das gemacht, Stacheldraht gegenüber einem EU-Nachbarland, das alles ist inzwischen Realität. Und genau diese Maßnahme wurde zum brandaktuellen Thema ausgerechnet beim Bezirksparteitag der CDU Württemberg-Hohenzollern im oberschwäbischen Saulgau. Weil ziemlich uneins in der Flüchtlingsfrage, hatte die CDU aus dem Schwabenland einen Gast mit hoher politischer Brisanz als Redner eingeladen, Zoltán Balog, Minister für Humanressourcen, so heißt das in der ungarischen Regierung. Er gilt gleichzeitig als enger Orbán-Vertrauter. Ob sein Rezept, die Flüchtlingskrise mit immer höheren Grenzzöllen zu bewältigen, bei der CDU im Schwabenländle eingeschlagen hat, das weiß der Kollege Thomas Wagner.
Bericht von Thomas Wagner: "Ungarischer Minister bei württembergischer CDU"
Guten Morgen, Herr Bareiß!
Thomas Bareiß: Wunderschönen guten Morgen!
Zurheide: Herr Bareiß, als Erstes mal, was werden Sie der Kanzlerin von Ihrem Parteitag gestern berichten?
Bareiß: Ich werde ihr berichten, dass wir eine sehr ernsthafte und anständige Diskussion hatten zum Thema Flüchtlingswelle. Ich denke, dass es auch notwendig war, dass man die Sorgen und Ängste auch aufnimmt. Wir hatten unterschiedliche Sichtverhältnisse, es gab durchaus Menschen, die gesagt haben, dass wir es schaffen, dass wir auch da eine sehr große Verantwortung haben als Nation, aber es gab durchaus auch Stimmen, die gesagt haben, dass wir vor Ort das Gefühl haben, dass wir an Belastbarkeitsgrenzen kommen, dass wir sicherlich mehr Schritte brauchen als das, was wir diese Woche richtigerweise im Bundestag beschlossen haben, dass wir jetzt auch weiter dafür sorgen müssen, dass Anreize abgebaut werden und dass auch die Menschen in ihrer Heimat bleiben.
"Wir müssen das Thema europäisch angepacken"
Zurheide: Sie haben einen ungarischen Minister gehabt, wir haben ihn vorhin gehört auch in dem Beitrag des Kollegen. Was können Sie denn oder was glauben Sie denn, von den Ungarn lernen zu können? Zäune zu setzen?
Bareiß: Nein, darum geht es nicht. Es geht darum, dass wir sehen müssen, dass das Thema europäisch angepackt wird. Wir können das nicht alleine schaffen, wir müssen das auf europäischer Ebene schaffen. Deshalb war es richtig, dass Angela Merkel diese Woche noch mal massiv für eine europäische Lösung geworben hat, und so haben wir es auch getan. Wir haben mit Herrn Balog, dem Minister Balog gestern ein sehr gutes Gespräch gehabt, wir hatten ihn angehört, ich glaub es war auch wichtig, dass wir verstehen, was in Ungarn derzeit los ist: Ein kleines Land mit neun Millionen Einwohnern hat derzeit 400.000 Menschen, die im letzten halben Jahr durchgelaufen sind, und ich glaube, wenn man mal die Dimensionen anschaut, sieht man, dass wir da wirklich gemeinsam anpacken müssen. Dass Zäune gebaut werden, sind sicherlich keine schönen Bilder, das sind auch Bilder nicht, die wir sehen wollen. Aber wir müssen schon überlegen, wie wir die Grenzen sichern, auch da waren sich alle europäischen Nationen einig, dass die Außengrenzen gesichert werden. Und natürlich ist hier Ungarn in besonderer Weise in der Verantwortung.
Zurheide: Nun, da ist ja genau die Frage, die wir auch hier in diesem Programm in dieser Woche mehr als einmal gewogen haben, das Zauberwort heißt ja jetzt Transitzone. Nur, die Transitzonen, wenn sie denn kommen, gehen sie ja nicht ohne Zäune. Oder haben Sie eine Vorstellung, dass das ohne Zäune geht? Denn Sie sagen auch gerade, Zäune wollen wir eigentlich nicht. Was bringt das dann?
Bareiß: Klar ist, wir können nicht Zehntausende von Menschen oder Hunderttausende Menschen unkontrolliert in unser Land lassen. Klar, das will niemand. Da haben auch diese Woche unsere Innenexperten in der Fraktion sehr stark gewarnt davor, dass wir derzeit 100.000 Menschen haben hier in Deutschland wahrscheinlich, von denen wir nicht mal die Identität kennen und wissen. Da müssen wir wieder, glaube ich, zu Recht und Ordnung zurückkehren und das heißt, dass wir auch vielleicht stärker unsere Grenzen sichern, dass wir vielleicht auch Grenzen sichern mit Zäunen. Transitzonen sind dafür da, dass dann die Menschen kontrolliert in unser Land kommen, dass wir auch prüfen können, wer kommt, dass wir die Menschen auch registrieren können. Das wird heute schon an den Flughäfen seit 15 Jahren gemacht, erfolgreich gemacht und wir müssen das auch Schritt für Schritt jetzt an unseren Grenzen aufbauen.
Bareiß: Wir müssen wieder ein geordnetes Verfahren haben
Zurheide: Aber ist nicht das Kernproblem - das sagen auch alle Innenexperten -, dass wir es offensichtlich nicht schaffen, die Registrierung so zu machen und vor allen Dingen die Verfahren dann so zügig abzuarbeiten? Das alles wird im Moment mit diesem Zauberwort Transitzonen zugedeckt, oder ist meine Beobachtung da so falsch?
Bareiß: Nein, die Beobachtung ist richtig. Wir haben halt derzeit, die schiere Masse erdrückt uns und deshalb kommen die Behörden vor Ort nicht mehr nach. Das ist auch gar keine Kritik an den Behörden, sie schaffen es einfach nicht, weil sie nicht genügend Leute haben. Aber wir müssen jetzt wieder Stück für Stück zu Recht und Ordnung zurückkommen und dazu können die Transitzonen dienen, die müssen dann entsprechend eingerichtet werden, es müssen auch entsprechend natürlich viele dann gemacht werden, damit wir hier wirklich ein geordnetes Verfahren wieder haben. Ich glaube, darum geht es, dass Recht und Ordnung umgesetzt wird und wir ein geordnetes Verfahren haben, dass wir Menschen auch notfalls wieder zurückschicken können. Das wird auch keine schönen Bilder vielleicht geben, aber wenn jemand nicht in unser Land darf und wenn auch niemand eine Berechtigung hat, ins Land zu kommen, dann müssen wir auch hier klar und deutlich sagen, er muss wieder zurück in seine Heimat.
Zurheide: Das ist ja eigentlich unumstritten, das sagen ja alle inzwischen im politischen Spektrum, oder fast alle, dass das so gemacht werden müsste, es gibt mehr sichere Herkunftsländer. Ich stelle mir immer noch die Frage: Reden wir im Moment über Transitzonen wieder als Symbolpunkt, wo die Politik jetzt irgendetwas hat, vor allen Dingen Sie Ihren Konflikt zwischen CDU und CSU etwas entschärft haben, aber wo wir real am Ende nichts lösen werden? Und ob diese Transitzonen jetzt genau an der Landesgrenze sind oder ob es Aufnahmeeinrichtungen sind, wo endlich der administrative Prozess so läuft, wie sich das alle vorstellen, auch rechtsstaatlich einigermaßen vernünftig und trotzdem schnell? Wäre das nicht die eigentliche Lösung?
Bareiß: Gut, wissen Sie, wenn die Menschen schon im Land drin sind, dann ist es vielleicht auch zu spät. Ich denke, wir müssen schon an der Grenze schauen, dass diejenigen, die nicht berechtigt sind, ins Land zu kommen, wieder zurückgehen. Und ich glaube, dass dieses geordnete Verfahren vor allen Dingen durch eine Transitzone hergestellt werden kann. Ich habe bisher noch keine bessere Alternative gehört. Wenn sie in dem Land sind und wenn dann in den Kommunen oder in den Erstaufnahmestellen dann hier 10.000 Menschen sind, 20.000 Menschen sind, wir haben ja auch beschlossen diese Woche, dass gerade auch Menschen aus sicheren Herkunftsländern nicht mehr aus der Erstaufnahmestelle raus sollten, sondern dass sie dann dort bleiben, dass dort das Verfahren komplett abgeschlossen wird und dann die Menschen zurückgehen. Wenn wir das durchziehen, dann heißt es dann, dass wir unsere Kapazitäten in den Erstaufnahmestellen massiv erhöhen bis auf das Vier-, Fünffache. Ob wir das vor Ort hinbekommen, bin ich sehr skeptisch, sage ich sehr offen. Mir wäre es lieber, wenn wir an der Grenze die Transitzonen hätten, wo wir dann ganz konkret sagen können, wir schicken auch die Leute zurück, die gar nicht in unser Land sollten.
Zurheide: Das ist ein erneutes Plädoyer für die Transitzonen, zumindest aus Sicht der CDU, dieses Mal vom Parteitag, vom Bezirksvorsitzenden Württemberg-Hohenzollern Thomas Bareiß, Herr Bareiß, ich bedanke mich bei Ihnen für das Gespräch, auf Wiederhören!
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