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CDU-Politiker Koschyk in Nordkorea
"Es gab harte politische Gespräche, aber in zivilisierter Form"

"In Pjöngjang hat sich in den letzten Jahren viel verändert", berichtet der CDU-Politiker Hartmut Koschyk im DLF nach seiner jüngsten Reise in das Land. Doch man dürfe von der Hauptstadt nicht auf den Rest Nordkoreas schließen, sagte der Vorsitzende der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe. Die Spuren jahrelangen Hungers seien immer noch sichtbar.

Hartmut Koschyk im Gespräch mit Dirk Müller |
    Hartmut Koschyk, MdB CSU.
    Hartmut Koschyk, MdB CSU (picture alliance / dpa / Daniel Karmann)
    Dirk Müller: Nordkorea - zuletzt hatten wir auch hier im Deutschlandfunk darüber berichtet, dass Kim Jong-un eine Reihe von Verwandten hat exekutieren lassen, weil sie ihm irgendwie quer gekommen waren. Dann traf es wohl auch den Verteidigungsminister des Landes. Dieser soll mit Raketensalven getötet worden sein. Wir hören von einer wirtschaftlich desolaten Lage, von Hungersnöten, von Massenverhaftungen, von Folter, von Polizeistaat. Dennoch ist Hartmut Koschyk auf die koreanische Halbinsel gereist. Der CSU-Politiker hatte sogar Gelegenheit, Gespräche in Pjöngjang zu führen, immerhin mit dem Vizeaußenminister dort. Hartmut Koschyk ist Vorsitzender der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe. Wir erreichen ihn jetzt in Südkorea, in Seoul. Guten Morgen!
    Hartmut Koschyk: Guten Morgen, Herr Müller!
    Müller: Herr Koschyk, sind Sie wie ein Gast behandelt worden?
    Koschyk: Ich bin wie ein Gast behandelt worden. Es hat eine sehr unschöne Szene gegeben, als wir versucht haben, mit der dortigen katholischen Gemeinde, die natürlich unter absoluter staatlicher Kontrolle ist, eine Andacht zu feiern. Ein Benediktiner-Pater, Tassilo Lengger aus St. Ottilien in München, war mit dabei. Er ist auch ein Fachmann für Land- und Forstwirtschaft, hat dort Wiederaufforstungsprojekte begutachtet, die die Hans-Seidel-Stiftung aus Bayern, aus Deutschland dort durchführt mit Unterstützung der Europäischen Union. Bei diesem Gottesdienst kam es zu einem Eklat, weil dort ein Vertreter eine solche Hasspredigt gegen auch die Menschen, auch die Christen im Süden gehalten hat, dass unsere Gefühle wirklich sehr verletzt worden sind.
    Ansonsten gab es harte politische Gespräche, aber in zivilisierter Form. Man konnte sich austauschen. Alles was wir an Programm vereinbart hatten, Hilfsprojekte zu begutachten, Gespräche zu führen, wurde eingehalten. Aber diese Szene war sehr unschön. In der evangelischen Gemeinde, die wir danach besucht haben, ging es etwas zivilisierter zu. Dort konnte man auch mit den Gemeindemitgliedern sprechen.
    Aber es sind immer diese sehr unterschiedlichen Eindrücke, die man in einem Land wie Nordkorea erlebt, das ich seit dem Jahr 2002, seitdem wir diplomatische Beziehungen aufgenommen haben, immer wieder besuche. Es sind immer diese zwiespältigen Eindrücke, die man dort erlebt.
    Eklat bei Andacht überschattete den Besuch
    Müller: Herr Koschyk, reden wir noch über diese Szene, die Sie uns gerade beschrieben haben. Wie haben Sie denn Ihren Unmut, Ihre Verärgerung zum Ausdruck gebracht?
    Koschyk: Ich habe das natürlich unmittelbar gegenüber den Verantwortlichen, die mich von staatlicher Seite begleitet haben, zum Ausdruck gebracht, und ich habe es noch einmal auch sehr deutlich bei dem Gespräch der ganzen Delegation mit dem Vizeaußenminister zum Ausdruck gebracht. Ich habe einfach gesagt, man muss Respekt haben vor Religiosität, und wenn wir mit guter Absicht aus Deutschland sogar mit einem Benediktiner-Geistlichen kommen, um zusammen Andacht zu halten, finde ich es unmöglich und nicht akzeptabel, dass selbst eine solche Zusammenkunft zu hasserfüllter Agitation gegenüber dem Süden missbraucht wird.
    Müller: Wie hat der stellvertretende Außenminister reagiert?
    Koschyk: Ich habe das Gefühl gehabt, dass er peinlich berührt war, und bei den Begleitern von nordkoreanischer Seite habe ich doch auch Nachdenken feststellen können, weil ich deutlich gemacht habe, dass es einfach für politische Agitation Grenzen gibt und hasserfüllte Predigten in einer Andacht nichts zu suchen haben.
    Viele Prestigeprojekte zum 70. Jahrestag der Parteigründung
    Müller: Sie sind ja, Herr Koschyk, durch die Straßen von Pjöngjang gefahren. Was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen, was konnten Sie beobachten?
    Koschyk: Sie dürfen Pjöngjang nicht mit dem Rest Nordkoreas vergleichen, und deshalb lege ich bei all diesen Reisen immer Wert darauf, auch rauszufahren ins Land. In Pjöngjang hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Der bilaterale Handelsaustausch Nordkoreas mit Chinas hat sich ja in den letzten Jahren vervielfacht und das sieht man vor allem in Pjöngjang und das Regime rüstet jetzt zum 70. Jahrestag der Gründung der Partei der Arbeit Koreas, wie die Staatspartei dort heißt, und deshalb sehen Sie viele Prestigeprojekte. Riesige Stadtteile sind neu entstanden, ein Tempel der Wissenschaft soll entstehen. Aber auch im Land merken Sie jetzt vor allem zur Reispflanzzeit, dass jedes Stück Land bebaut ist, und man erlaubt ja jetzt auch den Bürgern, in ihren Vorgärten dort, das Obst und Gemüse, was angebaut wird, selber zu verbrauchen. Und an allen Ecken und Enden des Landes sehen Sie Tauschwirtschaft. Das wird vom Staat toleriert, um die Versorgungslage zu entspannen.
    Müller: Wir hatten gestern, Herr Koschyk, noch Zahlen gefunden vom Welternährungsprogramm. 40 Prozent der Bevölkerung soll immer noch unterernährt sein. Das würde mehr als zehn Millionen Menschen treffen. Das sind jedenfalls die offiziellen Zahlen im Moment, die vorliegen. Sie haben ein Zeichen der Hoffnung, Sie haben Zeichen des Lichtblicks gesehen?
    Koschyk: Die Versorgungslage ist angespannt, aber wir haben nicht mehr die Situation von akuten Hungersnöten. Das sagen einem auch die Fachleute, die das von der internationalen Seite beurteilen können. Aber Sie merken natürlich, dass die Spuren jahrelangen Hungers an den Menschen nicht vorübergegangen sind. Man weiß auch durch Untersuchungen und man kann es mit den Augen sehen, dass die Kinder und die Jugendlichen, ja auch manche junge Erwachsene kleiner sind als die vergleichbare Bevölkerung im Süden, und vor allem diejenigen, die in der nordkoreanischen Armee Arbeitsdienst leisten müssen, da sehen Sie, dass Unterernährung an der Gestalt der Menschen offensichtlich ist.
    Große Veränderungen derzeit nicht erkennbar
    Müller: Zum Schluss, Herr Koschyk, noch die Frage. Kim Jong-un, neben den Repressionen, neben den Dingen, über die wir regelmäßig berichten, könnte für Nordkorea auch etwas zum Positiven bewegen?
    Koschyk: Das weiß ich nicht. Bislang gibt es allenfalls von ihm Ankündigungen, und wirkliche Bereitschaft zum Dialog ist noch nicht erkennbar. Im Gegenteil: Momentan spürt man eher wieder Verhärtung, und deshalb ist es so wichtig, dass die politischen Stiftungen aus Deutschland - übrigens von Südkorea aus, was die Nordkoreaner akzeptieren - Projekte machen, Stipendien vergeben, im Gesundheitssektor zusammenarbeiten. Ich habe ein Wiederaufforstungsprojekt mithilfe der Europäischen Union besucht. Und dass die Nordkoreaner dies seit Aufnahme unserer diplomatischen Beziehungen im Jahr 2001 gestatten, das ist ein kleiner Ansatz, in diesem Land kleine Schritte der Veränderung einzuleiten. Große Veränderungen politischer Art hin zur Öffnung, hin zum Dialog kann man derzeit aber nicht feststellen.
    Müller: Vielen Dank an Hartmut Koschyk, der mehrere Tage in Nordkorea war. Er ist Vorsitzender der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe. Auf Wiederhören nach Seoul.
    Koschyk: Auf Wiederhören nach Deutschland.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.