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CDU-Politiker Merz zu Kanzlerkandidatur
"Kanzler kann werden, wer Krise kann"

Friedrich Merz will im Dezember CDU-Parteivorsitzender werden, konnte sich in der Coronakrise aber kaum profilieren. Für ihn ist das aber kein Problem. Er habe in seinem Berufsleben bewiesen, dass er führen könne, sagte Merz im Dlf.

Friedrich Merz im Gespräch mit Philipp May |
Friedrich Merz (CDU)
Friedrich Merz (CDU) will beim CDU-Bundesparteitag im Dezember als Parteivorsitzender gewählt werden. (dpa / Kay Nietfeld)
Am 4. Dezember wählt die CDU einen neuen Parteivorsitzenden. Zur Wahl stehen NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, Norbert Röttgen und Friedrich Merz. Es gilt als wahrscheinlich, dass der neue Parteivorsitzende auch als CDU/CSU-Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl 2021 gehe. Spekuliert wird auch über eine Kandidatur von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der in der Coronakrise bisher positiv in Erscheinung getreten ist.

Der Wirtschaftsexperte Friedrich Merz konnte sich während der Coronakrise nur wenig in den Vordergrund bringen, da er aktuell kein politisches Amt inne hat. Im Gegensatz zu seinen Konkurrenten, den Ministerpräsidenten Laschet und Söder sowie dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen. "Kanzler kann werden, wer Krise kann und wer Erfahrung in der Politik hat", sagte Merz zu einer möglichen Kanzlerkandidatur. Er sagte, dass er in seinem Berufsleben bewiesen habe, dass er führen könne und politische Verantwortung übernehmen könne. Merz gab aber zu, dass sein Profil ein anderes, als das seiner Mitbewerber sei.
Die Kandidaten für den CDU-Vorsitz: Armin Laschet, Norbert Röttgen und Friedrich Merz (v.l.)
Wer wird neuer CDU-Parteivorsitzender?
Nach dem angekündigten Rücktritt von Annegret Kramp-Karrenbauer sucht die Partei im Dezember einen neuen Vorsitzenden. Norbert Röttgen, Armin Laschet und Friedrich Merz haben ihre Kandidatur erklärt. Jens Spahn hat bereits seine Verzicht erklärt.
Nur als Team in die Bundestagswahl 2021
Dass der CDU-Parteivorsitzende nicht als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl gehe, sondern für einen anderen Politiker verzichte, wollte Merz nicht kommentieren. Die CDU und die CSU werde nur als Team in die Bundestagswahl 2021 gehen, sagte der CDU-Politiker. Wie dieses Team zusammengestellt werde, entscheide nur der CDU-Bundesparteitag im Dezember. Merz wollte dazu sagen, ob er sich für ein Bundestagsmandat bewerbe.
Merz äußerte sich auch zum Wiederaufbaufonds in der Europäischen Union. Der neue Fonds dürfe nicht für alte Schulden verwendet werden, sondern müsse für neue Technologien verwendet werden. "Wir brauchen europäische Digitalpolitik", sagte Merz.
"Europa ist vorangekommen, wenn es Krisen gab"
Die Entwicklung der EU sei in den letzten Jahren nicht vorangegangen, sondern eher zurück. Zu viele Länder hätten nur auf sich geschaut, sagte er. "Europa ist immer einen Schritt vorangekommen, wenn es Krisen gab." Europa müsse weltpolitikfähig werden, sagte Merz, ansonsten würde man nur Spielball Dritter.
Merz kritisierte, dass der Bund in Deutschland Beteiligungen an der Commerzbank und der Telekom, es gebe aber keinerlei Bemühungen, daraus große europäische Unternehmen zu machen, die global wettbewerbsfähig sind. Hier müssten Rahmenbedingungen geschafft werden, um dies zu schaffen.

Das Interview in voller Länge:
May: Brauchen wir die Vereinigten Staaten von Europa?
Merz: Wir brauchen in der Lage, in der wir jetzt sind, einen beherzten Schritt nach vorne, und wir brauchen vor allem eine Absicherung der Währungsunion durch eine integrierte Wirtschaftspolitik der Europäischen Union, und es heißt ja auch Wirtschafts- und Währungsunion und nicht nur Währungsunion. Aber Wolfgang Schäuble hat in seinem Beitrag in der "FAZ" vorgestern zurecht darauf hingewiesen: Da fehlt etwas, und es fehlt vor allem eine europäische Wirtschaftspolitik.
"Europa muss jetzt Wirtschaftpolitik machen"
May: Finden Sie auch, dass die reine Debatte um einen gemeinsamen europäischen Wiederaufbaufonds für die Corona-Krise, wie ihn jetzt Merkel und Macron anstreben, zu kurz greift?
Merz: Nein, sie greift nicht zu kurz. Aber sie muss in einem größeren Kontext gesehen werden. Dieser europäische Wirtschaftsfonds oder Wiederaufbaufonds soll ja und darf auch nicht für alte Schulden verwendet werden, sondern er muss für neue, grenzüberschreitende europäische Technologien verwendet werden, und da zeigt sich, wo die Währungsunion in der Tat unvollkommen geblieben ist. Die Rechtsgrundlage, auf die sich die Staats- und Regierungschefs ja auch berufen, nämlich den Artikel 122 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, steht in einem Abschnitt des Vertrages, der ist nicht überschrieben mit "Die Finanzpolitik" oder "Die Währungspolitik". Der ist überschrieben mit "Die Wirtschaftspolitik". Europa muss jetzt Wirtschaftspolitik machen.
"Wir brauchen europäische Digitalpolitik"
May: Und wie soll die aussehen, ganz konkret?
Merz: Die soll sehr konkret so aussehen, dass Europa jetzt sich wirklich auf seine Stärken besinnt und insbesondere im Bereich neuer Technologien etwas Gemeinsames auf den Weg bringt. Ich nenne Ihnen einfach nur mal das Beispiel, das ist fast schon trivial. Wir brauchen europäische Digitalpolitik. Wir brauchen europäische digitale Unternehmen. Wir brauchen hier einen stärker integrierten europäischen Binnenmarkt.
Schauen Sie sich auch die Unternehmenslandschaft an. Wir haben in Europa 200 konkurrierende Digitalunternehmen. Amerika hat zwei oder drei, China hat zwei oder drei. Wir haben 200! Das ist keine Überraschung und kein Wunder, dass Europa in der digitalen Infrastruktur nicht so schnell vorankommt, wie wir eigentlich vorankommen müssten, und dazu kann jetzt dieser Aufbaufonds einen Beitrag leisten.
May: Kann man das denn von oben verordnen?
Merz: Das kann man nicht allein von oben anordnen oder verordnen. Das kann man aber mit Rahmenbedingungen so öffnen, dass auch Unternehmen entstehen, die diesen Anspruch erfüllen, dass sie nämlich wirklich europäische Unternehmen sind. Ich zögere deswegen auch nicht, den Begriff europäische Industriestrukturpolitik in den Mund zu nehmen. Europa muss jetzt Industriepolitik machen in dem Sinne, dass es wirklich grenzüberschreitende europäische Unternehmen geben kann, die diese Aufgabe erfüllen.
Commerzbank-Beteiligung: "Was hat der Bund für eine Vorstellung gehabt"
May: Das klingt ja fast schon sozialdemokratisch aus Ihrem Munde.
Merz: Nein, das hat mit sozialdemokratisch gar nichts zu tun. Es hat schlicht und ergreifend etwas mit der Frage zu tun, wie können wir eigentlich grenzüberschreitend in dieser Europäischen Union wirtschaftspolitisch denken. Und der Bundeswirtschaftsminister hat dazu ja schon mal einen Anlauf unternommen. Der ist zu kurz geblieben. Der ist auch zu wenig diskutiert worden. Er zeigte aber in die richtige Richtung.
Schauen Sie sich auch die Bankenlandschaft an. Wir haben keine europäischen Banken. Der Bund hat eine Beteiligung an der Commerzbank. Diese Commerzbank ist jetzt in große Schwierigkeiten geraten. Was hat der Bund eigentlich für eine Vorstellung gehabt in den letzten zehn Jahren mit dieser Beteiligung an dieser Bank! Der Bund hat eine große Beteiligung am Unternehmen Deutsche Telekom. Ist das eine Finanzbeteiligung, oder ist das eine strategische Beteiligung mit einem Ziel, daraus mehr zu machen als nur eine Deutsche Telekom.
Logo der Commerzbank an der Zentrale der Commerzbank AG im Commerzbank Tower in Frankfurt am Main
Niedrigzins und Digitalisierung
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Sonnenuntergang im Bankenviertel von Frankfurt, in der Mitte die Commerzbank, vorne die Paulskirche.
Deutsches Bankensystem - Sonderfall mit unklarer Zukunft
Sowohl die Deutsche Bank als auch die Commerzbank feiern in diesen Tagen ihr 150-jähriges Bestehen. Privatbanken wie diese bilden aber nur eine der drei Säulen des deutschen Bankensystems. Ob diese Besonderheit auch in Zukunft bestehen bleiben wird, könnte an politischen Entscheidungen hängen.
May: Aber mehr globale Champions, da geht Ihnen doch der deutsche Mittelstand von der Fahne.
Merz: Das Gegenteil ist richtig, Herr May. Der deutsche Mittelstand hat ein großes Interesse daran, dass es europäische große Unternehmen gibt, genauso wie es übrigens längst im Mittelstand auch europäische Unternehmen gibt. Die Politik muss jetzt Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass solche Unternehmen entstehen können und dass solche Unternehmen auch global wettbewerbsfähig sind.
May: Aber der Mittelstand hat sich doch gegen Altmaiers Vorschlag mit Händen und Füßen gewehrt.
Merz: Nein, sie haben sich aus ganz anderen Gründen dagegen gewehrt. Sie haben sich dagegen gewehrt, weil da Branchen abschließend aufgezählt wurden, die jetzt in den Fokus der Politik gestellt werden sollen. Das war auch eine berechtigte Kritik. Aber dass wir in Europa so nicht weitermachen können, wie wir gegenwärtig agieren, ich glaube, das liegt auf der Hand und das zeigt die Krise.
"Zustand der Europäischen Union hat sich nicht fortenwickelt"
May: Herr Merz, jetzt ist die Erkenntnis, dass Europa in der Krise nicht richtig funktioniert, ja nicht ganz neu, um es mal so zu formulieren, und auch der Ruf nach Reformen als Lehre daraus. Wieso ist da in den letzten 15 Jahren, in denen die CDU den Kanzler beziehungsweise die Kanzlerin stellt, nichts passiert?
Merz: Herr May, das ist ja nicht die Verantwortung einer einzelnen Person oder einer Regierung, sondern das ist einfach der Zustand dieser Europäischen Union, der sich in den letzten Jahren nicht fortentwickelt hat, sondern der eher zurückgegangen ist in der Integration und wo viele europäische Länder viel zu viel auf sich selbst geschaut haben und zu wenig bereit waren, europäisch zu denken.
"Europa ist vorangekommen, wenn es Krisen gab"
May: Was macht Sie so sicher, dass sich das ändert?
Merz: Europa ist immer dann einen großen Schritt vorangekommen, wenn es Krisen gab. Europa ist nie organisch über einen langen Zeitraum gewachsen und entstanden, sondern ist immer in Sprüngen nach vorne gekommen, wenn es denn wirklich herausgefordert war. Und Europa ist jetzt herausgefordert und wir müssen uns alle die Frage stellen, wollen wir so weitermachen wie in den letzten 30 Jahren, oder wollen wir jetzt die Chance nutzen, aus dieser Währungsunion auch eine Wirtschaftsunion zu machen, etwas daraus zu machen, was auf der Welt Rang und Gewicht hat. Jean-Claude Juncker hat es mal mit dem schönen Begriff verbunden, Europa muss weltpolitikfähig werden. Genau das ist jetzt die Stunde. Europa muss weltpolitikfähig werden. Sonst fallen wir zurück und werden nur noch Spielball Dritter.
"Wir brauchen auch ein euroäisches Asylrecht"
May: Wo Sie Krisen ansprechen und die These aufstellen, dass Europa da vorangekommen ist. Mir fällt spontan ein die Finanzkrise, die Griechenlandkrise, die Flüchtlingskrise. Ist Europa in irgendeiner dieser Krisen wirklich substanziell einen Schritt nach vorne gekommen?
Merz: Ja! In der Finanzkrise ist Europa substanziell einen großen Schritt nach vorne gekommen. Da ist viel geschehen, insbesondere in der gesamten Bankenaufsicht, in der Integration der Kapitalmärkte. Da ist viel geschehen, vielleicht nicht genug, aber es ist einiges geschehen.
In der Flüchtlingskrise noch nicht. Wolfgang Schäuble hat übrigens auch in seinem Artikel genau darauf hingewiesen. Wir brauchen hier auch ein europäisches Asylrecht. Wir müssen uns über europäische Außen- und Sicherheitspolitik verständigen. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat ein großes Aufgabenpaket vor sich und wir sollten sie nicht überfrachten. Es gibt aktuelle Themen, die gelöst werden müssen, bis hin zum Brexit, der möglicherweise ungeordnet Ende des Jahres vonstattengehen kann. Aber jetzt etwas zu tun und wirklich über die Grenzen des Bisherigen hinaus zu denken, ich denke, das ist eine große Aufgabe.
Zerfledderte Europa Fahne im Wind
Streit um EU-Finanzhilfen in der Coronakrise
Die EU-Kommission hat ein Hilfspaket von 750 Milliarden Euro zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise vorgeschlagen. Art und Finanzierung der Finanzhilfen sind hoch umstritten, was auch in zwei schon länger vorliegenden unterschiedlichen Konzepten zum Ausdruck kommt. Ein Überblick.
May: Die Themen sind vielfältig und wir wollen auch das Interview nicht überfrachten. Deswegen bleiben wir mal beim Thema Wirtschaftspolitik. Die Sorgen sind natürlich bei vielen groß, wenn das Wort Wirtschaftsunion fällt, dass dann im nächsten Schritt das Wort Schuldenunion fällt. Kommt es von einer Wirtschaftsunion im zweiten Schritt zwangsläufig zu einer Schuldenunion in Europa?
Merz: Das sollte es nicht und das darf es auch nicht. Im selben Abschnitt, den ich gerade aus dem Vertrag zitiert habe, stehen auch die Regeln, dass diese Europäische Union prinzipiell keine eigenen Schulden aufnehmen darf und dass auch das Schuldenübernahmeverbot im Vertrag steht.
May: Aber das macht sie jetzt ja.
Merz: Na ja. Sie machen es mit einer gewagten Konstruktion in einer schwierigen Lage. Ich halte das für richtig. Das ist eine Gratwanderung. Aber wenn das Geld, das jetzt die Mitgliedsstaaten zu Gunsten der Europäischen Union aufnehmen, investiert wird genau in diese Technologien, in zukunftsfähige Projekte, in den Innovationssprung, den Europa braucht, dann kommt es genau denen zugute, die es auch wieder zurückzahlen müssen, nämlich der jungen Generation. Und dann lässt es sich auch rechtfertigen.
May: Aber muss es dann nicht auch zwangsläufig eine gemeinsame Haushaltspolitik geben und im Prinzip logischerweise auch eine gemeinsame Schuldenpolitik?
Merz: Nein, es muss eine gemeinsame europäische Kontrolle geben, und diese Kontrolle muss vor allem das Europäische Parlament ausüben. Das Europäische Parlament ist der Sachwalter und der Treuhänder der europäischen Wählerinnen und Wähler. Und wenn es um so viel Geld geht, das jetzt in die Hand der Europäischen Union gelegt wird, dann kann das nicht alleine die Kommission machen, auch nicht die Mitgliedsstaaten; dann muss das Europäische Parlament eine wichtige Rolle spielen in der Kontrolle dessen, was da ausgegeben wird.
"EU-Mitgliedsstaaten müssen wieder vorangehen"
May: Ohne Änderung der EU-Verträge geht es auf keinen Fall?
Merz: Das ist eine spannende Frage. Änderungen in kurzer Zeit herbeizuführen, lässt sich nicht machen. Das ist ausgeschlossen. Änderungen der europäischen Verträge sind zu kompliziert. Aber ich denke, man hat im europäischen Primärrecht, auch im europäischen Sekundärrecht genügend Möglichkeiten, das jetzt ohne Vertragsänderung jedenfalls vorläufig zu machen. Irgendwann werden wir sicher auch über eine Änderung der europäischen Verträge wieder reden müssen.
May: Und erst mal eine Koalition möglicherweise der Willigen, Deutschland und Frankreich zum Beispiel, wo die einen mit 62 in Rente gehen und die anderen mit 67?
Merz: Ich teile genau den Punkt. Es müssen auch Mitgliedsstaaten wieder vorangehen. Das geht nur intergouvernemental. Aber das kann auch immer nur eine Zwischenphase sein, um dann am Ende auch wirklich integrierte europäische gemeinsame Politik zu machen.
"Kanzler kann werden, wer Krise kann"
May: Herr Merz, viel zu tun auf jeden Fall für die deutsche Ratspräsidentschaft. Ist in einem halben Jahr nicht zu schaffen. Also müssen Sie Kanzler werden. – Schöne Überleitung, oder?
Merz: Ja! Man kann’s ja mal versuchen! – Wir wählen am 4. Dezember einen neuen Parteivorsitzenden der CDU und Anfang des Jahres 2021 werden sich CDU und CSU auf einen gemeinsamen Kanzlerkandidaten verständigen. Das ist der Zeitplan und an den sollten wir uns halten.
May: Jetzt sagt aber CSU-Chef Markus Söder, Kanzler kann nur werden, wer sich in der Coronakrise bewährt hat. Da fallen Sie dann ja raus.
Merz: Nein. Kanzler kann werden, wer Krise kann und wer Erfahrung hat auch in der Politik, und das ist etwas, was wir gemeinsam dann besprechen, wenn es soweit ist.
"Habe bewiesen, dass ich führen kann"
May: Wann haben Sie denn bewiesen, dass Sie Krise können?
Merz: Ich glaube, ich habe in meinem Berufsleben oft genug bewiesen, dass ich auch führen kann, dass ich auch politische Verantwortung übernehmen kann. Sie haben es gerade selber gesagt: Ich war fünf Jahre im Europäischen Parlament. Ich war 15 Jahre Mitglied des Deutschen Bundestages. Ich habe daneben eine ganze Reihe von beruflichen Führungserfahrungen. Ich habe ein anderes Profil als andere Mitbewerber, das ist wohl wahr, aber genau darüber werden wir uns ja nach dem Parteitag unterhalten.
May: Können Sie sich denn grundsätzlich für sich vorstellen, Sie werden zum CDU-Vorsitzenden gewählt in Stuttgart im Dezember und gehen dann ein dreiviertel Jahr später nicht als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl, sondern CSU-Chef Markus Söder?
Merz: Was ich mir vorstellen kann und was ich mir nicht vorstellen kann, das werde ich mit denen erörtern, die es angeht, und ich habe immer großen Respekt vor der gemeinsamen Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU gehabt. Wir können nur von gegenseitigem Respekt leben und erfolgreich sein und deswegen werde ich genau das einhalten. Wir reden miteinander, wenn es soweit ist, und das wird im Januar 2021 sein.
May: Muss das denn bis zum Parteitag geklärt sein, ob Söder Kanzlerkandidat werden will, oder kann sich das wirklich dann noch bis in den Januar ziehen?
Merz: Noch mal, Herr May. Wir haben einen Zeitplan verabredet und ich bin an der Stelle konservativ.
"CDU und CSU entscheiden gemeinsam über den Kanzlerkandidaten"
May: Das fordern aber viele. Das fordern viele in der Union.
Merz: Das mag ja sein. Ich mache mir diese Forderung nicht zu eigen. Wir haben einen Zeitplan verabredet und der lautet, die CDU entscheidet über ihre Führung und dann entscheiden CDU und CSU gemeinsam über den Kanzlerkandidaten, und dabei sollte es bleiben.
May: Und eine Teamlösung vor dem Parteitag, um eine Kampfstimmung zu vermeiden, können Sie sich das vorstellen?
Merz: Die CDU und die Union insgesamt werden ohnehin nur im Team in die Bundestagswahl 2021 gehen, und wie dieses Team zusammengesetzt wird, darüber entscheidet unter anderem, nicht allein, aber unter anderem der CDU-Bundesparteitag im Dezember.
May: Herr Merz, jetzt gibt es ja doch den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie am Ende nicht zum CDU-Vorsitzenden gewählt werden. Bewerben Sie sich dennoch in jedem Fall um ein Bundestagsmandat?
Merz: Herr May, ich denke selten bis nie über unwahrscheinliche Fälle nach, sondern ich denke in der Regel über wahrscheinliche Fälle nach, und ich konzentriere mich jetzt voll und ganz auf diese Entscheidung am 4. Dezember und denke nicht in Ersatzszenarien.
May: Aber um ein Bundestagsmandat bewerben Sie sich?
Merz: Das hat eine gewisse Logik. Aber auch dazu werde ich mich erst entscheiden und äußern, wenn es soweit ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.