Friedbert Meurer: Die CDU verliert wichtige Landtagswahlen wie in Baden-Württemberg, ihrem Stammland, oder in Nordrhein-Westfalen. Das hat 2005 Gerhard Schröder in vergleichbarer Situation um die Macht gebracht. Nicht so jetzt bei der CDU: Mehr denn je ist Angela Merkel die unangefochtene Nummer eins der Partei. Auf dem Parteikonvent in Hannover wurde sie mit einem Rekordergebnis als Vorsitzende wiedergewählt. Auf ihr ruhen eben alle Hoffnungen der Partei, insbesondere mit Blick auf die Bundestagswahl.
Die weitgehende Geschlossenheit in der CDU hat ihren Preis, und der lautet: Es darf und soll hier nicht gestritten werden. Viele Anträge wurden im Vorfeld von der Antragskommission entschärft. Ein Thema aber wurde wie gehört doch kontrovers diskutiert, nämlich die Frage, ob homosexuelle Lebenspartnerschaften vom Steuerprivileg des Ehegattensplittings profitieren sollen.
- Mein Kollege Tobias Armbrüster fragte gestern den CDU-Delegierten Jan-Marco Luczak, den wir gerade gehört haben und der einer der Initiatoren des Gleichstellungsantrages ist, wie groß seine Enttäuschung nach dem Nein des Parteitages ist.
Jan-Marco Luczak: Nun, natürlich ist es so: Wenn man einen solchen Antrag einbringt, dafür wirbt, dafür kämpft, um Unterstützung bittet, natürlich möchte man, dass ein solcher Antrag dann hinterher auch erfolgreich ist. Aber ich finde, unter dem Strich muss man sagen: Wir haben eine wirklich sehr gute Debatte geführt, eine sehr offene, sehr sachlich orientierte Debatte, und ich finde, man hat gesehen – und das war für uns als Initiatoren ja auch wichtig -, dass die CDU deutlich weiter ist, als das vor zehn, 15 Jahren der Fall gewesen ist. Und eine solche Debatte hätten wir, glaube ich, zu dieser Zeit gar nicht führen können.
Tobias Armbrüster: Aber kann die CDU dennoch eine politische Heimat sein für Schwule und für Lesben?
Luczak: Wir haben viele Schwule und Lesben, die sich bei uns in der CDU engagieren, die Mandate bekleiden, die Funktionen bekleiden und sich sehr, sehr engagiert in unsere politische Arbeit einbringen. Das soll auch in Zukunft so sein. Und ich glaube, dass es ja auch wichtig ist, noch mal dieses Prozesshafte zu beschreiben, dass wir, wie gesagt, vor zehn, 15 Jahren eine solche Diskussion nicht hätten führen können. Wir stehen jetzt auch noch nicht am Ende der Diskussion, sondern wir werden jetzt natürlich weiter Gespräche führen, wir werden jetzt in den kommenden Monaten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bekommen. Und dann werden meine Kollegen und ich uns dafür einsetzen und dafür werben, dass wir dieses Urteil dann schnellstmöglich umsetzen.
Armbrüster: Man könnte auch sagen, innerhalb Ihrer Partei rennen Sie da vor eine Wand.
Luczak: Das kann man nicht so sagen, wenn man sich das Votum des Bundesparteitages anschaut. Wir wussten, es wird knapp. Es ist ungefähr 60 zu 40 ausgegangen. Und ich glaube, dass 40 Prozent unserer Bundesparteitagsdelegierten sagen, ja, wir wollen diese steuerliche Gleichstellung, das ist, glaube ich, auch schon ein Signal, was viele, glaube ich, auch nicht erwartet hätten. Ich glaube, viele hätten gesagt, das geht viel, viel deutlicher zu unseren Lasten aus. Und ich finde, das ist ein gutes Signal, dass es eben nicht so gewesen ist.
Armbrüster: Sie versuchen hier, ganz offensichtlich und sehr geschickt aus einer Niederlage noch etwas Positives rauszulesen. Aber viele, die das verfolgt haben, fragen sich natürlich, warum tut sich ein Politiker das an, einen solchen Vorschlag ausgerechnet in einer konservativen Partei wie der CDU durchzuboxen? Wäre er nicht einfach in einer anderen Partei sehr viel besser aufgehoben?
Luczak: Nein. Ich bin ja nicht nur in der CDU aus diesem Grunde, sondern mich vereint mit der CDU ganz viele inhaltliche Positionen. Und natürlich ist das wie immer im Leben so: Es muss einem auch nicht alles gefallen an seinem Partner, wenn ich sozusagen die CDU mal als meinen Partner bezeichnete. Man versucht, dann miteinander zu reden und vielleicht auch Dinge zu ändern, gemeinsam zu ändern. Insofern wäre das der falsche Weg, man streicht jetzt die Segel und geht woanders hin, sondern unsere Diskussion geht weiter und mir ist es wichtig, wir müssen als CDU eben gesellschaftliche Realitäten vielleicht auch noch stärker anerkennen. Und das kann eben nur aus einem Diskussionsprozess innerhalb der Partei erfolgen und da möchte ich gerne auch weiterhin dran mitwirken.
Armbrüster: Aber jetzt stelle ich mir mal einen schwulen, an Politik interessierten jungen Menschen vor, der sich diese Debatte heute angesehen hat. Der wird doch ganz eindeutig zu dem Schluss kommen, in dieser Partei bin ich auf jeden Fall nicht willkommen.
Luczak: Also meine Erfahrung ist, wenn ich mit Schwulen rede, dass die sich sehr ungern - und ich finde, auch zurecht sehr ungern - darauf reduzieren lassen, dass sie schwul sind. Sondern selbstverständlich ist es so, dass auch Schwule ein Interesse haben, dass sie nachts sicher auf die Straße gehen können. Auch Schwule haben ein Interesse daran, dass sie in einer Stadt leben, der es wirtschaftlich gut geht. Auch Schwule haben ein Interesse, dass das Bildungssystem in unserem Land funktioniert. Also es gibt sehr viele Punkte, wo man sich selbstverständlich auch als Schwuler auch mit der CDU noch identifizieren kann. Und deswegen die Entscheidung, ob ich in einer Partei mich engagiere, ob ich sie wähle, das hängt eben nicht an einer solch einzigen Frage, sondern das sind sehr, sehr viele andere Punkte, die da auch noch eine Rolle spielen.
Armbrüster: Aber das ist ja eine sehr zentrale Frage, wie ich mein Leben persönlich gestalte, mit wem ich zusammenlebe, in was für einer Art von Gemeinschaft ich lebe.
Luczak: Deswegen ist mir und aber auch allen anderen, die an der Debatte heute teilgenommen haben, ja auch sehr wichtig gewesen, dass wir sagen, wir respektieren und anerkennen, wenn eingetragene Lebenspartnerschaften füreinander Verantwortung übernehmen. Ich hätte mir gewünscht – deswegen habe ich diesen Antrag ja auch mit unterstützt -, dass wir daraus auch Konsequenzen gezogen hätten im Steuerrecht. Aber trotzdem: Uns eint – und da besteht auch Konsens zwischen allen -, dass wir Schwule, Lesben ja nicht diskriminieren wollen, dass wir sie nicht benachteiligen wollen, sondern dass wir sie und ihre Art zu leben, wie sie eben sind, akzeptieren.
Armbrüster: Aber genau das passiert doch hier! Schwule und Lesben werden durch diese Nichtannahme dieses Antrags benachteiligt und diskriminiert in der CDU.
Luczak: Noch mal: Ich habe mich ja dafür eingesetzt, dass wir diese steuerliche Gleichbehandlung hier an dieser Stelle auch fortführen, weil ich der Überzeugung bin, dass das in der Tat so auch richtig wäre. Man kann das natürlich – das war ja das Argument unserer Kritiker – mit dem Verweis auf Ehe und Familie auch anders sehen. Ich glaube, für viele hat auch eine Rolle gespielt, dass sie gesagt haben, wir stehen doch jetzt kurz vor diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, lasst es uns doch abwarten, dann haben wir sozusagen keinen vorauseilenden Gehorsam. Ich persönlich teile dieses Argument nicht, aber ich glaube, das hat bei vielen eine Rolle gespielt, sodass sie dann gesagt haben, okay, dann warten wir jetzt noch diese wenige Monate ab und dann setzen wir es um.
Armbrüster: Sie sind ja auch Anwalt und Rechtspolitiker. Verstößt die aktuelle Regelung denn Ihrer Meinung nach gegen die Verfassung?
Luczak: Wenn ich mir die Rechtsprechung und die Entwicklung vor allen Dingen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anschaue, bin ich mir sehr sicher, dass wir in den kommenden Monaten, wenn das Bundesverfassungsgericht sein Urteil fällen wird, hier einen Auftrag bekommen werden, bei der steuerlichen Gleichbehandlung voranzuschreiten. Ich glaube, dass die Regelung, wie wir sie derzeit haben, nicht in Einklang mit der Verfassung steht.
Meurer: Mit dem CDU-Politiker Jan-Marco Luczak sprach mein Kollege Tobias Armbrüster.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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04.12.12: Merkel stellt sich auf Parteitag zur Wiederwahl - Streit über die steuerliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften erwartet
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- Mein Kollege Tobias Armbrüster fragte gestern den CDU-Delegierten Jan-Marco Luczak, den wir gerade gehört haben und der einer der Initiatoren des Gleichstellungsantrages ist, wie groß seine Enttäuschung nach dem Nein des Parteitages ist.
Jan-Marco Luczak: Nun, natürlich ist es so: Wenn man einen solchen Antrag einbringt, dafür wirbt, dafür kämpft, um Unterstützung bittet, natürlich möchte man, dass ein solcher Antrag dann hinterher auch erfolgreich ist. Aber ich finde, unter dem Strich muss man sagen: Wir haben eine wirklich sehr gute Debatte geführt, eine sehr offene, sehr sachlich orientierte Debatte, und ich finde, man hat gesehen – und das war für uns als Initiatoren ja auch wichtig -, dass die CDU deutlich weiter ist, als das vor zehn, 15 Jahren der Fall gewesen ist. Und eine solche Debatte hätten wir, glaube ich, zu dieser Zeit gar nicht führen können.
Tobias Armbrüster: Aber kann die CDU dennoch eine politische Heimat sein für Schwule und für Lesben?
Luczak: Wir haben viele Schwule und Lesben, die sich bei uns in der CDU engagieren, die Mandate bekleiden, die Funktionen bekleiden und sich sehr, sehr engagiert in unsere politische Arbeit einbringen. Das soll auch in Zukunft so sein. Und ich glaube, dass es ja auch wichtig ist, noch mal dieses Prozesshafte zu beschreiben, dass wir, wie gesagt, vor zehn, 15 Jahren eine solche Diskussion nicht hätten führen können. Wir stehen jetzt auch noch nicht am Ende der Diskussion, sondern wir werden jetzt natürlich weiter Gespräche führen, wir werden jetzt in den kommenden Monaten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bekommen. Und dann werden meine Kollegen und ich uns dafür einsetzen und dafür werben, dass wir dieses Urteil dann schnellstmöglich umsetzen.
Armbrüster: Man könnte auch sagen, innerhalb Ihrer Partei rennen Sie da vor eine Wand.
Luczak: Das kann man nicht so sagen, wenn man sich das Votum des Bundesparteitages anschaut. Wir wussten, es wird knapp. Es ist ungefähr 60 zu 40 ausgegangen. Und ich glaube, dass 40 Prozent unserer Bundesparteitagsdelegierten sagen, ja, wir wollen diese steuerliche Gleichstellung, das ist, glaube ich, auch schon ein Signal, was viele, glaube ich, auch nicht erwartet hätten. Ich glaube, viele hätten gesagt, das geht viel, viel deutlicher zu unseren Lasten aus. Und ich finde, das ist ein gutes Signal, dass es eben nicht so gewesen ist.
Armbrüster: Sie versuchen hier, ganz offensichtlich und sehr geschickt aus einer Niederlage noch etwas Positives rauszulesen. Aber viele, die das verfolgt haben, fragen sich natürlich, warum tut sich ein Politiker das an, einen solchen Vorschlag ausgerechnet in einer konservativen Partei wie der CDU durchzuboxen? Wäre er nicht einfach in einer anderen Partei sehr viel besser aufgehoben?
Luczak: Nein. Ich bin ja nicht nur in der CDU aus diesem Grunde, sondern mich vereint mit der CDU ganz viele inhaltliche Positionen. Und natürlich ist das wie immer im Leben so: Es muss einem auch nicht alles gefallen an seinem Partner, wenn ich sozusagen die CDU mal als meinen Partner bezeichnete. Man versucht, dann miteinander zu reden und vielleicht auch Dinge zu ändern, gemeinsam zu ändern. Insofern wäre das der falsche Weg, man streicht jetzt die Segel und geht woanders hin, sondern unsere Diskussion geht weiter und mir ist es wichtig, wir müssen als CDU eben gesellschaftliche Realitäten vielleicht auch noch stärker anerkennen. Und das kann eben nur aus einem Diskussionsprozess innerhalb der Partei erfolgen und da möchte ich gerne auch weiterhin dran mitwirken.
Armbrüster: Aber jetzt stelle ich mir mal einen schwulen, an Politik interessierten jungen Menschen vor, der sich diese Debatte heute angesehen hat. Der wird doch ganz eindeutig zu dem Schluss kommen, in dieser Partei bin ich auf jeden Fall nicht willkommen.
Luczak: Also meine Erfahrung ist, wenn ich mit Schwulen rede, dass die sich sehr ungern - und ich finde, auch zurecht sehr ungern - darauf reduzieren lassen, dass sie schwul sind. Sondern selbstverständlich ist es so, dass auch Schwule ein Interesse haben, dass sie nachts sicher auf die Straße gehen können. Auch Schwule haben ein Interesse daran, dass sie in einer Stadt leben, der es wirtschaftlich gut geht. Auch Schwule haben ein Interesse, dass das Bildungssystem in unserem Land funktioniert. Also es gibt sehr viele Punkte, wo man sich selbstverständlich auch als Schwuler auch mit der CDU noch identifizieren kann. Und deswegen die Entscheidung, ob ich in einer Partei mich engagiere, ob ich sie wähle, das hängt eben nicht an einer solch einzigen Frage, sondern das sind sehr, sehr viele andere Punkte, die da auch noch eine Rolle spielen.
Armbrüster: Aber das ist ja eine sehr zentrale Frage, wie ich mein Leben persönlich gestalte, mit wem ich zusammenlebe, in was für einer Art von Gemeinschaft ich lebe.
Luczak: Deswegen ist mir und aber auch allen anderen, die an der Debatte heute teilgenommen haben, ja auch sehr wichtig gewesen, dass wir sagen, wir respektieren und anerkennen, wenn eingetragene Lebenspartnerschaften füreinander Verantwortung übernehmen. Ich hätte mir gewünscht – deswegen habe ich diesen Antrag ja auch mit unterstützt -, dass wir daraus auch Konsequenzen gezogen hätten im Steuerrecht. Aber trotzdem: Uns eint – und da besteht auch Konsens zwischen allen -, dass wir Schwule, Lesben ja nicht diskriminieren wollen, dass wir sie nicht benachteiligen wollen, sondern dass wir sie und ihre Art zu leben, wie sie eben sind, akzeptieren.
Armbrüster: Aber genau das passiert doch hier! Schwule und Lesben werden durch diese Nichtannahme dieses Antrags benachteiligt und diskriminiert in der CDU.
Luczak: Noch mal: Ich habe mich ja dafür eingesetzt, dass wir diese steuerliche Gleichbehandlung hier an dieser Stelle auch fortführen, weil ich der Überzeugung bin, dass das in der Tat so auch richtig wäre. Man kann das natürlich – das war ja das Argument unserer Kritiker – mit dem Verweis auf Ehe und Familie auch anders sehen. Ich glaube, für viele hat auch eine Rolle gespielt, dass sie gesagt haben, wir stehen doch jetzt kurz vor diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, lasst es uns doch abwarten, dann haben wir sozusagen keinen vorauseilenden Gehorsam. Ich persönlich teile dieses Argument nicht, aber ich glaube, das hat bei vielen eine Rolle gespielt, sodass sie dann gesagt haben, okay, dann warten wir jetzt noch diese wenige Monate ab und dann setzen wir es um.
Armbrüster: Sie sind ja auch Anwalt und Rechtspolitiker. Verstößt die aktuelle Regelung denn Ihrer Meinung nach gegen die Verfassung?
Luczak: Wenn ich mir die Rechtsprechung und die Entwicklung vor allen Dingen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anschaue, bin ich mir sehr sicher, dass wir in den kommenden Monaten, wenn das Bundesverfassungsgericht sein Urteil fällen wird, hier einen Auftrag bekommen werden, bei der steuerlichen Gleichbehandlung voranzuschreiten. Ich glaube, dass die Regelung, wie wir sie derzeit haben, nicht in Einklang mit der Verfassung steht.
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