Christiane Kaess: Zwei Gewinner und Merkel, so titelt die "Süddeutsche Zeitung" heute. Und tatsächlich finden auch viele Beobachter, dass der Koalitionsvertrag vor allem sozialdemokratische Handschrift trägt und SPD und CSU bei der Ressortverteilung sehr gut abgeschnitten haben.
Nur geht das bei der SPD etwas unter in der Aufregung um Martin Schulz' gebrochenes Versprechen, nicht in ein Kabinett Merkel einzutreten. Ohnehin steht die Partei unter enormem Druck vor dem anstehenden Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag, aber auch in der Union gibt es Diskussion über Personen und Inhalte.
Aus Berlin berichtete Katharina Hamberger - und mitgehört hat Eckhard Rehberg von der CDU, haushaltspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Guten Tag, Herr Rehberg!
Eckhart Rehberg: Schönen guten Tag!
Kaess: Gestern wurde in Ihrer Partei gewitzelt, die CDU könne froh sein, dass sie überhaupt das Kanzleramt bekommen hat. Hat sich Ihre Partei bei der Ressortverteilung über den Tisch ziehen lassen?
Rehberg: Ich kann nur allen Schlaumeiern ins Stammbuch schreiben, dass sich jeder gut überlegen sollte, wenn die Bildung der Koalition bei der SPD schiefgegangen wäre – gut, das kann ja immer noch schief gehen wegen dem Mitgliederentscheid –, dass dann Neuwahlen die Alternative gewesen wären, lange Zeit Instabilität.
Und wie dann Neuwahlen ausgegangen wären, da mache ich mal drei Fragezeichen dahinter. Sicher, dass wir das Finanzministerium abgegeben haben, ist auch für mich als Haushaltspolitischem Sprecher jetzt kein Grund, Freudensprünge durchzuführen. Auf der anderen Seite kann man natürlich aus dem Dreiklang Bildung, Forschung, Verkehr, Digitale Infrastruktur und Wirtschaft auch Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Forschung, Entwicklung, Innovation sehr gut besetzen.
"Ein Bundesfinanzminister agiert nicht im luftleeren Raum"
Kaess: Aber wie rechtfertigen Sie, dass rein rechnerisch die zwei kleineren Parteien viel besser abschneiden, also einmal zahlentechnisch, aber auch inhaltlich bei der Ressortvergabe, denn das ist ja gerade schon angeklungen auch bei Ihnen, dass es ja sicher ein Verlust für die CDU, diese wichtigen Ministerien Finanzen und Inneres abzugeben.
Rehberg: Ja, nun ist die Bundesregierung ja nicht ganz allein da. Es gibt da den Deutschen Bundestag, und wir müssen jetzt halt gemeinsam als Finanz- und Haushaltspolitiker der Union deutlich machen, dass wir von einem zukünftigen Finanzminister der SPD erwarten, dass einmal die schwarze Null eingehalten wird, Artikel 115 Grundgesetz, die Schuldenbremse, und dass auch die erfolgreiche Europapolitik von Wolfgang Schäuble fortgesetzt wird …
Kaess: Aber Herr Rehberg, Entschuldigung, da muss ich noch mal einhaken, aber Sie würden auch –
Rehberg: … denn ein Bundesfinanzminister agiert ja nicht im luftleeren Raum, und gerade, was das Thema Europa betrifft, gibt es gewichtige Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages.
Kaess: Da können wir gleich noch weiter drüber sprechen. Aber wenn ich Sie richtig verstehe, auch Sie sagen, diese Ressortverteilung spiegelt das Wahlergebnis eigentlich nicht wider.
Rehberg: Ich hab doch gesagt, dass ich mir eher gewünscht hätte, dass das Bundesfinanzministerium bei der Union geblieben wäre. Auf der anderen Seite haben wir jetzt Wirtschaft/Energie bekommen, und ich würde auch mal jetzt keinen Trennstrich machen zwischen CDU und CSU.
Wir haben als Union insgesamt, und ich kann auf eine sehr erfolgreiche und auch vertrauensvolle Zusammenarbeit in der letzten Legislaturperiode mit der CSU zurückblicken, dass die Union doch sehr gewichtige Ministerien stellt.
"Das war ein harter Kurs, aber es war ein erfolgreicher Kurs"
Kaess: Gut, Sie haben es gerade schon kurz angesprochen, und wir haben auch im Beitrag den CDU-Bundestagsabgeordneten und Mittelstandspolitiker Christian von Stetten gehört. Der befürchtet eben, dass über das SPD-Finanzministerium auch die SPD-Finanzpolitik dann in Europa stärker zum Ausdruck kommt.
Ist also der harte Kurs von Wolfgang Schäuble, das Geld zusammenzuhalten, ist der vorbei?
Rehberg: Das war ein harter Kurs, aber es war ein erfolgreicher Kurs.
Kaess: Ja, aber ist der vorbei jetzt?
Rehberg: Ich sage, dass der nicht vorbei ist und nicht vorbei sein wird. Ich glaube, dass hier Martin Schulz – denken wir nur an seine Aussage der Vereinigten Staaten von Europa, die sich kein anderer führender SPD-Politiker zu eigen gemacht hat, und wenn ich jetzt mal auf den möglichen neuen Bundesfinanzminister Scholz sehe, dann glaube ich, ist der Realist und auch pragmatisch genug, zu sehen, dass mit Deutschland keine Schuldenunion zu machen ist, dass Stabilität im Vordergrund steht, Wachstum, und dass es nicht hilft, einfach aus riesigen Geldtöpfen hier Geld in Europa auszuschütten, sondern dass die Einhaltung von Fiskal- und Stabilitätspakt oben ansteht.
Und ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Olaf Scholz die Vision in Anführungsstrichen von Herrn Schulz teilt.
Kaess: Aber es ist auch festgehalten worden, dass Berlin künftig mehr Geld nach Brüssel überweisen will.
Rehberg: Das werden wir erst mal sehen. Wir haben 46 Milliarden als prioritäre Maßnahmen vereinbart für alles, was im Europa-Kapitel steht, gibt es keine Vorsorge in der mittelfristigen Finanzplanung, weder für den Brexit-Ausgleich noch für höhere Zuweisungen im EU-Haushalt, und deswegen bin ich als Haushälter sehr ruhig und gelassen, zumal Herr Scholz auch weiß, dass ab 2020 durch den Bund-Länder-Finanzausgleich die Länder exzellent dastehen, aber die Steuereinnahmen des Bundes nicht mehr so steigen werden wie in der Vergangenheit.
Kaess: Das heißt, Herr Rehberg, Sie ziehen in Zweifel, dass Berlin künftig mehr Geld nach Brüssel überweisen wird.
Rehberg: Auf jeden Fall gibt das die Haushaltsplanung aktuell nicht her, und wir werden uns dann in Deutschland und dann auch möglicherweise kontrovers eine Debatte führen müssen, was ist wichtiger? Mehr Geld für Forschung, für Bildung, für Investitionen in Deutschland, oder unkonditioniert Geld nach Europa geben?
Kaess: Und warum hat man sich dann im Koalitionsvertrag darauf geeinigt?
Rehberg: Für mich sind maßgebend die prioritären Maßnahmen, und alles andere steht unter Finanzierungsvorbehalt.
Kaess: Trägt dieser Koalitionsvertrag für Sie überhaupt noch ausreichend die Handschrift von CDU/CSU, wenn wir uns gerade mal angucken beim Arbeitsrecht die Teilzeitregelungen, die strengere Regelung jetzt bei befristeten Arbeitsverträgen, da hat die SPD ja doch einiges durchgesetzt.
Rehberg: Ich muss mal die Frage stellen, was hat die SPD nicht durchgesetzt? Sie hat zum Beispiel nicht durchgesetzt Steuererhöhungen. Sie hat auch nicht durchgesetzt eine Bürgerversicherung. Wir haben durchgesetzt Einhaltung der schwarzen Null, weiter massiv Investitionen in Bildung. Wir haben zum Beispiel durchgesetzt, dass ein Satz drin steht, wenn Länder Geld bekommen wie zum sozialen Wohnungsbau, dass das auch endlich für den Zweck entsprechend verwendet wird. Deswegen sehe ich, was die inhaltliche Ausgestaltung des Koalitionsvertrags betrifft, eine Ausgewogenheit.
Kaess: Meine Frage ging jetzt ein bisschen mehr in Richtung Wirtschaft. Denn viele Analysten sagen, die Verlierer des Koalitionsvertrag sind die Unternehmen, weil es zum Beispiel keine Steuerreform gibt, die Deutschland auch steuerpolitisch wettbewerbsfähig halten könnte.
Rehberg: Jetzt kann man das Geld immer nur einmal ausgeben. Wir haben uns entschieden, zehn Milliarden Entlastung beim Soli, eine deutliche Erhöhung des Kindergelds. Und wenn man dann auf der anderen Seite noch mehr im Bildungsbereich machen will, im Kinderbetreuungsbereich – mehr als die 45 Milliarden Spielraum waren nicht vorhanden –, und bei einer Steuerreform wäre man dann auch zu dem Punkt gekommen, hätten die Länder ihre Steuermindereinnahmen mitgetragen.
"Ich sehe jedenfalls finanziell keine Mehrbelastungen"
Kaess: Aber Sie stimmen dem zu, die Unternehmen kommen eigentlich aus Ihrer Sicht zu kurz?
Rehberg: Ich sehe nicht, dass die Unternehmen zu kurz kommen, wenn ich die Wachstumsprognosen der nächsten Jahre, nicht nur des Jahres 2018 sehe, dann geht es der deutschen Wirtschaft exzellent, es geht gut. Wir erwarten 2,4 Prozent Wachstum. Und deswegen kann ich nicht sehen, denn die Kassandrarufe kamen auch schon in den letzten Jahren nach wirtschaftlichen Einbrüchen. Ganz im Gegenteil, wir haben nach wie vor Wachstum.
Kaess: Aber dass es größere Belastungen für die Unternehmen gibt, das steht ja auch außer Frage. Ich habe gerade das Arbeitsrecht schon angesprochen, oder zum Beispiel auch der wieder eingeführte Arbeitgeberanteil bei der Krankenversicherung. Allein das kostet die Unternehmen fünf Milliarden Euro.
Rehberg: Auf der anderen Seite senken wir in der Arbeitslosenversicherung 0,3 Prozent ab.
Kaess: Und das, unterm Strich, denken Sie, lohnt sich dann für die Unternehmen, die kommen dann sowieso besser davon.
Rehberg: Wenn ich einen Strich drunter mache, sehe ich jedenfalls finanziell keine Mehrbelastungen. Dass man auch Kompromisse machen musste, wie bei den befristeten Arbeitsverträgen, da sage ich ganz ehrlich, wenn ich da manches sehe, gerade im Öffentlichen Dienst, an Kettenverträgen, dann ist das für mich auch nicht akzeptabel.
"An diesem Bashing gegenüber älteren Kolleginnen und Kollegen beteilige ich mich nicht"
Kaess: Jetzt bringt Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günter, auch von der CDU, heute eine ganz andere Frage noch mal auf den Tisch. Er sagt, dass es ein harter Weg wird, das verloren gegangene Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Und er sagt auch, "deshalb brauchen wir neue Köpfe", Zitat Ende. Wo muss sich die CDU personell neu aufstellen?
Rehberg: Da fühle ich mich ja selber angesprochen mit meinen knapp 64 Jahren. Wenn Sie nur noch eine Debatte führen, dass die, die bisher auch eine grundsolide, engagierte Arbeit gemacht haben, gegen neue Köpfe ausgetauscht werden, das finde ich nicht zielführend. Es ist sicher richtig, dass an der einen oder anderen Stelle auch aus den Ländern neue Köpfe nach Berlin kommen sollen, aber an diesem Bashing gegenüber älteren Kolleginnen und Kollegen beteilige ich mich jedenfalls nicht.
Kaess: Aber für diese möglicherweise neue Koalition, die, wenn die SPD-Mitglieder es denn so absegnen, auch dann zustande kommt, da wären Sie auch dafür, da sollte man mit neuem Personal dann an den Start gehen?
Rehberg: Wir werden sicher an der einen oder anderen Stelle neue Personalien bei den Ressorts haben. Wir haben auch eine deutliche Verjüngung in der Fraktion vorgenommen, auch mehr junge Frauen in verantwortungsvollen Positionen. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Aber ich wehre mich dagegen, dass wir jetzt wirklich Vertrauen zurückgewinnen, indem wir mit neuen Köpfen kommen. Ich nehme mal einen Punkt: So ein alter Kopf wie Wolfgang Schäuble hat die höchsten Beliebtheitswerte von den Unionspolitikern. Und deswegen muss älter nicht unbedingt schlechter sein.
Kaess: Und muss Angela Merkel, sagen Sie uns das noch zum Schluss, in dieser nächsten Legislaturperiode, sollte sie denn tatsächlich wieder Bundeskanzlerin werden, ihre Nachfolge regeln.
Rehberg: Das hat jetzt nichts mit Angela Merkel zu tun. Ich habe ein Grundprinzip, dass auch, wenn es zu Wahlen kommt, ob jetzt in Ländern oder im Bund, auch immer der jeweilige Spitzenkandidat auch der Amtsinhaber sein sollte.
Kaess: Sagt Eckhard Rehberg von der CDU. Er ist haushaltspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Danke für das Gespräch heute Mittag!
Rehberg: Gern!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.