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CDU-Politiker Willsch
"Sehnsucht danach, dass wir als Union wieder sichtbar werden"

Der CDU-Politiker Klaus-Peter Willsch hält den neu gewählten Unionsfraktions-Vorsitzenden Ralph Brinkhaus für eine gute Besetzung. Er gebe der Union wieder eine Chance, in ihrer ganzen Breite wahrgenommen zu werden, sagte Willsch im Dlf. Das "Gewürge der letzten Wochen" habe die Wechselstimmung erzeugt.

Klaus-Peter Willsch im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch.
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch hält Ralph Brinkhaus für den geeigneten Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag (imago/Sven Simon)
    Mario Dobovisek: Eine Stunde der Demokratie nannte die Kanzlerin das, was gestern in der Unions-Fraktion im Bundestag geschehen ist. Eine Wahl, zwei Kandidaten und der vermeintliche Außenseiter setzt sich durch. Ralph Brinkhaus gegen Volker Kauder, dem Kandidaten der Kanzlerin. Das schüttelt CDU und CSU einmal kräftig durcheinander. Jetzt müssen sich alle wieder sortieren. Vor allem Merkel, Seehofer und Dobrindt, die geschlossen hinter Kauder standen.
    Am Telefon begrüße ich Klaus-Peter Willsch, CDU-Abgeordneter im Bundestag, Wirtschaftspolitiker dort. Er kritisierte mehrfach die Politik Angela Merkels, bei der Eurorettung zum Beispiel, in der Flüchtlingspolitik. Guten Morgen, Herr Willsch!
    Klaus-Peter Willsch: Guten Morgen, Herr Dobovisek. Guten Morgen an die Hörer.
    Dobovisek: Haben Sie gestern Ralph Brinkhaus gewählt?
    Willsch: Ich habe schon sehr zeitig zu erkennen gegeben, dass ich das für einen sehr guten Vorschlag halte. Er ist als ausgewiesener Finanz- und Wirtschaftspolitiker auch geeignet, uns wieder stärker als Partei Ludwig Erhards sichtbar zu machen.
    Dobovisek: War das der einzige Grund?
    Willsch: Ach wissen Sie, bei einer geheimen Wahl muss man hinterher nicht über Ursachenbündel und was da alles zusammenkommt reden. Aber das war sicher auch bei vielen ganz unterschiedlich. Wenn Sie sich die Bundestagsfraktion anschauen: Wir sind 246. Davon sind 231 direkt gewählt. Das heißt, die kommen aus ihrem Wahlkreis, haben sich da durchgesetzt in der Union, sind da die Nummer eins und haben dann die Arbeit in der Fraktion erlebt, dass dort jetzt nicht unbedingt deren Talente abgefragt wurden, dass im Gegenteil gefordert wird, jetzt aber die Reihen geschlossen, hinterhermarschieren und so. Das ist eine besondere Erlebnis-Situation, die man da hat, und wenn man dann dagegenhält das demoskopische Loch, in dem wir sitzen, dann gibt es eine Vielfalt von Motiven.
    "Das Gewürge der letzten Wochen"
    Dobovisek: War es deshalb eine Wahl für Brinkhaus oder eine Wahl gegen Kauder und damit ein Stück weit gegen Merkel?
    Willsch: Wenn Sie eine Situation haben mit zwei Kandidaten, dann kommt immer beides zusammen. Das ist doch klar. Ich glaube, Ralph Brinkhaus hat das sehr gut gemacht. Er hat in der letzten Fraktionssitzung schon sich selbst vorgestellt und dabei viele Saiten zum Klingen gebracht, die man lange nicht mehr gehört hat in der Fraktion, dass wir als Fraktion sichtbar sein wollen, dass wir auch christdemokratisches Profil zeigen wollen.
    Dobovisek: Eine Meuterei?
    Willsch: Meuterei ist zu viel gesagt.
    Dobovisek: Was dann?
    Willsch: Das ist eine Neuwahl eines Fraktionsvorsitzenden und es gab offenkundig eine Fehleinschätzung des seitherigen Fraktionsvorsitzenden. Sonst hätte man vielleicht freiwillig einen Übergang eleganter gestaltet.
    Dobovisek: Auch eine Fehleinschätzung der Kanzlerin, die ja hinter Kauder stand?
    Willsch: Sie konnte ja kaum anders. Sie hat natürlich als Parteivorsitzende Loyalität zurückbezahlt und das geht immer nur eine Weile, und hier ging es nicht mehr, weil eine große Sehnsucht danach ist, dass wir als Union wieder mit eigenständigen Debattenbeiträgen sichtbar werden in einer Großen Koalition, die ja vereinbart ist, auf dem Bundesparteitag abgesegnet worden ist, und wo es auch viele Punkte gibt, die nicht besonders konfliktträchtig sind, die aber gemeinsam umgesetzt werden müssen. Das Gewürge der letzten Wochen hat sicher auch das Stimmungsbild mit erzeugt, auf dem dieser Wechsel möglich war.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel steht bei der Inbetriebnahme eines neuen Prüf- und Technologiezentrum des Unternehmens auf einer Plattform, im Hintergrund sind Wolken zu sehen.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel ist zurzeit angeschlagen (Marijan Murat/dpa)
    Dobovisek: Das Gewürge der vergangenen Woche. – Jetzt gucken wir uns noch mal ein paar Titel von heute aus den Zeitungen an: "Schwerer Schlag für die Kanzlerin", "Destruktives Misstrauensvotum", "Abschied von der Macht". "Kann Merkel noch Kanzlerin", fragt gerade die "Bild". Haben Sie darauf eine Antwort, Herr Willsch?
    Willsch: Ja, natürlich! Stellen Sie sich mal einen umgekehrten Ausgang vor, Volker Kauder hätte knapp gewonnen. Dann hätten die Medien genauso geschrieben, Merkel setzt sich durch, war zwar knapp, aber keine Revolution in der Union zu erwarten und und und. Man kann sich ja ungefähr die Schlagzeilen ausmalen. Auf das Spiel will ich jetzt gar nicht weiter eingehen.
    Ich glaube, neben dieser Erfahrung, die wir hatten beim Thema des Falles Nahles, über den öffentlich ja nur als Fall Maaßen gesprochen wurde, oder auch die Situation vor der Sommerpause, als uns die Unions-Fraktion, die Einheit der Union fast um die Ohren geflogen ist, weil da unsere damalige Leitung offenbar bereit war, das zu riskieren, das waren so Elemente, so Momente, die wir erlebt haben, wo man sich überlegt hat: Moment mal, was machen die denn hier mit uns, das geht doch nicht so weiter.
    "Gibt uns als Union wieder eine Chance, in unserer ganzen Breite wahrgenommen zu werden"
    Dobovisek: Steht die Union jetzt wieder fest zusammen?
    Willsch: Ich glaube, das ist eine gute Voraussetzung, denn es haben sich im Vorfeld beide bemüht zu erklären, das ist ein ganz normaler demokratischer Vorgang, und hinterher müssen wir als Union zusammenwirken, damit wir überhaupt unsere PS auf die Straße bringen können. Ralph Brinkhaus hat auch schon im Vorfeld, im Frühjahr sehr deutlich gemacht, Thema Europapolitik, dass wir da aktiver werden müssen, dass wir das nicht alles einfach nur der Regierung überlassen können. Er hat sich eindeutig gegen eine Transferunion, gegen eine Haftungsunion in Europa ausgesprochen. Wir tun so, oder die Regierung tut häufig so, als ob Macron noch der leuchtende Stern in Europa wäre.
    Dobovisek: Aber trotzdem hatte Ralph Brinkhaus sämtliche Rettungspakete zum Beispiel für Griechenland mitgetragen, anders als Sie, Herr Willsch. Haben Sie da aufs falsche Pferd gesetzt?
    Willsch: Ich habe zeitig gesagt, es wäre gut, wenn wir hier einen Wechsel kriegen. Ich habe ihn für den geeigneten gehalten und ich sehe ihn auch thematisch bei Punkten, die ich eben angesprochen habe, sehr viel näher und glaube, dass er das hinbekommen wird mit einer geschickten Balance. Ein Fraktionsvorsitzender wirkt ja nicht in erster Linie dadurch, dass er im Parlament was sagt, sondern dass er natürlich bei der Regierung und bei der Regierungschefin was bewegen kann im Vorfeld und ohne Öffentlichkeit.
    Ich glaube, dass er da mit seiner Art, die Sie ja gestern auch sehen konnten in Interviews, - diejenigen, die ihn noch nicht kannten -, eine gute Besetzung ist, der uns als Union wieder eine Chance gibt, in unserer ganzen Breite wahrgenommen zu werden und nicht auf ein Thema und eine Richtung eingehängt zu werden.
    Ralph Brinkhaus am Rednerpult des Bundestags.
    Der neue Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus. (dpa / Maurizio Gambarini)
    Dobovisek: Sie haben vorhin die Stimmung in der Fraktion angesprochen, die angespannte Stimmung. Da kursierte auch in letzter Zeit ein Bild von unter den Tischen klopfenden Abgeordneten, damit die Fraktionsführung nicht erkennen kann, wer wessen Sympathien hat. War der Druck so groß in der Fraktion?
    Willsch: Einen Druck gibt es da natürlich schon.
    Dobovisek: Wie äußert sich der?
    Willsch: Das ist einfach so ein gegenseitig sich Angst machen. Ich habe das in meinem Buch von Rettern und Rebellen über die Eurorettung beschrieben. Es ist einfach eine Stimmung. Ich kann Ihnen ein Beispiel mal sagen. Bei der vorweihnachtlichen Feier kam ein junger Kollege. Wir haben insgesamt 45 neue in der Fraktion. Das ist natürlich auch ein Faktor. Das ist ein Fünftel der Fraktion. Da kam ein junger Kollege auf mich zu. Wer es war und woher, sage ich jetzt nicht. Und er sagte mir, Du bist also der Willsch, ich wollte Dich mal kennenlernen, weil sie haben mich gewarnt, ich soll mich nicht so verhalten wie Du, sonst wirst Du nichts mehr. Das sind ja durchaus wohlmeinende Ratschläge.
    Dobovisek: Willsch der Rebell.
    Willsch: Genau! Dafür sind Direktgewählte natürlich nicht so empfänglich wie Listenabgeordnete, die aufs Wohlwollen ihres Landesverbandes und ihrer Wiedernominierung angewiesen sind, und für Neue ist das ein Erlebnis. Du kommst das erste Mal in den Bundestag, denkst, hier bist Du Weltenlenker sozusagen, und kriegst immer nur gesagt, jetzt musst Du hier mitmarschieren und wenn Du Bedenken hast, schon wieder eine blöde Frage, und und und – das ist eine Frage der internen Kommunikation und des Miteinanders und wie man bereit ist, Talente, die man in der Fraktion vorfindet, auch einzubinden, überhaupt mal zu wissen, wo kommst Du denn her, was machst Du denn, was kannst Du hier für einen Beitrag leisten.
    Dobovisek: Glauben Sie ernsthaft, Herr Willsch, dass sich das mit Brinkhaus ändern kann, ändern wird?
    Willsch: Ich werde ihn daran erinnern, wenn ich den Eindruck habe, dass es nicht der Fall ist, denn ich glaube, das ist eine der wesentlichen Triebkräfte gewesen, die zu dieser Entscheidung gestern geführt hat.
    "Da ist zu wenig aufgenommen worden, welche Themen vor Ort bewegen"
    Dobovisek: Welche Schlüsse sollte Angela Merkel, sollte auch Horst Seehofer insgesamt aus den Vorgängen der letzten Tage in der Fraktion ziehen? Die Fraktion, die ja sämtliche Regierungsentscheidungen mitträgt.
    Willsch: Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, bei der Führung das aufzunehmen, was wir alle aus unseren Wahlkreisen mitbringen am Wochenende. Sie kennen doch das Phänomen des Sommerlochs, wo alle möglichen abstrusen Ideen plötzlich hochkommen. Die werden hier in Berlin von irgendwelchen Spin-Doktoren geboren, die sich irgendwas ausdenken, was dem Lackmustest der Wirklichkeit nicht standhält. Und wenn wir Abgeordneten dann wieder zurückkommen aus den Wahlkreisen, dann wird es wieder normal. Da ist zu wenig hineingehört worden. Da ist zu wenig aufgenommen worden, welche Themen vor Ort bewegen.
    Wir haben Wahlkampf gerade in Hessen und ich kriege jetzt Rückmeldungen von der eigenen Basis, die mir sagen, das ist ein Motivationsschub für uns, es ist endlich mal ein Aufbruchssignal, es ändert sich noch was, es gibt was Neues. Ich hoffe, dass am Montag die Sache mit der Dieselgeschichte beendet wird, denn das hängt uns wie ein Mühlstein am Hals, dass hier nach dem Urteil in Frankfurt Hunderttausende nicht wissen, wie sie in einem halben Jahr oder so nach Frankfurt zu ihrer Arbeit kommen können. Das sind alles Themen, die viel dringlicher sind als anderes, aber natürlich ist auch das Thema, was uns sehr häufig in nahezu jedem Gespräch im Wahlkreis begegnet, dass wir in Sachen der illegalen Zuwanderung endlich etwas vorwärts bringen und zählbare Erfolge haben.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.