Peter Sawicki: Der Persische Golf bleibt eine politisch angespannte Gegend und immer stärker dreht sich die Diskussion um die Bundesrepublik. Weil der Iran einen britischen Tanker festhält, wird über eine Schutzmission für Handelsschiffe in der Straße von Hormus diskutiert, doch wie soll die aussehen. In Deutschland mehren sich durchaus die Stimmen, dass die Bundesrepublik mitmacht, auch bei den Grünen, allerdings nur, wenn die USA nicht dabei sind. Nach britischem Wunsch soll Washington aber sehr wohl mitmachen. Die Diskussion geht also weiter, auch weil der Iran die Festsetzung eines weiteren Tankers gemeldet hat. Er soll aus dem Irak stammen. Dort streitet man das allerdings ab. Wie also weiter mit dieser Thematik, das können wir jetzt Peter Beyer fragen, er sitzt für die CDU im Deutschen Bundestag, ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Koordinator für transatlantische Zusammenarbeit der Bundesregierung. Schönen guten Morgen, Herr Beyer!
Peter Beyer: Ich grüße Sie! Schönen guten Morgen!
Sawicki: Gießt der Iran weiter Öl ins Feuer?
Beyer: Eine gute Formulierung. Ich glaube, insgesamt müssen wir uns die Lage am Persischen Gold und zurzeit insbesondere an der Straße von Hormus anschauen und dann die verschiedenen Politikansätze dann bewerten. Ich glaube übrigens, dass die Debatte vom Denkansatz, ob mit oder ohne USA, zurzeit auch ein wenig in die Schieflage gerät. Es kann ja nicht darum gehen, ob was von Amerika initiiert wird und ob Amerika eine mögliche Mission führt, sondern es geht darum, dass wir verschiedene Politikansätze in Bezug auf den Iran und die Region haben. Wir differenzieren uns hier von den Amerikanern und darüber werden wir sicherlich jetzt gleich auch noch sprechen.
"Diese Situation ist jetzt zum wiederholten Mal"
Sawicki: Genau, darüber können wir gleich sprechen über die Ansätze, die möglichen. Wenn Sie sagen, wir müssen uns die Lage anschauen, schauen wir uns mal die Entwicklung vom Wochenende an: Ein Tanker, der festgesetzt wurde vom Iran, der soll Öl geschmuggelt haben, er kommt offensichtlich oder angeblich aus dem Irak. Wie schätzen Sie diese Situation ein?
Beyer: Diese Situation ist jetzt zum wiederholten Mal und dieser Tanker, nach allem, was wir bisher wissen, ist nicht jetzt am Wochenende festgesetzt worden, sondern schon am vergangenen Mittwoch, also am 31. Juli. Ich habe versucht, mal eigene Informationen zu recherchieren. Ich will nicht sagen, das hat nichts mit der Lage im Moment zu tun mit Iran, Irak und Europa. Man muss wissen, dass in der Region generell ein Schmuggel von Diesel und Benzin stattfindet und in diesem Fall wohl iranische Revolutionsgarden hier einen kleinen Tanker festgesetzt haben. Ich will nicht sagen, dass das business as usual ist, absolut nicht, aber wir müssen sehr aufpassen – das ist mein Punkt –, dass wir nicht in alles jetzt eine sehr hochpolitische Situation hineininterpretieren. Also man sieht ja schon, dass wir bei jedem kleineren und größeren Ereignis in der Region sofort den künftigen Krieg im Persischen Golf und mit dem Iran sehen. Also davor will ich wirklich warnen. Es muss darum gehen, mit kühlem Kopf jetzt einmal zu sehen, was sind denn auch unsere Interessen in Deutschland und in Europa in der Region.
Sawicki: Dann stellen wir doch mal diese Frage jetzt an Sie: Was sind aus Ihrer Sicht die deutschen Interessen dort?
Beyer: Wir müssen sehen, wir haben einerseits Sicherheitsinteressen für eine sichere Schifffahrt dort. Wir haben pro Woche mehrere, ungefähr vier bis sechs unter deutscher Flagge fahrende Handelsschiffe, die an der Straße von Hormus passieren, und mich wundert es schon, dass wir erst nach einiger Zeit jetzt uns offenbar Gedanken auch öffentlich darüber machen, wie wir denn diese Schifffahrt, diese Schiffe sichern wollen, Stichwort maritime Sicherheit. Also das Zweite ist nämlich, wir haben ein wirtschaftliches Interesse, und ich glaube, es steht uns gut zu Gesicht, in Deutschland, Europa, auch unabhängig von der amerikanischen Anfrage darüber nachzudenken, wie können wir denn hier Sicherheit schaffen für unsere Interessen dort.
Sawicki: Reichen Wirtschaftsinteressen aus, um militärische Mittel zum Schutz dieser Wirtschaftsinteressen einzusetzen?
Beyer: Es geht in der Tat um den Einsatz von militärischen Mitteln, aber nicht, um irgendwelche Kriege oder gar Angriffskriege zu führen, sondern um Geleitschutz herzustellen und auch um Aufklärung und Lageaufklärung zu betreiben. Ich glaube, das kann Deutschland. Wir stellen uns ja auch immer wieder die Frage, haben wir überhaupt die Fähigkeiten, haben wir genug Schiffe, haben wir genug Soldaten. Die Frage ist natürlich legitim. Im Zweifel kann es sein, dass wir woanders ein Schiff abziehen müssen, aber ich glaube, gerade jetzt in dieser Situation, wie wir sie ja jetzt in den letzten Wochen sich entwickelt sehen haben, es ist sehr gut, nicht nur darüber nachzudenken, sondern es gibt ja nicht mehr viel Zeit. Also bevor es dort eskaliert, ist es doch gerade das Gebot der Stunde, sich nicht zurückzuhalten, sondern hier auch ein politisches Signal zu setzen, und ich glaube, Deutschland sollte hier in die Führung gehen und auch in Europa politisch führen. Ich weiß, dass intensive Gespräche im Rahmen der E3, also Großbritannien, Frankreich, Deutschland, geführt werden, um eine europäische Mission hinzubekommen. Wir brauchen eine rechtliche Grundlage. Ich sehe ein UN-Sicherheitsmandat im Moment als weniger realistisch an.
"Wir müssen das sehr rational abwägen"
Sawicki: Aber die Handelsroute, die führt zum Teil durch iranisches Hoheitsgewässer, und wir haben am Freitag mit dem Bundesaußenminister hier gesprochen, Heiko Maas von der SPD, und er hatte mit Blick auf die Folgen eines möglichen deutschen Einsatzes Folgendes dazu gesagt:
Heiko Maas: Wenn man über den Einsatz von Kriegsschiffen oder Militärflugzeugen redet, finde ich es ehrlich gesagt sogar eine notwendige Voraussetzung, sehr angemessen über etwas zu reden, denn sowas kann auch dazu führen, dass es militärische Folgen hat, sowas einfach mal nur so zu entscheiden, weil es jetzt mal an der Zeit ist, dass sich Deutschland auch irgendwo beteiligt, das halte ich für verantwortungslos. Wir müssen das sehr rational abwägen.
Sawicki: So, Herr Beyer, Sie haben gesagt, bevor die Situation eskaliert, muss man sich da jetzt auf Maßnahmen einigen, aber würde die Situation damit nicht automatisch irgendwann eskalieren, wenn man durch iranische Hoheitsgewässer diese Schutzmission durchführen müsste?
Beyer: Der Bundesaußenminister hat ja recht, indem er sagt, wir müssen da schon nüchtern und klug rangehen und nicht einfach mal eben Kriegsschiffe hinsenden. Das ist auch mein Punkt, aber was ich auch sage, ist, dass wir uns nicht den Luxus gönnen dürfen, zu viel immer nur zu diskutieren. Ja, es ist wichtig, sich abzustimmen, auch mit den Ländern der Region. Es wird ja auch versucht, eine Konferenz in der Region mit den Anrainerstaaten des Persischen Golfs hinzubekommen. Es ist immer gut, wenn alle an einen Tisch sich setzen und da versuchen zu deeskalieren, aber ich glaube, diese eine Säule reicht in der jetzigen Situation nicht aus. Noch einmal, ich glaube, es ist so sinnvoll, ich meine, mindestens zu überlegen und dann aber auch zu handeln, dass wir als zweite Säule auch für die maritime Sicherheit vor Ort sorgen. Sehen Sie, im Jahre 2016 hat Deutschland einen Weißbuch-Prozess zu Ende gebracht. In diesem Weißbuch für die Sicherheit und Verteidigung steht unter anderem drin, dass wir für die Sicherheit der Handelswege sorgen, also auf den maritimen Handelswegen, und das muss auch irgendwann in einer Situation, wie wir sie jetzt sehen dort in der Region, auch durch operatives Handeln unterfüttert werden. Wir können uns da nicht immer wegducken.
Sawicki: Und wäre man dann auch im Zweifelsfall bereit, die Bundeswehr in Kampfhandlungen zu schicken?
Beyer: Das ist natürlich eine andere Qualität. Das wünscht sich keiner.
"Gefahr besteht, dass es eskaliert"
Sawicki: Aber damit müsste man ja rechnen, dass das dazu kommt.
Beyer: Ja, nicht unbedingt. Das war ja ein Grund, weshalb wir sagen – was ich auch für richtig finde in der Situation, weil wir total verschiedene Politikansätze haben in Bezug auf Iran –, dass wir uns jetzt zu diesem Zeitpunkt nicht unter eine US-geführte Mission stellen und weil die Gefahr besteht, dass es eskaliert und dass man sich in Konflikte in einer militärischen Auseinandersetzung hineinziehen lässt. Damit das nicht passiert, brauchen wir eine EU-geführte Mission, die sich auf die Sicherheit der maritimen Schifffahrtswege dort beschränkt. Ich glaube, das ist schon ein qualitativer Unterschied. Weil wir das gerade nicht wollen, dass wir in Kampfeinsätze hineingezogen werden, ist es klug, jetzt zu handeln und dort in der Situation, wie wir sie jetzt noch vorfinden, wo es noch nicht so eskaliert ist, dass wir einen greifbaren Konflikt haben, dass wir dafür Sicherheit und unsere eigenen Interessen sorgen.
Sawicki: Das heißt, wie sollte man aus Ihrer Sicht auf EU-Ebene jetzt weiter vorgehen?
Beyer: Ich würde mir nicht nur wünschen, sondern ich halte das wirklich für das Gebot der Stunde, dass sich mindestens mal die E3, also Deutschland, Frankreich, Großbritannien, einigen – die Gespräche werden ja geführt –, eine Rechtsgrundlage durch eine EU-Mission zu führen und dann zu schauen, welche Fähigkeiten hat jedes einzelne Land, was können wir tun. Beispielsweise könnte ein deutscher Beitrag sein, Aufklärungsflüge zu leisten und Lagebilder zu geben bis hin allerdings auch zu Schiffen zur Absicherung, zum Geleitschutz von Handelsschiffen einzusetzen. Das muss jetzt genau aufgeteilt werden. Wie weit die Gespräche sind, kann ich im Detail nicht sagen, aber ich weiß, dass sie geführt werden. Ich glaube, zunehmend auch bei den genannten Ländern in Europa sehen wir ein Einsehen oder die Erkenntnis, dass das tatsächlich so ist, dass wir hier für unsere europäischen Sicherheitsinteressen, für Sicherheit sorgen müssen, und deswegen glaube ich, dass wir innerhalb, ich will keinen Zeitrahmen nennen, aber nicht zu langer Zukunft sehen werden, dass Europa sich hier auch zusammenrauft, und ich glaube, Europa …
Sawicki: Ist das eine Frage von Wochen oder von Monaten?
Beyer: Ich glaube, wir reden eher von Monaten, aber ich will mich da nicht festlegen. Das kann ich derzeit schlecht einschätzen. Noch einmal, aber die Erkenntnis, dass Europa hier Interessen hat, ist da, und das wird auch eigentlich an allen Stellen so gesehen. Es geht jetzt darum, wie genau ist diese Mission zu führen, wie schaffen wir die Rechtsgrundlage, und welchen Teil kann jedes Land beitragen. Deswegen glaube ich fest daran, dass wir in den nächsten, ich sage jetzt doch noch mal: Monaten eine Entscheidung hier erwarten können.
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